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Schenkelbrand

Streitpunkt Schenkelbrand – „Gute Gründe für die doppelte Kennzeichnung“

Der Heißbrand steht vor dem Aus. Ab 1. Januar 2019 könnte es ihn nicht mehr geben. Im Interview mit Reiter Revue International erklärt Dr. Klaus Miesner, Geschäftsführer Zucht der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), die Hintergründe.

Sind Brandzeichen bald Geschichte?

Was genau steckt dahinter, dass es den Heißbrand ab 2019 nicht mehr geben wird?

Hintergrund ist die Änderung des Tierschutzgesetzes im Jahr 2013. Danach hat der Deutsche Bundestag beschlossen, den Schenkelbrand mit einer Übergangsfrist von fünf Jahren, also ab 2019, nur noch unter Betäubung, zum Beispiel durch örtliche Anwendung von Tierarzneimitteln, zuzulassen. Der Schenkelbrand ist damit also nicht verboten, nur die Umstände, unter denen der angewendet werden darf, verändern sich ab 2019.

Gibt es Ihrer Meinung nach keine Chance, gegen diesen Beschluss Einspruch einzulegen?

Im Zusammenhang mit dem neuen Tierschutzgesetz wurde auch die Kastration von Ferkeln ohne Betäubung verboten, ebenfalls mit einer Frist bis Ende 2018. Nachdem der Bundesrat noch Ende September eine Fristverlängerung für die betäubungslose Ferkelkastration über 2018 hinaus abgelehnt hat, kam nun für alle etwas überraschend die Meldung, dass die Spitzen der Großen Koalition das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration um weitere zwei Jahre verschieben wollen. Dafür soll eine entsprechende Initiative auf den Weg gebracht werden. Das ist für uns eine wichtige Botschaft. Nach dem Motto „gleiches Recht für alle“ wäre auch für die Deutsche Pferdezucht ein zeitlicher Aufschub sehr hilfreich. Schließlich waren wir in den letzten Jahren ja nicht untätig, und das ohne staatliche Unterstützung. So haben wir bereits ein sehr geeignetes Tierarzneimittel gefunden und klinisch getestet, von dem wir wissen, dass es belegbar Schmerz bekämpft. Es ist auch bereits für Pferde zugelassen. Wir hatten gehofft, dass tierarzneimittelrechtlich eine Zulassungserweiterung des Einsatzgebietes möglich wäre. Allerdings hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) dann kurzfristig eine Neuzulassung verlangt. Die wiederum ist jedoch allerdings so zeitaufwendig und teuer, dass es sich weder für den Pharma-Hersteller noch für die deutsche Pferdezucht lohnt.

Arbeiten Sie denn weiterhin an einer Lösung oder wird das nun definitiv das Ende des Heißbrandes sein?

Nein, auf jeden Fall suchen wir weiter nach einer Möglichkeit den Schenkelbrand mit Hilfe eines geeigneten Tierarzneimittels weiter zum Einsatz zu bringen. Bis zum 1. Januar 2019 wird dies allerdings nicht gelingen.

Wie ist denn Ihre persönliche Meinung dazu? Ist der Chip genauso sicher wie der Heißbrand oder birgt er andere Probleme?

