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Die Kolumne über die Wehwehchen des Alltags

Guten Tag, ich bin Ihr ambulanter Pflegedienst ...

Ein paar Schrammen von der Rangelei auf der Weide, Insektenstiche oder das berühmte dicke Bein. Was als Kleinigkeit abgetan werden kann, hat das Potenzial, zur Never Ending Story zu werden. Eine Kolumne über Reiter, die kaum noch reiten.

Symbolbild

Es gab mal eine Zeit, da dachte ich, ich besitze ein Pferd, um es zu reiten. Eine sehr naive Vorstellung, wie sich später herausstellte. Pferdebesitzer zu sein, bedeutet noch lange nicht, auch Reiter zu sein. Und das liegt nicht an der fehlenden Begeisterung für den Sport. Es sind vielmehr die kleinen Wehwehchen meines Vierbeiners, die sich konsequent gegen meine aktive Reitsport-Karriere aussprechen. Die passive läuft gut! Der Traum vom Fortschritt im Sattel ist da. Von goldenen Schleifen, von großen Erfolgen, von der wunderbaren Vorstellung, dass mein Pferd und ich gemeinsam topfit zu Höchstleistung auflaufen. Aber genau da ist der Haken: Gemeinsam topfit gibt es nicht!

Mein Pferd reicht quasi wöchentlich einen gelben Schein ein und zwingt mich regelmäßig zu ungeplanten Trainingspausen. Stattdessen mutiere ich zum ambulanten Pflegedienst. Ein Patient braucht schließlich sehr viel Zuwendung und Liebe. Ist es heute das leicht erwärmte Bein, kann schon morgen ein tränendes Auge Sorgenfalten auf meiner Stirn entstehen lassen. Da hat man ja schon so allerhand Dramatisches gehört. Ich sage nur: Periodische Augenentzündung! Daran sollen Pferde ja schon erblindet sein. Also: Anruf beim Tierarzt, höchste Alarmbereitschaft, vier Mal am Tag zum Stall fahren, um die Salbe aufzutragen. Das warme Bein benötigt mindestens genauso viel Pflege. Hier ist Kühlpaste angesagt. Die teure vom Tierarzt natürlich. Die tägliche Kontrolle, ob eine Lahmheit zu erkennen ist, treibt mich schier zur Verzweiflung. Nicht immer ist dies eindeutig zu sehen. Aber Vorsicht ist besser als Nachsicht! Also vorsorglich lieber eine Woche strikt Schritt führen.

Als ich dann endlich wieder in den Sattel steigen kann, ist da so ein komisches Gefühl. Hab ich‘s doch gewusst! Das warme Bein war ein Zeichen von einseitiger Überlastung. „Der Rücken! Blockade!“ schießt es mir durch den Kopf. Wäre ich bloß eher drauf gekommen, könnte ich jetzt reiten. Aber so? Es hilft nichts. Erst muss der Osteotherapeut kommen. Dann der Physiotherapeut. Und dann wird es – huch – auch schon wieder Zeit für die nächste Zahnbehandlung. Zu blöd nur, dass mein Pferd die Sedierung nicht so gut verträgt. Oft ist es noch Tage danach regelrecht verkatert. Bei Impfungen und Wurmkuren kann ich eine Rekonvaleszenz-Zeit von rund zwei Wochen kalkulieren. Aber als verantwortungsbewusster Pferdebesitzer weiß ich: Wer zu früh anfängt, bekommt irgendwann die Quittung.

Häufiges Gähnen ist ein Hinweis auf ein Magengeschwür, habe ich kürzlich gelesen. Just am nächsten Morgen gähnte mir mein Pferd ins Gesicht. Das schlägt mir jetzt auf den Magen. Wie oft genau bitte ist denn „häufig“? Ob ich das mal meinen Tierarzt fragen sollte? Ich bin schließlich einer seiner besten Kunden. Gute Frage. Und ich habe noch eine letzte, die mir schon lange auf der Seele brennt. Man macht sich doch so seine Gedanken: Gibt es wohl Hypochondrie auch bei Pferden? Ich ahne irgendwie, dass ich keinen Pferde-Psychologen brauche, um eine Antwort zu bekommen. Der Stallbetreiber hat es in den vergangenen Monaten hin und wieder angedeutet: „Nein, nicht bei Pferden. Aber wohl bei ihren Reitern!“