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Olympische Spiele in Tokio

Bella Rose tanzt

Isabell Werth und Dorothee Schneider lieferten Präzisionsarbeit, einen „Pirouetten-Schluckauf“ gab’s noch und ein kleiner Fuchs mit noch kürzerem Namen zeigte wie groß ein Kämpferherz sein kann. Der zweite Grand Prix-Tag von Tokio ist Geschichte – hier die Zusammenfassung.

Geschafft, glücklich und hochmotiviert: Isabell Werth und Bella Rose.

Tokio/JPN – Bundestrainerin Monica Theodorscu war heute restlos zufrieden. „Das war ein Einstieg nach Maß. Es geht kaum besser“, sagte sie nach dem Grand Prix. Ein bärenstarkes Team hat sie da mit nach Tokio genommen. Jetzt geht es um die Mission Teamgold, aber nach dem Grand Prix ist klar – in der Einzelwertung werden sich alle drei Reiterinnen nichts schenken. Salopp gesprochen: Sie haben alle mächtig Bock, das ist spürbar, und gemeinsam mit ihren Pferden sind sie in bestechend guter Form.

Gestern legte Jessica von Bredow-Werndl mit der Trakehner Stute Dalera die Messlatte auf feinste Reiterweise ganz weit hoch und nach dem heutigen Tag bei den Olympischen Spielen in Tokio ist klar, die 84,379 Prozent vermochte die Konkurrenz nicht zu knacken. Aber getanzt wurde im Viereck ebenso schön.

Und weil das Beste auch heute zum Schluss kam, fangen wir im Rückblick auch genau hier an.

Gruppe F – Ein Lob, ein Lächeln, ein Bella-Tanz

Vergangenen Mittwoch wurde Isabell Werth 52 Jahre alt, ein Geschenk machte ihr heute ihr Herzenspferd: Bella Rose. 17 Jahre alt ist die Stute und zeigte sich so eifrig, lockerlässig und leichtfüßig, dass es einfach nur schön anzusehen war. Ein kleiner Hüpfer beim Einreiten, das Halten geschlossen, der starke Trab für ihre Verhältnisse sehr gut, fand auch Isabell Werth: „Die Trabverstärkungen fühlten sich gut an. Sie hat sich Zeit genommen, durch zu schwingen.“ Aber dann ... Die Trabtraversalen in bester Werth-Manier, Bella Rose fußte weit über, geschmeidig und schwungvoll, das Rückwärtsrichten präzise, die erste und zweite Piaffe-Passage-Touren wie ein Metronom, locker über den Rücken schwingend, ein Tritt wie der andere, mit schöner Kadenz und butterweichen Übergängen. Der Schritt gut, die Galopptour mühelos und bergauf, in der ersten Pirouette war die Reiterin mit einem Galoppsprung nicht ganz zufrieden – das ist dann Jammern auf allerhöchstem Niveau, aber eine Stellschraube, an der Werth arbeiten wird.

Als Isabell Werth auf die Mittellinie abwendete, lächelte sie, lobte ihre so leichtfüßig passagierende Bella, ließ sie noch einmal auf den Punkt piaffieren und dann fein in die letzte Passage dieser Prüfung gleiten. Gänsehaut, 82,50 Prozent in Richtersprache. Zwölf Mal zückten die Juroren in ihren Teehäuschen die Traumnote 10,0 in der Pi-Pa-Tour.

„Ich bin sehr glücklich und zufrieden mit Bella. Sie war sehr konzentriert und fokussiert. Ich bin nicht das letzte Risiko eingegangen, das war auch nicht das Ziel, sondern einen möglichst sicheren, fehlerfreien Ritt zu absolvieren.“ Ihre Bella Rose sei hochmotiviert unterwegs, von der Hitze völlig unbeeindruckt. „Sie ist jeden Tag hier weiter runtergefahren und fühlt sich in dem Stadion wohl.“

Kleines Tänzchen in der Passage: Isabell Werth und Bella Rose.

Das zweitbeste Ergebnis dieser letzten Gruppe lieferte Charlotte Dujardin aus Großbritannien. Ihre Nummer eins Freestyle ist nicht mit nach Tokio gereist, weil diese nicht in fit genug sei. Dafür packte die Britin ihren 1,65 Meter kleinen Fuchs Gio ein. Wenn man mal ein Damenreitpferd zeichnen möchte, der zehn Jahre alte Apache-Nachkomme könnte Modell stehen. Klein, aber oh, könnte man nach seinem heutigen Auftritt sagen. Charlotte Dujardins Devise: frisch, frech, nach vorne. Der kleine Gio schmiss die Beinchen, war in jeder Lektion eifrig und taktsicher unterwegs, die Einerwechsel könnte man schneller nicht reiten, aber sie waren sauber. In den Zick-Zack-Traversalen verkantete der Wallach ein wenig, die Piaffe-Passage-Tour war schwungvoll und mit sehr guten Übergängen. Am Ende hatte Charlotte Dujardin allen Grund „so happy“ mit ihrem Gio zu sein.

