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Eine Kolumne über die Illusion eines Pferdefreundes

Fury kommt nicht!

Ein Pfiff und das Pferd galoppiert heran - so war es doch immer bei Joey und seinem vierbeinigen großen Freund. Aber: Der Schein trügt.

Symbolbild

Hallo, ich bin es: Joey! Sie kennen mich als den einstigen Kinderstar einer Serie, in der ich mit dem wilden Mustang Fury allerhand Abenteuer erlebt habe. Wohl jedem mittlerweile erwachsenen Pferdenarren hat sich eine Szene daraus ins Gedächtnis gebrannt: Nämlich die, als ich meinen vierbeinigen Freund fröhlich beim Namen rufe und dieser sofort und ohne zu zögern in wildem Galopp aus der Wildnis heraus zu mir gestürmt kommt, mir freudig zu wiehert und sich vor mich kniet, um mich für einen rasanten Ausritt aufsitzen zu lassen. Das ist wahre Freundschaft zwischen Mensch und Pferd! Heute ist nun allerdings der Tag gekommen, an dem ich mit diesem Missverständnis aufräumen muss. Ich erzähle Ihnen hier und jetzt die Wahrheit. Und das kann ziemlich weh tun. Denn: Fury kommt nicht!

Das Echo meiner Rufe hallt mir aus der Weite der Natur entgegen. Hufgetrappel ist keines zu hören. Erst als ich den Futtereimer hole und mein Lock-Geträller mit dem wohlklingenden Rascheln von Pellets unterstreiche, ist das unsichtbare Band zwischen mir und meinem schwarzen Hengst wieder gespannt. Und er wiehert auch – tatsächlich! Wer allerdings glaubt, dass es dabei nur um seine unbändige Freude geht, mich zu sehen, der hat zu viel „Wendy“ inhaliert oder „Rosamunde Pilcher“ geschluckt. Denn wie das Schreien eines Babys muss das Wiehern eines Pferdes seinen Wünschen zugeordnet und in Stufen unterteilt werden: 1. die Begrüßung vierbeiniger Kameraden oder eine Kampfansage an selbige, 2. die Aufforderung an den Menschen, dass es dringend Zeit für Abwechslung ist, 3. die Bitte um Einhaltung von Fütterungszeiten, 4. Wut. Vorsicht: Die Stufen drei und vier gehen fließend ineinander über. Das Freuden-Wiehern gegenüber seinem Reiter gehört nicht mal zu den Top Ten der häufigsten Wieher-Töne.

Grundsätzlich ist Fury übrigens sparsamer mit verbalen Äußerungen, als es die Serie suggeriert. Das liegt auch daran, dass diese gestellten Ausschnitte unserer Reiter-Pferd-Beziehung den Eindruck erwecken, als wäre mein Vierbeiner mir für alles, was ich für ihn tue, dankbar. Dazu möchte ich eine kurze Geschichte aus unserem Leben erzählen: „Er ist so dünn geworden, mein Fury“, dachte ich eines Abends voller Mitleid und kaufte ihm das teuerste Aufbaufutter, das der Handel zu bieten hatte. In warmem Wasser einweichen, gleichmäßig umrühren – für meinen treuen Freund sollte es nur das Beste sein. Ich nahm die Zubereitung so ernst wie ein Sterne-Koch sein Fünf-Gänge-Menü. Als ich den Stall betrat, wurde ich mit einem Wiehern der Stufe drei empfangen, kombiniert mit hektischem Hufescharren. Als ich das Futter in seinen Futtertrog schüttete, hätte ich diese Reaktion erwartet: Fury spitzt die Ohren und beginnt begierig und entspannt zu fressen. Stattdessen geschah Folgendes: Mit angelegten Ohren holte Fury aus und schleuderte mit seiner Schnauze eine Ladung Futter in mein Gesicht. Dankbarkeit? Fehlanzeige!

Wenn Furys Herde morgens den Stall verlässt und hinter den Büschen in der Prärie verschwindet, dreht sich keines der Pferde nach mir um. Zurück bleiben vollgeäppelte Boxen. Ob ich frustriert bin? Nein! Wirklich nicht. Furys und mein Verhältnis ist super. Er ist motiviert, wenn ich ihn reite, liebt es, gestreichelt zu werden und bedeutet mir alles. Es ist ganz einfach nicht seine Schuld, dass die Welt glaubt, ich bräuchte nur pfeifen und er kommt. Das ist das märchenhafte Werk Hollywoods. Aber damit habe ich nun endgültig aufgeräumt. Und jetzt wissen Sie es: Fury ist kein Hund!