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Die Kolumne über rassistische Pferde

Der Feind trägt Flecken

Das eigene Pferd ein Rassist? Niemals! Aber wie lässt sich erklären, dass es Schecken und Palominos großzügig ausweicht? In unserer Kolumne gehen wir der Frage auf den Grund.

Allein auf der Weide: der Tigerschecke. Der Hannoveraner unserer Autorin würde ihm nicht beistehen.

Münster - Mein Pferd ist ein Rassist. Und damit steht es im Stall nicht alleine da. Aber mir ist es durchaus unangenehm, dass ich bei all der Diskussionen um Ausländerfeindlichkeit ausgerechnet bei meinem Pferd eine eindeutige Farben- und Rassenvorliebe erkennen muss. Betritt der Schecke aus dem Nachbarstall die Halle, stellen sich bei meinem Wallach die Haare auf. Er geht ihm aus dem Weg und ergreift sofort die Flucht, wenn sie sich zufällig entgegenkommen.

„Vielleicht ist der Schecke ein Rüpel und ärgert die anderen auf der Weide“, dachte ich zunächst. Andererseits kommt mein Pferd nie mit dem Schecken zusammen nach draußen. Sie haben außerhalb der Reithalle quasi keinen Kontakt. Aber mit dem zweiten Schecken im Stall verhält es sich genauso. Insgeheim entwickelte ich die Vermutung, mein Pferd könnte die beiden mit Paarhufern verwechseln, die in meiner Heimat häufig zur Rasse der gefleckten Holstein-Rinder gehören. Kommen wir beim Ausreiten nämlich an Weiden mit Rinderherden vorbei, zieht mein Pferd das Tempo ordentlich an und zeigt – obwohl rein springmäßig gezogen – astreine Traversalen, um auf die andere Stra-ßenseite zu wechseln. Diesen Verdacht auszusprechen, wagte ich allerdings nicht. Ich wollte meinen Herzensvierbeiner schließlich nicht öffentlich als blinden Rassisten hinstellen. Ganz gleich, ob gegenüber Fellfarben oder Tiergattungen.

Es gibt die Beobachtung, dass Wildpferde eine Vorliebe für gleichfarbige Pferde haben. Als einfarbige Herde aufzutreten sei für sie weniger gefährlich, weil ihre Fressfeinde sie dann schlechter als Pferde identifizieren könnten, lautet eine der Erklärungen für das Verhalten. Um diese These auf mein Pferd anzuwenden, müsste ich sehr großzügig mit der Auslegung des Begriffs Farbe sein. Mein Fuchs versteht sich nämlich ausgezeichnet mit Braunen und Rappen, sogar mit Schimmeln.

In meiner stillen Verwunderung überraschte mich eine Stallkollegin, die erzählte, ihr Pferd, ein 1,80 Meter großer, wuchtiger Rappwallach werde bei Shetlandponys immer zur Furie. Ponys, die ohne Berührung unter seinem Bauch durchlaufen können, sind seine Feinde. Er fletscht die Zähne, legt die Ohren an und tänzelt auf der Stelle, bis sich der kleine Kollege wieder entfernt, schilderte sie. Das Verhalten zeigt er nicht bei allen kleinen Ponys, sondern nur bei Shettys. Ein Artikel in der Wochenzeitung „Die Zeit“ klärte mich jüngst darüber auf, dass die sogenannte Xenophobie, wie die Angst vor Fremden im Fachjargon heißt, nur bei sozialen Lebewesen vorkommt. Da keimte in mir ein wenig Stolz auf, denn mein Pferd musste ein besonders soziales Exemplar sein. Schließlich weicht er auch palominofarbenen Ponys großzügig aus, stets begleitet von kräftigem Blähen der Nüstern.Wenn eine Art über eine Kultur verfügt, begünstigt das die Entstehung von Xenophobie, heißt es in dem Text weiter. Also auch noch ein kultivierter Vertreter, mein Lieblingsvierbeiner. Was für ein Prachtkerl!

Allerdings ernüchterte mich der Artikel alsbald wieder. Denn Pferde gehören demnach nicht zu den wirklich sozialen Arten. Ihr Sozialverband ist weniger komplex und flexibler als andere. Beispielsweise für Ameisen und Nacktmulle stellt die Xenophobie mit ihren aggressiven Ausprägungen einen wichtigen Beitrag zum Überleben der Sippe dar. Sie verteidigen Futter und Platz gegenüber Fremden, Pferde halten nicht so fest zusammen. Für den Schecken ist also noch nicht alles verloren. Vielleicht lässt sich ja noch ein Stallkollege erweichen, ihm beizustehen. Wenn man die Augen zusammenkneift und der Blick verschwimmt, hat der Schecke wirklich Ähnlichkeit mit einer Schwarzbunten.