Zum Inhalt springen

Drücken Sie Öffnen / Eingabe / Enter / Return um die Suche zu starten

Im Interview: Bernhard Feßler und Constanze Winter von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN)

„Es ist wirklich fünf vor zwölf“

Die Warenkaufrichtlinie ist für gewerbliche Pferdeverkäufer ein rotes Tuch, genauer die Beweislastumkehr. Ein heikles Thema, das jedem derzeit Bauchschmerzen bereitet, der sein Geld mit dem Pferdeverkauf verdient. Denn wenn es nach der Politik geht, soll sie von sechs Monate auf ein Jahr ausgeweitet werden.

Ankaufuntersuchung okay, das Pferd beim Probereiten top. Doch nach einiger Zeit gibt es Probleme. Laut Beweislastumkehr muss der gewerbliche Verkäufer beweisen, dass diese vorher nicht bestanden haben. Ein schwieriges Thema!

Berlin - Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) als Dachverband muss sich mit vielen politischen Entscheidungen auseinandersetzen, die zugunsten oder aber auch zum Nachteil für den Pferdesport wären. Bernhard Feßler, Leiter des Hauptstadtbüros der FN, und Justitiarin Constanze Winter geben einen Einblick, warum momentan ein Thema ganz besonders im Fokus steht.

Die Petition „Tiere sind keine Sachen“ ging Ende des vergangenen Jahres durchs Netz. Darin versuchten Züchter und gewerbliche Verkäufer darauf aufmerksam zu machen, dass die Europäische Union (EU) eine Gesetzesänderung anstrebt, in der die Beweislastumkehr auf ein Jahr verlängert werden soll. Dass Tiere im Kaufrecht als „Sache“ angesehen sind, spielt dabei allerdings eine untergeordnete Rolle. Was genau steckt dahinter?

Constanze Winter: Wir haben eine Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), Paragraph 90a: Darin steht, dass Tiere keine Sachen sind, aber dass sie rechtlich wie Sachen behandelt werden, sofern es keine Sondervorschriften gibt. Dazu gehört zum Beispiel das Tierschutzgesetz. Das hat insofern einen Sinn, als man sonst kein Eigentum an einem Pferd begründen und sie nicht verkaufen könnte. Alternativ bräuchte man überall Sonderregelungen. So greifen für die Tiere auch die kaufrechtlichen Regeln.

Wo genau entsteht aber das Problem?

Constanze Winter: 2002 hat man ein einheitliches Kaufrecht für alle Sachen geschaffen. Die Verträge, die abgeschlossen werden, sind aber frei zwischen den Parteien verhandelbar. Dazu kommt allerdings das Verbrauchsgüterkaufrecht, in das auch die Warenkaufrichtlinie hineinfällt. Und darüber diskutieren wir. Denn es enthält bestimmte Privilegien für Verbraucher, die wir für den Verkauf lebender Tiere nicht ganz passend finden. Ein Punkt ist die Beweislastumkehr. Wenn man vor Gericht steht und über einen Kaufvertrag streitet, gibt es immer wieder Situationen, in denen man Umstände nicht beweisen kann. Und genau in diesen Situationen greifen Beweislastregeln. Normalerweise gilt, dass die Partei, die etwas einklagen will, beweisen muss, was für sie günstig ist. Wenn ein Käufer Gewährleistungsrechte geltend machen möchte, muss er beweisen, dass die Sache zum Zeitpunkt des Kaufes mangelhaft gewesen ist und nicht dem Kaufvertrag entsprochen hat. Nach der Beweislastumkehr muss der Käufer zwar noch beweisen, dass die Sache jetzt mangelhaft ist, aber er muss nicht mehr beweisen, dass dies schon zum Zeitpunkt der Übergabe der Fall war. Nach aktuellem Recht greift das beim Kauf eines Pferdes von einem gewerblichen Verkäufer für sechs Monate. Zukünftig soll das auf ein ganzes Jahr ausgeweitet werden.

Und das ist für die Verkäufer ein harter Schlag, schließlich verändern sich Pferde im Laufe der Zeit. Richtig?

