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Hintergrund

Ponys für Erwachsene

Ponys bedeuten Leidenschaft! Viele von ihnen halten in Sachen Leistungsbereitschaft und Bewegungspotenzial locker mit Pferden mit. Kein Wunder, dass vor allem im­mer mehr Frauen auf das „Kompakt-Format“ umsatteln.

Passt perfekt: Danica Duen auf Ponyhengst Neverland WE auf den Bundeschampionaten 2020.

Sind Sie Ponyfan? Noch nicht? Aber Sie könn­ten einer werden. Pferde im Kleinformat sieht man nämlich immer häufiger mit erwachse­nen Frauen im Sattel. Während Reitponys bis­lang von vielen in die Schublade „Ponysport mit Reitern bis 16 Jahre“ gesteckt wurden, galten Ras­sen wie Haflinger, Islandpferd oder Welsh Cob noch nie als reine Kinder-Ponys. Aber Pony-Vermarkter be­obachten, dass das Interesse an Ponys für Amateurrei­ter generell steigt. „Ich habe den Eindruck, Ponys erobern so langsam die Erwachsenen“, berichtet Mareile Oellrich-Overesch, Zuchtleiterin und Geschäftsführerin des Pferde­stammbuchs Weser-Ems. „Wenn man nicht ganz so groß ist, ist ein Pony einfach toll zu managen.“ Dem stimmen Ponyzüchter zu und sagen, mehr als 50 Prozent der Ponys würden sie mittlerweile an Frauen verkaufen.

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Gründe dafür gibt es viele. „Ponys sind praktisch, handlich, umgänglich und meistens sehr ehrgeizig“, sagt Mareile Oellrich-Overesch, die selbst noch Ponys reitet. Denn während viele Großpferde für zierliche Reiterinnen im Hobbybereich nicht nur in Sachen Größe, sondern vor allem auch in der großen Über­setzung ihres Bewegungsablaufes ein hohes Maß an Kraft und Körperspannung voraussetzen, sind End­maßponys deutlich leichter zu reiten. „Gerade wenn man abends nach der Arbeit in den Sattel steigt, ist man müde und es fehlt die Kraft“, nennt Hengststati­on-Betreiberin Jill Mieleszko-Vekens aus Paderborn einen wichtigen Aspekt, den Freizeitreiter in der Wahl ihres Pferdes berücksichtigen sollten. Denn für sie soll der Sport ja in erster Linie einen stressfreien Aus­gleich zum Berufsalltag bedeuten. Je leichter das Pferd zu reiten ist, desto entspannter ist dies dann für den Reiter. „Ponys bedeuten deutlich weniger Kraft­aufwand. Das beginnt schon beim Satteln“, schließt sich Danica Duen an. Die Züchterin und -reiterin, die jedes Jahr auch Ponys auf den Bundeschampionaten erfolgreich vorstellt, sieht aber auch in der Zucht einen wichtigen Punkt: „Bei Ponys wird sehr auf Rittigkeit geachtet, damit sie auch von Kindern zu reiten sind.“

Rittigkeit ist natürlich auch bei Großpferden wich­tig, doch die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn ist bei vielen qualitätsvollen Pferden schmal. Ponys seien hingegen meistens klar im Kopf, berichten die Experten aus Erfahrung. Dass dies der Fall ist, bestätigt unter anderem der hohe Prozent­satz an Hengsten, die auf Turnieren von Kindern vor­gestellt werden. Der rheinische Erfolgszüchter Ludwig Stassen vom Gestüt Bönniger kann dem nur zustim­men: „Die Rittigkeit ist neben der praktischen Größe ein ganz wichtiger Faktor. Ein leistungsbereites Pony kann eine nicht ganz exakte Einwirkung kompensie­ren. Denn Kinder, für die die Tiere ja gezüchtet wer­den, haben noch nicht die Reife eines Profireiters.“

Die Nähmaschine hat ausgedient

Rasseunabhängig gelten Ponys als sehr robust. Die Tatsache, dass die meisten deutlich älter werden als 30 Jahre und auch noch im hohen Alter geritten werden können, bestätigt dies. Den Eindruck, dass Ponys oft intelligenter und ehrgeiziger sind als Pfer­de, bestätigen alle Experten lachend. Es bleibt aber ein Gefühl, das nicht wissenschaftlich belegt ist. Die meisten Ponys sind noch dazu vielseitig einsetzbar. Trittsicher im Gelände und meistens springfreudig sind die Allrounder, die auch in der Dressur dank des Zuchtfortschritts Großpferden in Sachen Elastizität und Bewegungsdynamik in nichts nachstehen. „Frü­her wurde der Trab eines Ponys mit einer Nähmaschi­ne verglichen“, erinnert Oellrich-Overesch an die Reitponys vor Jahrzehnten und fügt hinzu: „Mittler­weile kann manches Großpferd mit dem Potenzial eines Ponys nicht mithalten.“ Aus diesem Grund sei für Reiter, die zu groß für Ponys würden, der Umstieg aufs Großpferd heutzutage deutlich unproblemati­scher als früher, gibt Danica Duen zu bedenken. „Die raumgreifenden Bewegungen des Ponys lehren den Reiter heute schon von vornherein richtig mitzu­schwingen.“ Auf dem Pferd sei dies dann nicht mehr großartig anders.

