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Die Kolumne über die schwerste Zeit für Reiter - die ohne Pferd

Pferde-Entzug für Einsteiger

Einfach mal ‘ne Pause. Urlaub vom Pferd. Wochentags vor 20 Uhr wieder zu Hause sein, am Wochenende ausschlafen, nur noch halb so viele dreckige Klamotten in der Wäsche. Klingt gut? Reiter Revue-Redakteurin Kirsten Ahrling hat ihr Fazit gezogen.

Ein selbst auferlegtes Reitverbot beschäftigte unsere Redakteurin vier Wochen.

Als Volontärin ging es für sie vor einigen Jahren vier Wochen auf Volontärsschulung. Ohne ihr Stütchen versteht sich. Also Pferd auf die Weide. Ein bisschen Urlaub schadet niemandem. Außer der Figur vielleicht. Doch was folgte, war der pure Entzug und jeder, der es selbst schon einmal getestet hat, weiß, was sie meint:

Tag x, dramatisch: Den Moment, an dem mein Pferd abgeholt wurde, habe ich zelebriert wie einen Abschied für immer. Als das Auto mit dem Anhänger auf den Hof rollte, hatte ich tatsächlich einen Kloß im Hals. Wie bescheuert. Sind doch nur vier Wochen. Nachts konnte ich nicht schlafen. Ständig musste ich an mein Pferd denken: „Hoffentlich sind die anderen Pferde nett zu ihr ...“ Am nächsten Morgen in der Redaktion, es war Donnerstag, schüttete ich meiner Kollegin das Herz aus. „Was, wenn die anderen Pferde sie mobben?“ Lautes Lachen. „Pass’ mal auf, dass du nicht gemobbt wirst.“ Ach ja, da war ja was. Am nächsten Montag ging es los zur Schulung.

Woche 1, Freiheit: Ich mag mein Pferd. Aber ich genoss meine neue, etwas ungewohnte Freiheit. Und ich hatte viel zu tun. Unter anderem damit, bei den anderen Volos, die mit mir die Schulung besuchten, nicht direkt das Pony-Mädchen raushängen zu lassen. Mein Handy-Hintergrund – ein Bild meines galoppierenden Pferdes – hat mich dann doch recht schnell verraten. Und das Foto von ihr in meinem Portemonnaie ... und der Innenraum meines Autos, das besser ausgestattet ist als jeder Reitsportladen.

Woche 2, Sehnsucht: Nicht, dass ich unhygienisch wäre. Aber jeden Tag duschen ist schon was anderes, wenn der Vorher-Nachher-Effekt nicht wirklich sichtbar ist. „Ich bin nicht mal richtig dreckig“, dachte ich manchmal. Nach ein paar Stunden im Stall sieht das anders aus. Im Sinne meiner Mitmenschen habe ich natürlich nicht auf die morgendliche Dusche verzichtet. Auch wenn es seltsam war, sich mal nicht irgendwelchen Dreck vom Arm schrubben zu müssen. Bei jeglicher Form des Entzugs sagt man ja, dass es einfacher wird, je länger man „clean“ ist. Komisch, bei Pferde-Entzug scheint das anders zu laufen.

Woche 3, Zittern: Langsam entwickelte ich ernsthafte Entzugserscheinungen. So schön es auch ist, mal nicht jeden Tag nach Feierabend noch zum Stall zu fahren – es fehlt. „Und das machst du echt jeden Tag?!“, fragte mich mal einer der Nicht-Reiter aus meinem Kurs. „Joha“, antwortete ich vorsichtig. Memo: Nicht-Reiter finden das irgendwie seltsam. Als ich dann einmal beiläufig erwähnte, dass ich vor einigen Wochen am Samstag um halb sechs aufgestanden bin, um eine Stunde später auf dem Pferd zu sitzen, war der Drops gelutscht. Die Begründung „es wurde später mega warm“, machte es auch nicht besser. Ganz vorbei war es dann, als mir mal jemand im Weg stand: Er sollte Platz machen – und ich habe geschnalzt. Dafür erntet man ebenso entgeisterte Blicke, wie wenn man in den Tiefen seiner Jackentaschen nach Kleingeld sucht und ein altes Pferdeleckerli dabei zum Vorschein kommt.

Woche 4, am Ende: Am Wochenende war die Sehnsucht riesig. Jedem Pferd, das ich irgendwo sah, habe ich hinterhergeschaut. Ist beim Autofahren übrigens nicht die beste Idee. Ich war am Ende. Also hab’ ich mein Pferd auf der Weide besucht. Ganz schön plüschig. Und dreckig. Und ganz schön fett! Erster Gedanke: „Hoffentlich passt der Sattel noch.“ Aber glücklich sah sie aus. Und einen Kumpel hatte sie auch gefunden. Die Schulung ging zu Ende. Ich war wieder zu Hause. Mein Pferd aber noch nicht. Ich will zwar nicht behaupten, dass ein Wochenende zu lang werden kann, aber ich sag es mal so: Meine Wohnung war noch nie so sauber und aufgeräumt, wie an diesem.

Tag x, der zweite, Aufregung: Mein Pferd sollte wiederkommen. Beim Stall war ich viel zu früh dran. Sattel und Trense glänzten. Die Vorfreude war riesig. Nach einer halben Ewigkeit rumpelte ein Anhänger auf den Hof. ENDLICH! Man soll ja immer alles positiv sehen. Also gewinne ich auch meinem Experiment, das ich übrigens „Pferde-Entzug“ nenne, die besten Seiten ab: Ich konnte mal meine Außenwirkung auf Nicht-Reiter überprüfen.Fazit: Reiter sind scheinbar nicht ganz dicht.

Zurück im Sattel, überglücklich: Der passt übrigens noch. Ich bin nass und durchgefroren, dreckig und mal wieder viel zu spät dran für jegliche Abendgestaltung mit meinen nicht-reitenden Mitmenschen. Aber so glücklich,wie seit vier Wochen nicht mehr.