Constanze Winter: Ja, das trifft zu. Es dauert, bis sich Pferde einleben und sich an die neuen Einflüsse gewöhnen. Ich vergleiche das immer mit einem neuen Mitarbeiter. Der wird auch eine ganze Zeit brauchen, bis er sein volles Potenzial entfalten kann. Er muss sich erstmal einarbeiten. Das führt dazu, dass sich Pferde beim neuen Besitzer oft verändern. Deshalb fehlt aus unserer Sicht die Grundlage für die Annahme, dass Mängel oft schon vorher bestanden haben. Und damit ist es nicht gerechtfertigt, die Beweislastumkehr aufrecht zu erhalten, geschweige denn zu verlängern.

Der Käufer geht kein Risiko ein?

Constanze Winter: Es ist für den Käufer sogar sehr leicht, sich vom Kauf wieder zu lösen, weil er die Beweislast nicht trägt. Das kann dazu verleiten, dass er den Kauf nicht als so endgültig auffasst. Wenn man sich ein Pferd kauft, übernimmt man aber die Verantwortung für dieses Lebewesen. Es ist keine Waschmaschine. Ich kann bei Nicht-Gefallen eine Waschmaschine wieder in den Karton stopfen und zur Seite stellen, aber das geht bei einem Pferd nicht. Man muss es gut umsorgen, pflegen und bewegen. Doch wenn der Käufer sich der Verantwortung nicht bewusst ist, liegt ein Risiko für das Pferd vor, das wir für nicht mehr tragbar halten. Wir sehen uns in der Rolle, den Gesetzgeber daran zu erinnern, dass nicht Regeln verabschiedet werden können, die solche Risiken für die Tiere beinhalten.

Aber wie gehen Sie einwirkend auf die Politik ein?

Bernhard Feßler: Wenn die EU beschließt, dass eine solche Gesetzesänderung durchgesetzt werden soll, gibt sie das an die Mitgliedsstaaten und die müssen dann in ihren zuständigen Ministerien für die Parlamente zur Beratung entsprechende Gesetzesvorlagen schaffen. Das wird diskutiert, zurückgemeldet und dann irgendwann umgesetzt. Wenn so ein heikles Thema auf Bundesebene entschieden wird, wird im Ministerium ein Gesetzesentwurf gemacht. Bevor dieser kam, wusste die FN bereits von dem Wunsch der Gesetzesänderung, deshalb haben wir schon Ende letzten Jahres in einem sehr frühen Stadium Kontakt zur Politik gesucht. Es dauert dann seine Zeit, bis die zuständigen Personen einsehen, dass dies für uns kein Spaß ist, sondern ein wirklich ernstes Thema. Erstmal geht der Schriftverkehr mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hin und her und dann gibt es einen Termin, bei dem wir vorsprechen können. In diesem Fall haben wir beide dort die Perspektive der Züchter und Reiter persönlich vorgetragen und hatten ein gutes Gespräch, aber dort sitzen keine Pferdefachleute. Sie müssen sich mit dem Thema befassen. Das Thema ist rechtlich so schwierig, dass man einen Juristen auf seiner Seite braucht, um mit ihnen zu argumentieren. Man darf die Diskussion nicht auf die emotionale Ebene heben, denn das wirkt sich eher negativ aus. Wichtig ist vielmehr, Kontakte zu knüpfen, Verbindungen herzustellen, die für einen argumentieren. Denn nur mit „Verbündeten“ lässt sich das Thema in unserem Sinne beeinflussen.

Waren Sie denn erfolgreich?

Bernhard Feßler: Als es zum sogenannten Referentenentwurf kam, also einem ersten Entwurf des Gesetzes, mussten wir feststellen, dass unser Anliegen nicht berücksichtigt war. Wir haben daraufhin nochmal intensive Kontakte gesucht und die Argumentation verstärkt. Dies war auch eingebunden in die sogenannte Verbändeanhörung. Die Stellungnahmen der Betroffenen und Experten sind öffentlich einsehbar auf der Website des Ministeriums – so auch unsere. Die Gespräche mit den Zuchtverbänden und Reitern haben deutlich gezeigt, dass es ein relevantes Thema ist. Wir haben also erneut vorgesprochen und wieder den Staatssekretär kontaktiert. Als der Regierungsentwurf, also die nächste Stufe des Gesetzesentwurfs vorgelegt wurde, war es leider wieder nicht so, wie wir es uns gewünscht hätten.

