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Reiter Revue Online-Talkrunde "Pferdesport unter Beschuss - Tierwohl in der Diskussion"

"Im Grunde sitzen wir doch alle in einem Boot"

In den vergangenen Wochen stand der Reitsport in der Öffentlichkeit stark in der Kritik. Einige negative Bilder von den Olympischen Spielen in Tokio haben die Frage in den Vordergrund gerückt, wie tierschutzgerecht der Reitsport ist. In einer digitalen Podiumsdiskussion mit renommierten Gästen sprach Reiter Revue International das Thema an.

Schimmel Kilkenny bekam im Parcours in Tokio Nasenbluten. Bislang gibt es keine Regel, die daraufhin zum Ausschluss führt. Sie muss nun erarbeitet werden.

Münster - Dr. Martin Richenhagen brachte es auf den Punkt: "Im Grunde sitzen wir doch alle in einem Boot." Damit sprach der Reiter Revue-Herausgeber und ehemalige Grand Prix-Richter klar aus, dass das Tierwohl nicht nur Organisationen wie PETA am Herzen liegt, sondern auch dem Gros der Reiter. In einer ausführlichen Diskussionsrunde tauschte er sich mit dem Generalsekretär der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, Soenke Lauterbach, dem Leiter der Wissenschafts- und Rechtsabteilung der Tierrechtsorganisation PETA, Dr. Edmund Haferbeck und Springreiter, -ausbilder und Sozialpädagoge Michael Fischer zum Thema "Tierschutz im Reitsport" aus.

Rund 300 Zuschauer hatten sich zu dieser von Reiter Revue International initiierten Online-Talkrunde angemeldet und konnten über den Chat Fragen stellen und sich an der Diskussion beteiligen. Dass der Reitsport seit Jahrzehnten in der Entwicklung ist und diese weiter voranschreiten muss, betonten alle Diskussionsteilnehmer. Gegen Missstände, wie Trainingsmethoden, die nicht der klassischen Reitlehre entsprechen, sei in den vergangenen Jahren intensiv vorgegangen worden, argumentierte sowohl Soenke Lauterbach als auch Martin Richenhagen. Auch das Richten in der Dressur habe sich dahingehend entwickelt, dass feines, harmonisches Reiten vor spektakulären Bewegungsabläufen stehe. "Bestes Beispiel ist die Doppel-Olympiasiegerin Jessica von Bredow-Werndl", führte Richenhagen an. Nichtsdestotrotz müsse man auch weiterhin am Fortschritt arbeiten. Gleiches gelte für die anderen Pferdesport-Disziplinen.

Dies unterstrich Dr. Edmund Haferbeck von PETA vehement. Die Tierrechtsorganisation geht soweit, dass eine Petition erreichen soll, die Reitwettbewerbe komplett von den Olympischen Spielen auszuschließen. Ein falscher Weg, argumentierte Richenhagen: "Der Sport stellt sich der Öffentlichkeit. Das ist gut. Es gibt auch Disziplinen, die dies nicht tun. Und gerade da lauert teils die Gefahr, dass keine Kontrollinstanz tierschutzrelevantes Verhalten filtert."

Springausbilder Michael Fischer machte deutlich, dass die korrekte Ausbildung des Pferdes entscheidend ist, um Tierwohl zu garantieren. "Ein Pferd geht von Natur aus den Weg des geringsten Widerstandes. Das ist sein Instinktverhalten, da fühlt es sich wohl. Wenn wir die Pferde Schritt für Schritt so ausbilden, dass sie die Aufgaben, die wir an sie stellen, einfach lösen können, ebnen wir genau diesen Weg." Das ist die wichtigste Aufgabe des Reiters - unabhängig davon, ob er Leistungs- oder Freizeitsport betreibt.

Reitsport in der Entwicklung

Ein Kommentar von Chefredakteurin Sarah Schnieder

Meine erste Vielseitigkeit aus Zuschauersicht erlebte ich als Kind in Luhmühlen. Das war Mitte der 90er. Gemeinsam mit meiner pferdebegeisterten Familie zog ich mit Picknickrucksack von Sprung zu Sprung, bestaunte ungläubig, wie die blütrigen Pferde erst eine Wegesstrecke, dann die Rennbahn, wieder eine Wegesstrecke und im Anschluss dann die Geländestrecke absolvierten. Ohne MIM-System, das im Ernstfall auslöst, um einen Sturz zu verhindern. Die Hindernisse dafür umso massiver. In den fast 30 Jahren, die seither vergangen sind, hat sich im Reitsport einiges verändert. Die Ausrüstung ist sicherer geworden, die Anforderungen sowohl im Springen als auch in der Vielseitigkeit technischer, dafür aber nicht mehr am Limit in Sachen Höhe und massivem Hindernisbau.

Vor rund 20 Jahren war die Low-Deep-Round-Methode in der Dressur gesellschaftsfähig. Dauerhafte, starke Kritik über Jahre brachte Änderung. Und heute? Blicken wir auf die Olympischen Spiele, sahen wir aus deutscher Sicht überragende Ritte in der Dressur und in der Vielseitigkeit. Wir sahen Pferde, die ehrgeizig mit ihren Reitern kämpften – optimal auf das vorbereitet, was ihnen abverlangt wurde.

Es gab auch Momente, die zeigen, dass der Reitsport noch immer in einer intensiven Entwicklung steckt. Manchmal muss man aber darauf blicken, was sich schon alles getan hat, um zu erkennen, dass es sich lohnt, jetzt nur nicht nachzulassen, Kritik ernst zu nehmen und nicht pauschal als Geschwätz Ahnungsloser abzutun. Denn die Geschichte zeigt, dass sich im Sinne der Pferde schon viel verändert hat, übrigens auch in Sachen Haltung. Also dranbleiben!