Die Kennzeichnung von Pferden durch den elektronischen Transponder in Verbindung mit dem Equidenpass ist vordergründig eine einfache und schnelle Lösung – wenn denn alles funktioniert. Nach wie vor gibt es aber gute Gründe für die doppelte Kennzeichnung. Transponder können ausfallen oder manipuliert werden, Papiere auch. Erschwerend kommt hinzu, dass es erstens keine zentrale Datenbank für Pferde in Europa gibt, und auch die nationalen Datenbanken nicht verlinkt sind. Und zweitens, dass aktuell einige Mitgliedstaaten eine reduzierte Version des Equidenpasses einfordern, in der auf das Signalement verzichtet werden soll. Das würde den Verzicht auf die optische Beschreibung des Pferdes bedeuten. Für die FN und ihre Zuchtverbände ist das ein „No Go“. Denn damit hängt dann alles allein vom Funktionieren des Transponders ab. Wenn ein Pferd dagegen ein Brandzeichen hat, weiß ich immer, an wen ich mich wenden kann, selbst wenn vielleicht die Jahreszahl schwer zu entziffern ist. Bei einem „W“, „H“ oder „O“ weiß ich beispielsweise, das ich mich an den Zuchtverband in Münster, Verden oder Vechta wenden muss, wenn ich etwas über mein Pferd wissen will. Im Zweifelsfall kann ich dort über die DNA-Datenbank des betreffenden Zuchtverbandes die Identität herausfinden. Was aber mache ich mit einem Braunen ohne Abzeichen, ohne Brand, ohne Papiere und einem kaputten Transponder? Das ist der Grund, warum ich persönlich den Brand nach wie vor für sicher halte und zwar als sinnvolle Ergänzung zum Chip.

Aktuell hat die FN eine Pressemitteilung zum Thema Schenkelbrand veröffentlicht, darin heißt es:

„Wir waren noch bis vor Kurzem recht zuversichtlich, dass wir eine für alle zufriedenstellende Lösung gefunden haben“, sagte Dr. Norbert Camp, Mitglied des Vorstands Zucht der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) und Vorsitzender des Trakehner Verbandes, im Rahmen des traditionellen Dezembertreffens der Vorsitzenden, Zuchtleiter und Geschäftsführer der FN-Mitglieds- und Anschlusszuchtverbände. Dr. Camp gehörte zu der Arbeitsgruppe, die in den letzten Jahren intensiv an der Erprobung und Zulassung eines geeigneten Medikaments zur lokalen Betäubung gearbeitet hat. Mit Lidocain hatte man auch schnell einen geeigneten Wirkstoff gefunden und erfolgreich getestet. Was zunächst sehr vielversprechend aussah, scheiterte jedoch am Ende an daran, dass das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die angestrebte Zulassungserweiterung eines lidocainhaltigen Tierarzneimittels für Pferde um den Anwendungsbereich auf der Haut ablehnte und dafür eine kostenintensive und zeitaufwändige Neuzulassung verlangte.

Damit wird es ab dem kommenden Jahr zunächst keinen Schenkelbrand mehr geben. Auch ein zeitlicher Aufschub, wie er jüngst für die betäubungslose Ferkelkastration eingeräumt wurde, konnte trotz intensivem Werben in Berlin bei den Koalitionspartnern nicht für die Pferdezucht erwirkt werden. „Wir haben bis zum Schluss um einen Aufschub gekämpft“, sagte Dr. Camp und nannte den Zuchtverbänden gute Gründe, weiter nach einer Lösung zu suchen. „Warum sollten wir weitermachen? Gerade in letzter Zeit hat sich gezeigt, wie hilfreich der Brand als zusätzliches, zuverlässiges Merkmal zur eindeutigen Identifikation eines Pferdes und dessen Rückführbarkeit ist“, sagte Camp. Zu befürchten seien auch Veränderungen in den Zusammenkünften der Züchter. Gerade die Fohlenbrenntermine seien wichtig gewesen, die Züchter zusammenzubringen. Diesen Argumenten stimmten die übrigen Zuchtverbandsvertreter zwar zu, befürchteten allerdings auch, dass die Wiedereinführung nach einer „Brennpause“ von ein oder zwei Jahren für den Schenkelbrand schwierig werden könnte. „Unsere Gegner sitzen an entscheidenden Schaltstellen und werden versuchen das zu verhindern“, vertrat Dr. Thomas Nissen, Geschäftsführer des Holsteiner Verbandes, die mehrheitliche Meinung innerhalb der Versammlung. „Wir haben alles versucht, sind aber jetzt an dem Punkt angekommen, wo wir uns zunächst einmal damit abfinden müssen, dass der Brand erst einmal weg ist.“