Sie bleiben aber noch immer dran?

Bernhard Feßler: Ja, intensiv, solange wir etwas erreichen können. Es ist wirklich fünf vor zwölf. Die Zeit wird immer knapper. Am 25. März gab es die erste Lesung des Gesetzes im Bundestag. Dies ging anschließend in den Bundesrat, mit der Bitte, sich damit zu befassen. Es kam zurück, ohne dass man sich damit befasst hatte. Stattdessen hieß es, es möge in den Ausschuss für Justiz und Verbraucherschutz gegeben werden. Daraufhin haben wir nochmals den Ausschuss für Justiz und Verbraucherschutz – jeden einzelnen Bundestagsabgeordneten – kontaktiert und unsere Expertise dargelegt. Dasselbe mit dem begleitenden Ausschuss für Ernährung und Verbraucherschutz. Bedauerlicherweise durfte dieser, so die Parlamentsstatuten, keinen eigenen Expertenausschuss einberufen.

Das klingt nach viel Durchhaltevermögen.

Bernhard Feßler: Leider geht es noch weiter: Es gab am 5. Mai eine Expertenanhörung im Bundestag, doch es waren keine Experten für Tiere eingeladen. Daraufhin nahm Prof. Dr. Ivo Bach von der Universität Göttingen Stellung: Er empfiehlt die freie Vertragsgestaltung und gar keine Fristen für Beweislasten. Die nun für den 20. Mai anberaumte 2. und 3. Lesung des Gesetzes mit anschließender gesetzgebender Beschlussfassung der Legislative wurde knapp eine Woche vorher ausgesetzt. Es gebe seitens der Großen Koalition noch Nachbesserungs- und Informationsbedarf, heißt es.

Also ist noch nichts verloren?

Bernhard Feßler: Wir haben viele tolle und ermunternde Gespräche geführt. Insbesondere auch vor der Argumentationskulisse des Tierschutzes. Ein Pferd, das der Käufer zurückgeben will und sich schon im Recht dazu glaubt, wird dieses niemals so behandeln, als wolle er mit ihm Turniere gewinnen. Leider erleben wir da oft unschöne Haltungssituationen. Das Tier wird sich dann weiterhin zum Nachteil verändern. Es ist ein Lebewesen mit allem was dazugehört. Pferde sind wie Familienangehörige. Stellen Sie sich vor wie es ist, wenn man verstoßen würde.

Deshalb appellieren wir ganz explizit an die SPD-Bundestagsfraktion, sich der Diskussion mit den Pferdeleuten zu widmen und die Deutsche Pferdezucht nicht zu gefährden.

Wie gehen denn die anderen Länder damit um?

Bernhard Feßler: Wie wir aktuell vernehmen, werden die Dänen den Tieren bei der Umsetzung der Richtlinie offenbar eine geeignete Sonderstellung einräumen. Deutschland kann sich aber nicht erlauben, den Tierkauf so zu belassen. Nicht vor dem Hintergrund der Tierschutzdiskussionen!

Wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen?

Bernhard Feßler: Die 2. und 3. Lesung wird nach unserer Einschätzung aller Voraussicht nach in KW 23 stattfinden. Es ist also allerhöchste Zeit. Danach ist es rum. Aber bis dahin kämpfen wir dafür, dass Tiere aus dem Verbrauchergüterkaufrecht rausgenommen werden. Und für die Streichung der aktuell umgekehrten Beweislast, die leider besagt, dass der Verkäufer beweisen muss, dass das Pferd beim Kauf sozusagen mangelfrei war. Eine völlig verdrehte Situation, die bei Tieren nicht funktioniert.

Alle wichtigen Argumente gegen die Gesetzesänderung können Sie hier herunterladen:

Download