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Die Kolumne über die Horse-Life-Balance

All Inclusive ist nicht genug

Reiter Revue-Redakteurin Kirsten Ahrling wollte einen Pensionsstall in der Nähe. Gesucht, gefunden. Doch sie ahnte nicht, wohin das einmal führen sollte.

Im Stall gibt's immer was zu tun. Futter vorbereiten, die Box misten, das Pferd aufs Paddock bringen. Das kann die Horse-Life-Balance aus dem Gleichgewicht bringen.

Als ich damals auf der Suche nach einem neuen Stall für mein Pony war, hatte ich vorab eine lange Liste geschrieben mit Kriterien, die mir wichtig sind. Eines davon war: schnelle Erreichbarkeit. Und so war es für mich ein Sechser im Lotto, dass der Pensionsstall, für den ich mich natürlich auch aufgrund anderer guter Argumente entschied, nur fünf Minuten von der Redaktion entfernt war. Nichtsahnend, wohin das einmal führen sollte.

Zunächst fand ich es einfach nett, morgens auf dem Weg zur Arbeit kurz am Stall haltzumachen, dem Pony übers Näschen zu streicheln, ihm einen Apfel dazulassen. Aber ganz nach dem Motto: „Wenn ich schon mal da bin“, ließ ich das Pony bei der Gelegenheit auch gleich aufs Paddock. Hatte ich mal verschlafen, setzte das schlechte Gewissen ein. Der morgendliche Abstecher zum Stall war definitiv nicht mehr drin, wenn ich es noch halbwegs pünktlich in die Redaktion schaffen wollte. Ich nahm mir vor, stattdessen in der Mittagspause beim Pony vorbeizuschauen.

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Gesagt, getan: Ich ließ mein Pony aufs Paddock, mistete die Box, bereitete einen kleinen Snack vor. Auch eine schöne Art, seine Pause zu verbringen, dachte ich, und ließ es zur Gewohnheit werden. Nach Feierabend führte mich dann mein erster Weg – natürlich – wieder in den Stall. Umgezogen hatte ich mich schon im Büro. Irgendwann hatten sich die ganzen Kontrollbesuche am Tag so etabliert, dass ich glaubte, mein Pony würde ohne meine Zusatzleistungen gar nicht mehr klarkommen. Dabei war es in dem Pensionsstall bestens versorgt. Ich bezahlte ja auch für den All-Inclusive-Service. Blöderweise glaubte ich mittlerweile, dass das nicht mehr ausreichte. So meldete sich direkt das schlechte Gewissen, wenn mittags mal nicht mehr drin war als ein schneller Snack am Schreibtisch. Man könnte sagen: Meine Horse-Life-Balance ist ein bisschen aus dem Gleichgewicht geraten.

Bis ich eines Mittags, an dem ich es nicht zum Stall schaffte, ein Foto per Whats-App von einer Stallkollegin zugeschickt bekam. Mein Pony lag ausgestreckt im Stroh seiner Box, die Augen geschlossen, die Sonne schien ihm durchs Stallfenster auf den Bauch. Es sah so zufrieden aus. „Guck mal“, schrieb meine Stallkollegin, „dein Pony freut sich wohl auch mal über eine ruhige Mittagspause.“ Dahinter setzte sie einen Zwinkersmiley. Wenn ich einen Smiley nicht ausstehen kann, dann ist es dieser! In diesem Fall zeigte er mir ganz unmissverständlich: Ich hatte es vollkommen übertrieben in den letzten Wochen.

Ich gönnte meinem Pony den Mittagsschlaf im Stroh von ganzem Herzen. Und ich wusste: Es geht auch ohne mich. Seitdem verbringe ich die Mittagspause gerne mit meinen Kolleginnen – oder tue es in Home-Office-Zeiten einfach meinem Pony gleich. Ganz ohne schlechtes Gewissen.