„Und, was machst du so?“ Eine scheinbar belanglose Frage, deren Antwort jedoch beim Gegenüber eine ganze Bandbreite an Reaktionen hervorrufen kann. Insbesondere, wenn sich die Frage an einen Reiter richtet und sie nicht etwa während eines schnöden Smalltalks auf einer langweiligen Party fällt, sondern während eines Dates. So wie jetzt. Mein Gegenüber blickt mich erwartungsvoll an. In meinem Kopf rotieren die Gedanken. „Ich reite.“ Diese zwei Worte können alles verändern. Denn zwischen Interesse, ob nun ehrlich oder nicht, schlichter Kenntnisnahme oder auch der spontanen Flucht des Gesprächspartners ist so ziemlich alles möglich.

Fakt ist: So ein Pferd lässt sich nicht lange verstecken. Wie viele plausible Erklärungen gibt es bitte dafür, dass das mit der gemeinsamen Abendgestaltung so eine Sache ist, weil man nie genau weiß, wann man zu Hause ist – tendenziell so zwischen neun und zehn? Wie erklärt man, dass man eigentlich dauerhaft pleite ist, sein Geld aber ganz offensichtlich weder für einen Friseurbesuch, noch für neue Schuhe oder Klamotten ausgibt? Warum bitte springt ein Mensch mit einem stinknormalen nine-to-five-Job an einem Sonntagmorgen um halb fünf aus dem Bett? Wie erklärt man das Chaos aus Decken, Bandagen, Stricken und Sattelgurten auf der Rückbank seines Autos und – noch viel wichtiger – wie Gerte und Sporen im Fußraum der Beifahrerseite …?

Die Liste unerklärlichen Verhaltens nimmt bei genauerer Betrachtung unendliche Ausmaße an. Und wer es wirklich schaffen sollte, sein Pferd auch nur eine Woche vor einem potenziellen Partner geheim zu halten, sollte sich überlegen, ob er mit diesem Talent nicht doch besser bei einem Geheimdienst aufgehoben wäre.

Aber vielleicht findet mein Gegenüber mein Hobby ja auch toll. Nicht wissend, welche Folgen das für ihn haben kann. Wie lange würde es wohl dauern, bis mein Date merken würde, dass auch er plötzlich ein neues Hobby hat? Nämlich mich und mein Pferd mit seinem viel PS-stärkeren Auto durch die Gegend zu fahren, sich die Wochenenden als TT auf ländlichen Turnieren im Umkreis von 100 Kilometern um meinen Wohnort um die Ohren zu schlagen, sich dort tagelang nur von Pommes zu ernähren, mich zu meinen Stallausflügen zu begleiten und schon mal die Box zu misten, während ich reite. Ich gebe zu, diese Vorstellung ist verlockend. Aber irgendwas sagt mir, dass das Rezept für eine gute Beziehung doch anders aussieht.

Das auffordernde „Hm?“ meines Gegenübers holt mich zurück ins Hier und Jetzt. Ich schulde ihm noch eine Antwort. „Ich …“, beginne ich. Mein Gegenüber zieht die Augenbrauen hoch. Vermutlich rechnet er jetzt mit allem zwischen Briefmarken-Sammeln und Basejumping. „Ich reite“, bringe ich mein Geständnis über die Lippen und denke, ich wäre auf alles vorbereitet, was nun kommt. Bin ich nicht. „Was für ein Zufall“, lacht er. „Ich auch.“ Ich spiele mit dem Gedanken, die Flucht zu ergreifen.

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