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Im Interview: Benjamin Werndl

„Die Entwicklung hört nicht beim Pferdesport auf, es geht um etwas Größeres“

Der Pferdesport steht in der Kritik – das geht auch an Spitzensportlern wie Dressurreiter Benjamin Werndl nicht spurlos vorbei. Wie er damit umgeht und was für ihn pferdegerechter Umgang ausmacht, darüber haben wir mit ihm gesprochen.

Benjamin Werndl hier bei den Weltmeisterschaften in Herning.

Was ist für dich ein pferdegerechter Umgang?

Ein pferdegerechter Umgang ist für mich, das Pferd als Individuum und Lebewesen zu respektieren und ihm auf Augenhöhe zu begegnen. Zu versuchen, das Pferd zu verstehen. Sowohl vom Boden als auch vom Sattel aus kommunizieren wir fast ausschließlich nonverbal. Und wenn ich das Pferd verstehe, kann ich ihm auch antworten, mit ihm kommunizieren und ihm meine Idee erklären.

Oft wird in Frage gestellt, dass Pferdesport und speziell Spitzensport nicht mit Pferdewohl vereinbar sei – wie nimmst du diese Kritik wahr, was macht das mit dir?

Diese Kritik löst bei mir aus, dass ich das Gegenteil beweisen möchte: Ich erlebe es ja jeden Tag mit den Pferden und die zeigen mir jeden Tag etwas komplett anderes, nämlich, dass sie Anerkennung lieben, dass sie es lieben, sich mit ihnen zu beschäftigen. Es kommt natürlich sehr stark darauf an, wie man sich mit ihnen beschäftigt. Ich erlebe bei uns in Aubenhausen das Gegenteil von dem, was von Kritikern behauptet wird.

Ich will aber Fehlverhalten im Umgang mit Pferden überhaupt nicht schönreden! Wenn man sich richtig mit Pferden beschäftigt, dann ist das ein deutlich schöneres Leben für die Pferde als sich nicht mit ihnen zu beschäftigen.

Haben wir genug Vorbilder im Reitsport?

Ich beobachte schon eine Entwicklung in den letzten Jahren, die deutlich in eine sehr gute Richtung geht. Was nicht heißt, dass früher alles falsch gemacht wurde, es gab auch früher viele Inspirationsquellen – man kann nicht sagen, es war früher alles schlecht.

Aber wie muss der Pferdesport sich entwickeln, um erhalten zu bleiben?

Ich glaube ja, dass die Entwicklung nicht beim Pferdesport aufhört, sondern, dass es um etwas viel Größeres geht, nämlich grundsätzlich um den Umgang mit Tieren auf unserer Welt. Da können wir Vorreiter sein und wir sehen uns da auch so. Jessi und ich leben vegan – das schreiben wir niemandem vor, das ist unsere persönliche Entscheidung – aber es gibt viele, die zeigen mit dem Finger auf andere und bestellen sich im nächsten Moment das Schnitzel und es ist ihnen dabei völlig egal, wie es auf den Teller gekommen ist. Was ich damit sagen will: Wenn wir uns fragen, was pferdegerecht ist, müssen wir uns auch fragen, was überhaupt tiergerecht ist. Und da läuft vieles falsch. Da sehen wir uns auf einer Mission. Wir wollen Pferden helfen, Tieren helfen und dadurch auch Menschen helfen – und das begeistert uns mindestens so sehr wie ein Olympiasieg.

Das ist eure Chance, die ihr jetzt habt und nutzt. Aber welche Stellschrauben müssen noch gedreht werden, damit das Pferdewohl bei jedem Pferdebesitzer, bei jedem Pferdesportler, bei jedem Reiter wirklich an erster Stelle steht und auch in der Gesellschaft diese Botschaft ankommt?

Wir sollten erklären, was wir tun. Vieles wird ja von den Laien und vielen Kritikern gar nicht verstanden. Wir wollen dafür einstehen und zeigen, dass wir voll überzeugt sind von unserem Tun mit den Pferden. Körperliche Bewegung und geistige Betätigung, das ist ja eine Kombination, die gesund erhält. Dazu gehört auch mal Schwitzen. Das wichtige ist ja, dass man das in einem Bereich macht, in dem sich das Pferd wohl fühlt. Und wir erleben jeden Tag hier, dass es den Pferden bei unserem Training mit ihnen gut geht und es ihnen Spaß macht.

Wir zeigen mit unserem Aubenhausen Club, wie wir unsere Pferde trainieren, wie wir uns selbst als Athleten trainieren. Wir öffnen die Türen, wir wollen die Leute mitnehmen, unsere Erfahrungswerte teilen, um Reitern und damit auch Pferden zu helfen.

Wir haben uns für diesen Weg entschieden. Und unsere Werte dabei sind: wahrhaftig und echt. Das geht bis ins kleinste Detail. Das heißt, es geht nicht nur darum, wie wir mit unseren Pferden umgehen, sondern auch, wie wir mit unseren Mitmenschen umgehen, mit unseren Angestellten und unseren Kunden.

Vermutlich jeder Reiter wird einmal erlebt haben, dass er nicht fair mit dem Pferd umgegangen ist – wie lernt man pferdegerechten Umgang?

Das geht mir ja genauso. Das Wichtige ist, dass man reflektiert ist. Ich schreibe mir immer wieder auf, was hätte besser klappen können und was ich beim nächsten Mal besser machen will. Das ist eine Lebensschule. Pferde sind so unglaublich tolle Lehrmeister, aber dürfen nicht als solche ausgenutzt werden. Ich sage immer, es gibt zwei Urtriebe: die Fortpflanzung und die Anerkennung. Wir konzentrieren uns hier auf die Anerkennung und die Pferde lieben das.

In unserer Oktober-Ausgabe beschäftigen wir uns auf 18 Seiten mit dem Thema Pferdewohl. Wir hinterfragen, was pferdegerecht heißt, sprechen mit Menschen, die sich ausgiebig mit dem Pferdewohl auseinandersetzen – jeder auf seine Weise und in seinem Spezialgebiet. Wir liefern Ideen und Denkanstöße, wir zeigen, warum es Zeit für ein Umdenken ist und wie ein Wandel funktionieren kann. Die Oktober-Ausgabe können Sie versandkostenfrei als Printheft bestellen oder auch als digitale Version.