Leseprobe: Spiegel der Psyche
Fast jedes Pferd hat in seinem Leben einmal Magenprobleme
Die Form des Pferdemagens gleicht der einer Bohne. Diese lässt sich in einen vorderen drüsenlosen Teil mit einer hochkomplexen Mikroflora für die bakterielle Vorverdauung sowie einen drüsenbesetzten Mittel- und Ausgangsbereich einteilen. In letzterem wird die schadkeimabtötende Magensäure gebildet. Ein gesunder Magen hält dieses System im Gleichgewicht. Werden die Drüsen aber übermäßig zur Produktion angeregt, übersäuert der Magen. Geschieht das über einen längeren Zeitraum, wird der den Magen auskleidende Schleimbelag allmählich aufgelöst und die darunter liegende Magenschleimhaut angegriffen. Diese entzündet sich in den betroffenen Bereichen und wird in der Folge immer dünner, bis schließlich auch die tiefer gelegene Muskelschicht betroffen ist. Im Extremfall kommt es zum Magendurchbruch mit meist tödlicher Bauchhöhleninfektion.
„Magenschleimhautläsionen und -geschwüre können sich sowohl im drüsenlosen als auch im drüsenbesetzten Teil entwickeln“, sagt die Fachtierärztin Dr. Corinna Arnold vom Institut für Innere Medizin der Klinik für Pferde der Universität Leipzig. „Für krankhafte Veränderungen im drüsenlosen Bereich gibt es mittlerweile zahlreiche Studien. Danach sind Sportpferde zwischen 40 und 60 Prozent betroffen.“ Arnold hält diese hohe Zahl für realistisch: „Der Anteil an magenkranken Sportpferden im drüsenbesetzten Areal liegt wahrscheinlich noch höher, ist aber noch nicht so gut erforscht.“ Auch die Erfahrungswerte der unabhängigen Futterberaterin Constanze Röhm bestätigen diese erschreckend hohen Fallzahlen. „Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Pferd mindestens einmal in seinem Leben eine Episode mit Magenproblemen durchmacht, liegt sogar bei fast hundert Prozent“, schätzt sie und meint damit nicht nur Leistungspferde.
Was steckt dahinter?
Angesichts dieses Ausmaßes stellt sich die Frage nach dem Warum. Für Veränderungen im drüsenlosen Teil sind nachweislich Auslöser wie Stress, Fütterungsfehler und Medikamente verantwortlich. „Vor allem nicht-steroidale Entzündungshemmer, die meist bei orthopädischen Problemen eingesetzt werden, reduzieren durch Minderdurchblutung die Schleimschutzschicht und die Regenerationsfähigkeit der Magenschleimhaut“, erklärt Arnold. „Körpereigene Stresshormone wirken ähnlich wie Schmerzmittel.“