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Kolumne: Warum Reiter nie genug bekommen können

Der Trend geht zum Zweitpferd

Haben Sie auch schon festgestellt, dass sich Pferde auf mysteriöse Weise vermehren, sobald sie nicht mehr reitbar sind? Warum das so ist, lesen Sie in unserer Kolumne.

Symbolbild

Menschen, die keine eigenen Pferde besitzen, haben leicht reden. Für sie klingt das alles so einfach. Sie wissen ja gar nicht, was sie da sagen, wenn sie stirnrunzelnd zum Besten geben, man solle doch einfach ein Pferd verkaufen. Dann sei Platz für ein neues.

Dieser unqualifizierten Aussage geht eine allseits beliebte Diskussion unter massiv mit dem Pferdevirus infizierten Reitsportfanatikern voraus. Nämlich um die Frage: Brauche ich ein weiteres Pferd zum Reiten?

Jeder Nicht-Reiter glaubt, dass sich diese Frage erübrigt, wenn man bereits ein Pferd sein Eigen nennt. Wie naiv! Wissen wir Reiter doch, dass Krankheiten und das Alter an den Tieren ebenso zehren wie an uns Menschen. Allein aus diesen Gründen ist es schier unmöglich, diese Pferde zu verkaufen – viele Hobbyreiter leiden diesbezüglich aber ganz einfach auch an einer emotionalen Blockade. Denn wie könnte man bitte ein Familienmitglied verkaufen? Gleichzeitig ermahnt einen der reiterliche Ehrgeiz, dass das eigene Leben zu kurz ist, um ausschließlich Schritt zu reiten.

Wohl dem, der aufgrund der teuren Boxenmiete im Pensionsstall daran gehindert wird, den vorschnellen Entschluss für ein weiteres eigenes Pferd zu fassen. Zwei Pferde sind teurer als eines, soviel steht fest. Denn garantiert frisst Pferd Nummer eins nicht weniger, nur weil es seine Karriere als Sattelträger an den Nagel gehängt hat. Vielmehr erwartet es auch ohne diesen Nebenerwerb die volle Aufmerksamkeit seines Besitzers. Krankenpflege ist fast aufwändiger als der normale Reitalltag. Aber mit viel gutem Willen ist das zu stemmen. Und zum Glück gibt es ja Reitbeteiligungen.

Objektiv betrachtet ist es nachvollziehbar, dass manch Nicht-Reiter ungläubig den Kopf schüttelt, wenn er hört, dass man das eigene Pferd von jemand anderem betreuen lässt, um selbst zur Reitbeteiligung eines anderen Pferdebesitzers zu werden. Und das alles aus dem einfachen Grund, so kein zweites Pferd kaufen zu müssen.

Das ist aber ganz sicher die kostengünstige Variante.Denn bei weitem schlimmer ist es, wenn ein eigenes großes Grundstück mit gefühlt ausklappbarem Offenstall die gnadenlose Möglichkeit eröffnet, Pferde in Eigenregie zu halten. Dann nämlich ist der visafreien Einreise eines reittüchtigen Zweit-, und bei dessen Karriereende eines Dritt- oder sogar Viertpferdes erst dann eine Grenze gesetzt, wenn die Bank den Dispokredit nicht mehr erhöht. Und was als kleines Sportpferde-Paradies begann, wird in einigen Jahren zum Alten- und Pflegeheim, dessen anhängliche Bewohner es sich so richtig gut gehen lassen. Sie haben schließlich einiges für ihre Herren getan. Na gut, das war einmal, aber welcher emotionale Reiter denkt nicht bei jedem Schnauben und Ohrenspitzen an die Zeit der großen und kleinen Sporteinsätze zurück, in tiefster Dankbarkeit für alles, was der Vierbeiner in jungen Jahren für einen geleistet hat? Da ist ein entspannter Lebensabend doch wohl das Mindeste, was man dem Tier schuldet. Im Geheimen wird einem etwas unwohl, wenn man liest, dass das älteste Pony Deutschlands mit 52 Jahren über die Weide tollt. Wer glaubt, sein eigenes Kinderpony sei mit 31 am Ende seines Lebens, kann sich also auf weitere 20 Jahre des fröhlichen Fellkraulens ohne jegliche Sportambitionen einstellen. Ein Pferd fürs Leben – im wahrsten Sinne des Wortes.

Anders ist es da bei Krankheitskandidaten, die schon im besten Alter einen gelben Schein im Abo einreichen. Irgendwie erwartet man, dass sie zumindest noch eine sinnvolle Aufgabe erfüllen. Reiterkollegen haben da die ultimative Idee – vorausgesetzt, es handelt sich um eine Stute. Na, ahnen Sie es? „Züchte doch mit ihr“, lautet der treffsichere Tipp. Na klar. Dass ich da nicht selbst drauf gekommen bin. Immerhin bleibt mir dann eine Schonfrist von einem knappen Jahr, um mir zu überlegen, wo ich Pferd Nummer fünf unterbringen werde.