Kleiner Gio ganz groß. Und zwar mit Charlotte Dujardin im Sattel.

Gruppe E – Schneiders Präzision mit Schluckauf

Glanzstück der Gruppe zuvor war die Weltranglistenvierte Dorothee Schneider mit ihrem Showtime. Sie begann stark und präzise und wurde im Laufe der Prüfung noch besser. Die erste wurde zum Ende ein wenig klein, die Passage dafür umso größer und toller, im starken Schritt zeigte „Showi“, wie dieser mit Raumgriff aussehen kann. Die nächste Passage wieder elastisch, die zweite Piaffe gut, der Übergang mit kurzem Hakler und die Passage wieder toll. Die Galopptour: die Zweier-Tempi sauber und schnurgerade, gerade, der starke Galopp auf Angriff, der fliegende Wechsel am Ende der Diagonale präzise am Punkt. Und was Präzision heißt, zeigte Dorothee Schneider dann in der Zick-Zack-Traversale, besser geht es nicht. Die Einer-Tempi gelungen und dann kam doch ein kleiner „Schluckauf“, wie es Monica Theodorescu bezeichnete: In der Linkspirouette war Showtime „einen kurzen Moment hinter meinem inneren Schenkel“, beschrieb Schneider. Er fiel kurz aus, Dorothee Schneider schob ihn flugs wieder in den Galopp und weiter ging’s. Teuer war der Fehler trotzdem. Die zweite Pirouette gelang den beiden wieder wie aus dem Lehrfilm. Bis zur Schlussaufstellung arbeiteten Schneider und Showi wieder präzise, geschmeidig und risikofreudig weiter. 78,820 Prozent, Gruppenbeste und mit Luft nach oben.

Monica Theodorescu: „Wir müssen jetzt bestimmt nicht grübeln, was wir jetzt mit der Linkspirouette machen. Natürlich ärgert sie sich darüber, aber ich glaube die Freude darüber, wie das Pferd in Schuss ist, überwiegt.“ Und was sagte die Reiterin selbst? „Es war gut, aber ich glaube, wir können es besser. Ganz am Anfang hatte ich etwas Spannung im Pferd, was sich über die Trabtour gut gelöst hatte. Da kam er auch besser vor mich, da hatte ich ein sehr, sehr gutes Gefühl. Ich wünschte, der Fehler wäre nicht passiert, der war sehr teuer.“ Jetzt heißt es volle Konzentration auf den Special am Dienstag. „Natürlich ist da Druck drauf, aber es ist ein positiver Druck. Ich bin sehr stolz in so einem toughen Team zu sein.“

Präzisionsarbeit mit gutem Gefühl: Dorothee Schneider und Showtime.

Zweitbeste der Gruppe E war die Schwedin Juliette Ramel. Sie hatte mit dem KWPN-Wallach Buriel K.h. heute sicherlich nicht ihren besten Tag, Fehler in den Einerwechseln taten ihr Übriges. Ihr kam der Gruppenmodus zugute, denn dadurch hat ist sie trotz der eher schwachen 73,369 Prozent das Ticket für die Kür sicher.

Gruppe D – Dänemark lässt grüßen

Die Dänin Carina Cassoe Kruth lieferte mit ihrer leichtfüßigen Fürstenball-Tochter Heiline’s Daniera das beste Ergebnis dieser Gruppe, 76,677 Prozent bekam sie von den Richtern und nach diesem Ritt steht fest: Mit den Dänen ist bei der Medaillenvergabe in der Mannschaftswertung fest zu rechnen. Die US-Amerikanerin Adrienne Lyle auf Salvino Zweite in der Gruppe D und ist damit ebenso weiter (74,876).

Ausblick
Am Dienstag geht es ab 9:55 Uhr deutscher Zeit im Grand Prix Special um die Medaillen in der Mannschaftswertung. Die Zähler werden dafür alle wieder zurück auf Null gestellt. Die acht besten Teams aus dem Grand Prix sind weiter: Deutschland, Großbritannien, Dänemark, USA, Niederlande, Schweden, Portugal und Schweden. Isabell Werth schätzt die Dänen, Engländer und Amerikaner stark ein und stellt klar, bis jetzt „ist ja noch gar nichts passiert“. Wer ihrer Meinung nach in der Einzelwertung am Mittwoch die Medaillen absahnt?

„In der Einzelwertung ist die eigene Mannschaft die stärkste Konkurrenz, das haben wir jetzt gesehen. Charlotte (Dujardin) ist immer ein starker Gegner, mit welchem Pferd auch immer. Und Cathrine (Dufour) hat einen sehr guten Ritt gemacht.“

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