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EM Luhmühlen: Vielseitigkeitsreiter Christoph Wahler im Interview

„Am Ende muss man jedes Grasbüschel kennen“

Christoph Wahler und Carjatan S sind als Nachrücker zur Vielseitigkeits-Europameisterschaft gefahren. Im Gelände legten er und sein Holsteiner Wallach Carjatan S eine Punktlandung hin. Für den 25-Jährigen der schwerste Kurs seiner Karriere.

Christoph Wahler feiert in Luhmühlen sein Championatsdebüt.

Luhmühlen – Christoph Wahler und Carjatan S gelang am Geländetag das Kunststück: Sie kamen in Optimalzeit und ohne Hindernisfehler ins Ziel. Wir haben den 25-Jährigen einen Tag zuvor in der Mittagspause am Rande des Stadions zum Interview getroffen.

In welcher Situation haben Sie erfahren, dass Sie zur EM fahren dürfen?

Ich bin gerade vom Pferd gestiegen und wollte mich auf Carjatan setzen. Da hat Hans (Melzer, Bundestrainer der deutschen Vielseitigkeitsreiter, Anm. d. Red.) angerufen und hat‘s mir erzählt. Danach habe ich mich umso lieber draufgesetzt.

Was war das für ein Gefühl?

Ich habe mich richtig gefreut. Einerseits ist es mein erstes Championat, andererseits ist es Luhmühlen und nur 40 Minuten von mir zu Hause entfernt. Ich war in dem Moment einfach total glücklich. Allerdings weiß man, dass es für jemanden anders bedeutet, nicht zum Championat fahren zu dürfen. Das ist für denjenigen natürlich eine riesen Enttäuschung.

Was verändert man in seinem Training, wenn man plötzlich bei der EM starten darf?

Am besten gar nichts. Ich habe mich schon darauf vorbereitet, weil man als erster Nachrücker immer damit rechnen muss, doch zu starten. Ich hatte ursprünglich als Saisonhighlight in drei Wochen eine Prüfung in Blenheim geplant. Dafür wollte ich das Fitness-Level meines Pferdes sowieso entsprechend herstellen.

War die EM das selbsterklärte Saisonziel?

Ja, zu einhundert Prozent. Ich hatte das klare Ziel, mich dieses Jahr für die EM zu qualifizieren. Leider hatten wir über die Saison ein, zwei Stolpersteine, wodurch ich wieder ein bisschen durch das Raster gefallen bin.

Welche waren das?

Der entscheidende Faktor war, dass ich hier in Luhmühlen bei der Deutschen Meisterschaft am Ende des Geländekurses gestürzt bin. Das war die wichtigste Sichtung und viele Deutsche haben sich hier sehr gut gezeigt. So rutscht man selber auf einmal deutlich ab. Das was sehr ärgerlich und ein kleines Tief. Umso glücklicher bin ich am Ende, mein Ziel, das ich mir gesteckt habe, doch noch zu erreichen.

Was haben Sie sich hier vorgenommen?

Die Dressur lief sicher nicht so, wie erwartet. Aber das ist kein Drama. Wir beide sind noch nicht oft in so einer Atmosphäre gestartet und Carjatan ist noch nicht so gefestigt in seinem Nervenkostüm. Die Atmosphäre während der Dressur hat sicher dazu geführt, dass wir ein paar teure Fehler in der Aufgabe hatten. Insgesamt möchte ich hier eine solide, gute Prüfung abliefern und mich weniger auf eine Endpunktzahl oder eine Platzierung versteifen. Im Gelände möchte ich eine sichere Nullrunde drehen. Dann haben wir schon viel erreicht.

Wie ist der Eindruck vom Gelände?

Der Kurs geht anders herum, die Klippen liegen an anderer Stelle. Die Intensität der technischen Aufgaben ist wirklich hoch. Wenn man nicht zu einhundert Prozent konzentriert ist, kann überall ein Flüchtigkeitsfehler passieren. Aber es ist ein traumhafter Kurs. Schwer, aber sehr schön und klar.

Ist das hier der schwierigste Geländekurs, den Sie bislang geritten sind?

Ja, das würd‘ ich schon sagen.

Wie häufig sind Sie schon durch den Kurs gelaufen?

Ich bin ihn heute das dritte Mal abgegangen. Vielleicht gehe ich heute noch ein oder zwei Mal und dann am Geländetag morgens noch einmal alleine, ganz in Ruhe und konzentriert. Da möchte ich mir Zeit nehmen und jede Situation noch einmal im Kopf durchspielen.

Gehen Sie immer die komplette Strecke ab?

Ja, immer. Mit allen Alternativen, damit ich immer weiß, was zu tun ist, wenn ich mal einen Rumpler oder eine schlechte Situation habe. Am Ende muss man jedes Grasbüschel kennen.

Gibt es einen Trick, wie man sich die Wege und Alternativen besser merken kann?

Wir Reiter gehen Jahr für Jahr, Saison für Saison viele Geländekurse ab. Man entwickelt dabei einen Blick, den Kurs mit den Augen seines Pferdes zu sehen. Ich kann mir das Gelände fünf oder sechs Mal anschauen, mein Pferd nicht. Der geht ins Gelände und sieht es zum ersten Mal. Man muss als Reiter immer überlegen, wie das Pferd eine Aufgabe sieht. So kann man sich die Strecke glaube ich auch ganz gut einprägen.

Was macht Carjatan S aus?

Im Stall ist er ein bisschen frech, hat den Schalk im Nacken, will unheimlich viel Aufmerksamkeit und unheimlich viel betüddelt werden. Beim Reiten will er immer alles richtig machen, was es für den Reiter super angenehm macht. Im Gelände und im Springen ist er unheimlich ehrlich und aufmerksam. Er hat sehr viel Grundqualität am Sprung und in der Bewegung. Ich kenne ihn schon von klein auf. Er ist vielleicht nicht das blütigste Pferd, was das Galoppieren angeht. Deshalb muss er topfit sein, um so einen Kurs schnell gehen zu können.

Wie nervös sind Sie, bevor es ins Gelände geht?

Anspannung ist echt da. Ich freue mich auf der einen Seite drauf, auf der anderen denkt man sehr viel darüber nach. Wir müssen ja ganz viele Sachen bedenken: Welche Stollen drehe ich ein, wie ist der Boden, wie entwickelt sich das Wetter, wie lange muss ich abreiten, wie lang brauche ich von einem Abreiteplatz zum anderen, wie geht das mit der Startbox … Mit diesen Fragen kann man sich letztendlich auch ganz gut ablenken. Aber normalerweise werde ich nicht unheimlich nervös.