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Ein kritischer Blick auf Körungen und Hengstschauen

Reitmeister Martin Plewa sieht Fehlentwicklungen auf deutschen Körplätzen und bei Hengstschauen. Vor allem um die Ausbildung und Gesundheit der jungen Hengste macht sich der renommierte Ausbilder Sorgen. Ein Statement.

Reitmeister Martin Plewa weist auf ein weiteres Problem in der Ausbildung von Pferden hin.

Reitmeister Martin Plewa legt in seinem folgenden Statement einen Fokus auf das Wohl der jungen Pferde. Manche Entwicklung der jüngsten Zeit betrachtet er kritisch und hofft auf ein Umdenken für das Wohl und die Gesundheit der Tiere.

Status Quo: Leitlinien zur Ausbildung und Prüfung junger Hengste

Martin Plewa: „Die Monate um den Jahreswechsel herum stehen für viele Pferdeinteressierte ganz im Zeichen von Hengstkörungen und anschließenden Hengstschauen. Bei aller Bewunderung für den züchterischen Fortschritt und die Qualität der vorgestellten Hengste halte ich es aber auch für angebracht, das Wohl der jungen Pferde stets im Blick zu haben und eventuellen Fehlentwicklungen rechtzeitig entgegen zu wirken.

Schon vor einigen Jahren sind Leitlinien zur Ausbildung und Prüfung junger Hengste entwickelt worden, damals in Verbindung mit den Veranlagungsprüfungen für in der Regel dreijährige Hengste. Diese Prüfungen wurden eingeführt, um sicher zu stellen, dass nur unter dem Sattel geprüfte Hengste nach ihrer Körung eine Zuchtzulassung bekommen. Das Prüfungssystem hat sich zwischenzeitlich immer mal wieder etwas verändert und es ist auch aktuell wieder in der Diskussion, unter anderem wegen der Neufassung der Leitlinien zum Tierschutz im Pferdesport. Nichtsdestotrotz sind die Leitlinien zur Veranlagungsprüfung noch immer gültig und die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) bezieht die dort formulierten Forderungen sinnvollerweise auch auf andere Jungpferdeprüfungen.

Zur Person: Martin Plewa war 16 Jahre lang Bundestrainer der Vielseitigkeitsreiter, bekam 2006 den Titel Reitmeister verliehen und leitete von 2001 bis zu seinem Ruhestand die Westfälische Reit- und Fahrschule in Münster. Sein Wissen gibt der international angesehene Richter nach wie vor in Seminaren weiter. Außerdem hat er einen eigenen Newsletter.

Ist die Vorbereitung der Pferde jungpferdegerecht?

Bilder oder Filmaufnahmen von Hengstkörungen der vergangenen Wochen lassen in berechtigter Weise Zweifel aufkommen, ob die Vorbereitungen und die Präsentationen der zweijährigen Hengste immer jungpferdegerecht abgelaufen sind. Wir erleben, dass sich beim Freispringen etliche Pferde maßlos überspringen und zum Teil dabei derart die Hinterbeine nach oben schmeißen, dass sie die Landung kaum ausstehen können. Wenn solche Vorstellungen von Körkommissaren noch honoriert werden, bekommen weniger versierte Beobachter eine falsche Betrachtungsweise.

Ein wesentliches Kriterium für einen guten Bewegungsablauf, auf dem ebenen Hufschlag, wie über dem Sprung, ist die Losgelassenheit; diese drückt sich aus in einem unverkrampften An- und Abspannen der Muskulatur, welches sich in einem rationellen und ökonomischen Bewegungsablauf widerspiegelt. Ein extremes Überspringen ist weder rationell noch natürlich und stellt überdies eine unnötige zusätzliche Belastung für die Gliedmaßen der körperlich noch nicht ausgereiften Pferde dar.

Für mich zeigt sich heute in den Freispringszenarien eine vergleichbare Fehlentwicklung wie vor einigen Jahren mit der Bejubelung so genannter „spektakulärer“ Trabbewegungen. Alles, was nicht spektakulär aussah, war „gewöhnlich“. Wichtig finde ich in diesem Zusammenhang, dass die Richter und Körkommissare sich ihrer Verantwortung bewusst sind und durch ihre Entscheidungen weder unlauteren Ausbildungspraktiken Vorschub leisten, noch alle anderen Beobachter in eine fachlich falsche Beurteilungsweise lenken.

Sind niedrige Hindernisse „geschäftsschädigend"?

Ich selbst habe mich vor mehr als 15 Jahren als Körkommissar in Süddeutschland einmal dem Vorwurf der Geschäftsschädigung ausgesetzt gesehen, als ich das Freispringen kommentiert habe und in Abstimmung mit der ganzen Körkommission Pferde, die sich unnatürlich übersprungen haben, aus Sicherheitsgründen nur über eher niedrige Abmessungen habe springen lassen. Der Vorwurf einiger Hengsthalter und Vertreter der damaligen Veranstalter, ich hätte einen großen wirtschaftlichen Schaden bei der Körung verursacht, hat entlarvt, um was es diesen Leuten ging, nämlich ums Geld, und um was sie sich weniger Gedanken machten, nämlich um das Wohl der jungen Hengste. Trotz erneuter Einladung bin ich zu dieser Körung nicht mehr hingefahren.

Junghengste longieren: Ein Risiko für die Gesundheit?

Ein weiterer Bestandteil der Körungen gibt mir zu bedenken. Inzwischen werden die Junghengste auch an der Longe vorgestellt. Wie dieses oft praktiziert wird, halte ich nicht für akzeptabel; meist zu kurz ausgebunden und im Tempo forciert: das hat mit dem sachgemäßen Longieren eines jungen Pferdes nichts zu tun. Da die Junghengste ja schon Wochen oder Monate vorher zu Hause entsprechend darauf vorbereitet werden, sich auf der Körung entsprechend ausdrucksvoll, oder besser „spektakulär“ zu präsentieren, stellt sich bei mir auch die Frage, wie sich diese Anforderungen auf die Gesundheit der jungen Pferde auswirken. Schließlich ist solch ein Longieren, erst recht für sehr junge Pferde, ohnehin keine sinnvolle physiologische Belastung. Kein Pferd würde sich in der Natur 20 Minuten oder mehr auf einem 15-Meter-Kreis drehen. Ich habe meine Auffassung und meine Bedenken zum Anlongieren junger Pferde bereits in einem meiner früheren Seminare deutlich zum Ausdruck gebracht. Ich würde mir wünschen, dass der Bereich Zucht der FN nicht nur, wie bereits geschehen, auf die aktuellen Ereignisse zur Häufung von positiven Dopingtests bei Körungen eingeht, sondern sich auch Gedanken macht zu einer altersgerechteren Präsentation der wunderbaren Junghengste."

Quelle: Newsletter von Martin Plewa vom 11. Februar 2022