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Die Kolumne über das Interesse kleiner Jungs an Pferden

Wo sind all die Indianer hin?

Es ist doch der Traum einer jeden reitenden Mutter, dass der Sprössling irgendwann in ihre Fußstapfen tritt. Doch aus Sicht vieler kleiner Jungen fehlt dem Pferd das entscheidende Etwas: der Motor.

Symbolfoto

Schon im Babyalter versucht manch engagierte, pferdebegeisterte Mama, mit ersten Besuchen beim Pferd den Grundstein für die Reitbegeisterung bei ihrem Nachwuchs zu legen. Das weiche Fell, die warmen Nüstern, die treuen Augen – welches Kind kann sich dem bitte dauerhaft entziehen?

Sagen wir es mal so: Die Trefferquote liegt bei Töchtern bedeutend höher als bei Söhnen. Auch wenn es da natürlich Ausnahmen gibt. Aber was viele kleine Jungs meistens an Verständnis für jede Art von motorisiertem Gefährt mitbringen, fehlt ihnen, wenn es um die Vierbeiner geht. Oder besser gesagt: Sie leiten die Weisheiten über Trecker, Autos oder Lastwagen ganz gerne einfach ab. Mit drei Jahren Lebenserfahrung ist die Welt halt noch so groß wie der Garten. Und ein Gespann vor der Kutsche sind schlicht und ergreifend „Pferde mit Anhängerkupplung“. Sie merken schon, hier bekommen die PS eine ganz neue Dimension.

Dass diese Tiere ein Eigenleben haben und nicht mit einem Zündschlüssel gestartet werden, lässt kleine Technikfreaks kalt. Auch wenn die pferdebe-geisterte Mama mit allen Überzeugungskünsten versucht, die Liebe für das Tier zu wecken. „Willst du mit mir das Pferdchen von der Weide holen?“ fragt sie und ist ganz entzückt über das lässige Nicken des Sprösslings. Der hüpft fröhlich mit zum Koppeltor, greift nach dem Führstrick und ruft: „Ich will es zum Stall ziehen!“ Ein liebevoll erklärendes „es kann aber doch alleine laufen“ wird schweigend ignoriert, dafür wird das Pferd vor dem Abbiegen in den Stall mit deutlichen Worten aus dem Kindermund gewarnt: „Vorsicht, eine Kurve!“ Immerhin scheint ein kleiner Junge davon auszugehen, dass das Tier eine Art Sprachsteuerung hat. Mag aber eventuell auch daran liegen, dass sich Trickfilm-Star Bob der Baumeister ebenfalls mit seinen Fahrzeugen unterhält. Nach dem Einparken – Verzeihung, dem Anbinden – und drei gelangweilten Bürstenstrichen, ist das Interesse schnell wieder erloschen. Erst als der arme Zosse einige Tage später mit Kolikschmerzen und Nasen-Schlund-Sonde in der Speiseröhre als Häuflein Elend auf der Stallgasse steht, bekommt er die volle Aufmerksamkeit des Juniors. „Oh, Ölwechsel“, ruft dieser begeistert und wartet gespannt ab, was passiert.

Von Reiten will er nach der Genesung des Vierbeiners allerdings immer noch nichts wissen. Da hilft auch ein motivierender Fernsehnachmittag mit Spring- und Dressursport auf dem Bildschirm wenig weiter. Dies bringt das dreijährige Kindergehirn lediglich dazu, mal zu überlegen, welche Männer denn überhaupt reiten würden? „Indianer“, könnte die richtige, zielführende Antwort lauten. „Diese Männer mit Frack und Zylinder“, ist es definitiv nicht. Ja, vielleicht ist eher ein geschecktes Pony der Schlüssel zum Erfolg? Pfeil und Bogen, ohne Sattel, Kriegsbemalung – die Begeisterung dürfte eigentlich keine Grenzen kennen. Tut sie auch nicht. Jedenfalls die der Mutter. Leider steht das Pony in direkter Konkurrenz zum grün-gelben Trak-tor auf dem Hof. Ein Kampf wäre aussichtslos. Die riesigen Reifen sind einfach stärker als die kleinen Hufe. In ihrer ganzen Überzeugungskraft.

Haben Sie schon kapituliert oder wollen Sie noch einen letzten Versuch bei Ihrem technikverrückten Kind wagen? Ein Tipp: Nennen Sie Ihr Pferd ab jetzt freundschaftlich „Hafermotor“! Im richtigen Moment angebracht, könnte dies das Interesse des vermeintlichen Reiternachwuchses doch noch ein wenig ankurbeln. Viel Glück!