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Frage aus dem Reiterleben

Ist der Reitsport eine Leidenschaft mit Suchtpotenzial?

Diese Frage stellte sich Redakteurin Sylvia Sanchez. Sie stößt in ihrem Bekanntenkreis nicht nur auf Verständnis für ihre Leidenschaft, die Pferde. Aber sie ist sich sicher: Sich mit Hingabe und Passion für etwas zu begeistern, ist wertvoll.

Leidenschaftliche Reiter wissen: Reiten ist viel mehr, als nur auf dem Pferd zu sitzen. Wann aber wird aus Hingabe Besessenheit?

An dieser Stelle beschäftigen wir uns mit Themen, die uns Reiter bewegen. Manche Fragen stellen wir uns bewusst, andere durchkreuzen hin und wieder unsere Gedanken, bleiben aber oft unbeantwortet. Wir sprechen sie an.

„Du bist doch total besessen“, flog es mir von einer nichtreitenden Freundin leicht angesäuert um die Ohren, als sie mich um 21 Uhr abends anrief und ich ihr sagte, dass ich noch auf dem Pferd sitze. Es war ihr zweiter oder dritter Versuch, mich zu erreichen und spontan ein bisschen zu quatschen. „Alles eine Frage der Perspektive“, ging es mir durch den Kopf. Denn ich bin der Meinung, dass Pferde meine Leidenschaft sind – das hat doch nichts mit Besessenheit zu tun.

Im Laufe meines Reiterlebens ist mir jedoch klar geworden, dass im Wort „Leidenschaft“ das „Leiden“ durchaus drinsteckt. Wir Reiter leiden unserem Hobby zuliebe unter Hitze, Frost, Hornhaut an den Fingern aber auch unter dem Frust, wenn es mal nicht so läuft, wie gewünscht. Wir leiden mit unseren Pferden, wenn es ihnen nicht gut geht und nicht selten auch unter Angst, Neid und Trauer.

Und trotzdem halten wir durch. Aber inwieweit ist das normal? Wann ist es einfach nur Leidenschaft? Wo beginnt Besessenheit? Ab wann ist diese Leidenschaft nicht mehr gesund? „Der Wunsch, viel Zeit im Stall zu verbringen, kann ja ganz viele Gründe haben“, erklärt Mentalcoach Antje Heimsoeth und betont, dass sie sich bei sehr vielen Reitern sogar mehr Leidenschaft für ihr Hobby wünschen würde, „gerade wenn es um das Thema Ausbildung und Haltung der Pferde geht, aber auch bei der Arbeit an sich selbst.“ Reiten ist nun mal viel mehr, als nur auf dem Pferd zu sitzen. Das Pferd muss gut gemanagt werden und auch der Reiter muss an sich arbeiten: „Wer erfolgreich und gut reiten möchte, braucht viele Faktoren. Dazu gehören auch Mentaltraining, Fitness, Kondition … Jemand der wirklich leidenschaftlich ist, bringt diesbezüglich mehr Disziplin und Energie auf, um ein besserer Reiter für sein Pferd zu werden“, ist sich Heimsoeth sicher. „Für manche ist die Zeit im Stall sicher auch eine Flucht von zu Hause, aus dem Alltag, Pferde bewerten uns ja nicht und das zieht Menschen an“, ist ihre Erfahrung.

Aber wann ist es zu viel an Hingabe für sein Hobby? „Wenn man alles den Pferden unterordnet, manche fahren ja nicht mal mehr in den Urlaub.“ Die Ursachen dafür liegen jedoch anderswo begraben: mangelndes Vertrauen in Menschen, in die Zukunft, nicht zu können, nicht delegieren zu können …

Aber: Im Grunde sind wir leidenschaftlichen Pferdemenschen reich. Weniger monetär gemeint, denn die meisten sind aufgrund ihrer wiehernden Vierbeiner chronisch pleite. Eher bezüglich Motivation, Antrieb, Lebensfreude. „Manche Menschen suchen ein Leben lang nach einem Hobby, das sie mit Leidenschaft betreiben möchten und finden nie das, was sie so richtig packt. Deswegen ist es doch toll, wenn Reiter ihre Passion gefunden haben“, sagt Heimsoeth.

Ich fahre übrigens in den Urlaub – am liebsten mit Pferd! Weil ich ein Pferdemädchen bin! Den nächsten Ausflug mache ich aber mit meiner Freundin und lade sie auf ein Glas Wein ein. Ich habe da noch was gut zu machen.

Dieser Text ist in der Januar-Ausgabe der Reiter Revue erschienen. Im Fokusthema erfahren Sie, wie der Traum von der Piaffe zum Greifen nah wird – mit Arbeit an der Hand! Die Januar-Ausgabe können Sie hier versandkostenfrei bestellen.