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Aktuelle Meldung

Unfall beim Kölner Rosenmontagsumzug – „Es bleibt ein biologisches Restrisiko“

Beim gestrigen Karnevalsumzug in Köln sind zwei Pferde durchgegangen, fünf Menschen wurden dabei verletzt. Reiter Revue International hat im Interview mit Dr. Kai Kreling, der die tierärztliche Aufsicht im Mainzer Karneval führt, nachgefragt: Gehören Pferden in den Karneval? Seine Antwort lautet: ja. Er arbeitet seit einem Jahr an einem Konzept, dass es dabei bleiben kann.

Köln – Zwei Pferde sind mit einer Kutsche beim gestrigen Rosenmontagsumzug in Köln durchgegangen. Wie die Tagesschau berichtet, seien die Pferde zuvor laut Augenzeugenberichten mit einer Flasche beworfen worden. Ob das der Auslöser für die Flucht war, will die Polizei allerdings noch nicht bestätigen. Fünf Menschen sind bei dem Vorfall mit leichten bis mittelschweren Verletzungen ins Krankenhaus gekommen, der Zug wurde für eine halbe Stunde unterbrochen.
Dieser Unfall in Köln löst erneute Diskussionen aus, ob Pferde im Karneval noch zeitgemäß sind. Reiter Revue International hat bei Dr. Kai Kreling nachgefragt – er ist der Leiter der Tierklinik Bingerwald im rheinland-pfälzischen Waldalgesheim und führt die tierärztliche Aufsicht im Mainzer Karneval.



Reiter Revue International: Der Vorfall gestern ruft erneut die Tierschützer auf den Plan – was kann man ihnen entgegnen?
Dr. Kai Kreling: Die Tierschützer sind die ganze Zeit da, sie sind sehr aggressiv. In Mainz stricken wir seit etwa einem Jahr ein Konzept, wie wir die Eignung des Pferdes für den Karneval im Vorfeld testen können. Da geht es auch um das ganze Drumherum, Sattelzeug, Reiter und eben um die Eignung des Pferdes. Wir sind leider für dieses Jahr noch nicht ganz fertig, im nächsten Jahr wird dieser Standard aber bei uns Mainz in die Praxis umgesetzt. Das ist die einzige Chance, die wir haben, um tatsächlich zu dokumentieren, dass wir nur die Pferde mit reinnehmen, die dafür auch geeignet sind und so einen Umzug ohne großen Stress absolvieren. Denn die Forderung ist sicherlich berechtigt. Wir müssen sehen, dass wirklich ausgewählte Pferde an solchen Umzügen teilnehmen. Aber: Es bleibt immer auch ein biologisches Risiko.
 
Können Sie dieses Konzept genauer beschreiben?
Im Grunde genommen geht es darum, einen Standard festzulegen, welche Eigenschaften ein Pferd für so einen Zug haben muss. Das testen wir in einer Art Eignungstest. Dabei müssen sie zum Beispiel an flatternden Untergründen vorbeigehen, über Plastikplanen gehen, Musik von vorne und von hinten aushalten oder Bewegungen mit Fahnen. Es ist ähnlich wie ein Eignungstest der Pferde für den Polizeidienst. Wir versuchen jetzt diesen Katalog noch zu verfeinern und dann in die Praxis umzusetzen.
 
Tierschützer prangern an, die Pferd würden sediert in den Karnevalsumzug gehen …
Das ist abgehakt. Wir hatten dieses Jahr in Mainz zwei Umzüge mit Pferden, ich habe mir alle Pferde bei der Garden-Aufstellung angeguckt. Man sieht, welches Pferd entsprechend gelassen ist oder nicht. Und ein sediertes Pferd erkennt man relativ leicht. Da war nichts und ich bin mir sehr sicher, dass das kein Thema mehr ist.
 
Karnevalsvereine bereiten ihre Pferde auf den Umzug bereits vor, reicht das aus?
Ob sie das tun oder nicht, das ist eine Sache, die wir überprüfen wollen. Wenn sie sie vorbereiten, bestehen diese Pferde auch den Test. Bestehen sie den Test nicht, ist es auch nicht das richtige Pferd.
Wir werden auch Empfehlungen an die Garden und die Pferdebesitzer herausgeben – da sind wir in der finalen Phase. Wir wollen den Pferdebesitzern Kriterien an die Hand geben nach denen wir testen, damit sie sich schon im Vorfeld damit befassen können. Es gibt Pferde, die einfach von ihrem Gemüt her relativ ausgeglichen sind, mit denen muss man oft gar nicht viel vorher machen. Es gibt Pferde, die grenzwertig sind und durch eine Gewöhnungsphase an solche Situationen herangeführt werden und dann so einen Umzug stressfrei überstehen.
 
Das heißt, man kann einen Fluchtinstinkt in gewissem Maße abtrainieren.
In gewissem Maße, ja. Eine Grundeignung muss aber trotzdem da sein.
 
Sagen Sie, dass Pferd ein Kulturgut ist, zur Tradition des Karnevals gehört und im Karneval bestehen bleiben soll?
Ganz klar: ja. Kultur wird heutzutage sehr klein geschrieben und ich bin ein konservativer Mensch. Ich bin überhaupt kein Karnevalist und sehe das nicht aus einem idealistischen Hintergrund, sondern tatsächlich als Kulturgut. Andererseits darf das Kulturgut nicht auf Kosten der Pferde gehen, da bin ich total auf der Seite der Tierschützer, die das teilweise in übertriebenem Maße darstellen.
Genau deshalb ist es so wichtig zu sagen: Pferd ist nicht gleich Pferd. Wir müssen die Pferde so gut wie möglich auswählen.
 
Hätte der Vorfall gestern verhindert werden können?
Von außenstehend weiß man immer alles besser. Ich würde mich nicht trauen zu sagen, bei uns hätte das nicht passieren können. Passieren kann so etwas leider immer. Das Pferd ist ein großes Tier, es ist immer noch ein Tier mit einem Fluchtinstinkt, selbst wenn es von seinem Charakter her ruhig ist. Es braucht professionelles Management. Wer ist am Pferd, wer führt das Pferd, wer ist verantwortlich für das Einzelpferd? Auch das wird bei uns in den Kriterien drinstehen.
 
Herr Dr. Kreling, vielen Dank für das Gespräch.
 
 
Auch in den Kölner Karneval dürfen nicht wahllos Pferde eingesetzt werden. Die bisherige Regelung: Veterinäre der Stadt untersuchen im Vorfeld des Zuges jedes Pferd. Eine Sedierung ist nicht erlaubt und bei Verdacht nehmen die Tierärzte eine Blutprobe. Jedes Pferd über 18 Jahre braucht ein tierärztliches Gesundheitszeugnis mit einem Vermerk, ob das Pferd einsatzfähig ist. Die Reiter des Rosenmontagszuges müssen 35 Reitstunden vorweisen können. -kl-