Die Größenfrage ist bei der Wahl ob Pony oder Pferd natürlich entscheidend. Wobei Experten weni­ger die Körpergröße oder das Gewicht des Reiters aus­schlaggebend finden als vielmehr das harmonische Gesamtbild. „Wenn der Reiter recht lange Beine hat, sollte er zum Beispiel kein Pony mit wenig Rahmen wählen“, gibt Mareile Oellrich-Overesch als Tipp. Das Stockmaß des Tieres spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.

Denn viele gut bemuskel­te Ponys, die einen kräftigen Hals haben, müssen nicht die maximale Widerristhöhe von 1,48 Meter erreichen, um auch einen größeren Reiter abzu­decken. In Sachen Gewicht sieht Oellrich-Overesch keinen Grund, die Grenze sehr niedrig anzusetzen. „Isländer gelten als Lastenträger und werden teils von Män­nern geritten. Gleiches gilt für Araber. Vie­le Reitponys sind stämmiger. Ich denke, wenn man feinfühlig im Gleichgewicht sitzt, haben die Tiere keine Probleme, Er­wachsene zu tragen.“

Den passenden Sattel für Pferd und Reiter zu fin­den, ist auch bei Großpferden nicht einfach. Aller­dings ergibt sich bei der Kombination Erwachsene und Ponys schon die Frage, ob auf einen Pony- bezie­hungsweise Jugendsattel zurückgegriffen werden kann oder ob es ein größerer Sattel sein muss. Dies hängt von den Proportionen des Reiters ab. Eine zu kleine Sitzfläche oder zu kurze Sattelblätter behin­dern dessen Sitz und sind letztendlich auch für das Pony von Nachteil. Zu lang dürfen die Sättel bei den kurzen Ponyrücken allerdings auch nicht sein. „Für mich stellt sich natürlich die Frage: Passt diese Kun­din überhaupt auf das Pony“, macht Sattel-Expertin Anke Just deutlich. Denn auch ein guter Sattel kann nichts retten, wenn der Reiter generell zu groß für das Tier ist. Wenn aber lediglich die 16,5-Zoll-Sitzfläche für den Reiter nicht ausreichend oder die Sattelblätter zu kurz sind, gibt es einige Möglichkeiten, den Sattel für Pony und Reiter maßanfertigen zu lassen. „Die Kosten sind gar nicht viel höher als der Preis für einen Markensattel von der Stange“, so Just. Häufig wird bei Ponys mit wenig Widerrist auf Sättel zurückgegriffen, die eine Vorgurtstrupfe haben. Damit der Sattel nicht rutscht, wird diese fest gegurtet und das Kopfeisen regelrecht in die Schulter gezogen. Das ist nicht Sinn der Sache, „aber eines der häufigsten Probleme“, sagt Anke Just aus Erfahrung. Es sollte also beim Kauf dar­auf geachtet werden, dass der Sattel auch ohne das feste Angurten der Vorgurtstrupfe im Schwerpunkt liegt und nicht nach vorne rutscht.

Ein Familienmitglied finden

„Viele Jugendliche im Amateurbereich wollen nicht umsteigen“, sieht Nina Stiller von der Ponyfo­rum GmbH einen Grund, warum immer mehr Er­wachsene im Ponysattel Platz nehmen. Ein weiterer ist die Kombination aus reitenden Müttern und Kin­dern. Nicht jede Familie hat die Möglichkeit, sich zwei Pferde zu leisten und so muss etwas Passendes fürs Kind und den Erwachsenen gefunden werden. Für viele wird ein Endmaßpony damit zum perfek­ten Familienpferd. Turniersport nicht ausgeschlos­sen – weder für die Mutter noch für den Nachwuchs.

Züchter Ludwig Stassen sieht in Erwachsenen, die sich für Ponys entscheiden, einen weiter wachsen­den Markt – mit einem unbezahlbaren ideellen Wert: „Wenn Ponys von Erwachsenen geritten wer­den, die sie behalten wollen, werden sie zu einem Pferd fürs Leben.“

Zu groß, zu schwer?

Reiter über 18 Jahren dürfen in Turnierkleidung maximal 62 Kilogramm wiegen, um die drei- und vierjährigen Reitponys vorzustellen, so lautet der Zusatz in der Ausschreibung für die Bundeschampi­onate. An diese Richtlinie halten sich auch viele Po­nyreiter, doch auf ländlichen Turnieren oder im Frei­zeitbereich gibt es keine festgelegten Bestimmungen für Größe und Gewicht. „Ich sehe es als völlig unproblematisch, dass Ponys Erwachsene tragen können“, sagt Danica Duen. Die meisten Pony-Züchter sehen dies genauso. Wichtig ist im­mer, dass das Gesamtbild stimmt. Und wer in einen Sattel mit einer Sitzfläche von 16,5 Zoll, also einen typischen Ponysattel passt, braucht sich meistens keine Gedanken zu machen.