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Lungenpatienten in Kur – Sole, Salz & Sauna

Austherapiert – der Tierarzt sieht keine Chance mehr auf Besserung. Dieses Urteil ist für viele Besitzer von lungenkranken Pferden schwer zu akzeptieren. Wir stellen drei Behandlungsansätze vor, die ein bisschen Linderung verschaffen könnten.

Der erste Gang am Morgen in den Stall und schon hören Sie es: das Röcheln aus der Box Ihres Sorgenkindes. Der Versuch, einen tiefen Atemzug zu nehmen. Daraufhin quält ein Hustenanfall das Pferd. Und es hört und hört nicht mehr auf. Wenn diese Szene sich häufiger wiederholt, heißt es Alarmstufe Rot. Der Patient muss dringend zum Arzt. Vielen Lungenpatienten können Tierärzte mit Medikamenten helfen. Wenn die allerdings nicht mehr anschlagen, könnte die letzte Hoffnung auf Kuranwendungen liegen, die von betroffenen Pferdebesitzern selbst entwickelt wurden.

Auch Nikola Wagenknecht hat sich aus der Not heraus mit Soletherapien auseinandergesetzt. Denn ihre Stute hat gegen den Kleininhalator, den sie eigentlich tragen sollte, immer wieder rebelliert. In einem Krankheitsstadium, in dem es für die Quarter Horse Stute zwingend notwendig war, zu inhalieren. „Ich habe die Nummer eines Technikers im Internet gefunden und den an einem Sonntag angerufen, weil ich dringend entscheiden musste, wie es für mein Pferd weitergeht“, erzählt sie von ihren Anfängen vor zwei Jahren. Im Nachhinein vermutet Nikola Wagenknecht, dass der Widerstand gegen den Inhalator durch hochfrequente Töne ausgelöst worden sein könnte, die viele Ultraschallvernebler abgeben. Für Pferde können die Töne sehr unangenehm sein. Der kontaktierte Techniker sagte sofort zu und sie entwickelten zusammen eine Sole-Vernebelungsanlage.

So ähnlich beginnt auch die Geschichte von Michaela Baetge. Ihr Pferd wurde ebenfalls von COB, einer chronisch-obstruktiven Bronchitis, geplagt. Was man machen könnte, um ihm zu helfen, darüber hat sie mit einer ehemaligen Kollegin gesprochen, die sie noch aus ihrer Zeit als OP-Schwester kannte. Die Kollegin, Lungenfachärztin für Menschen, hat ihr Trockenaerosol ans Herz gelegt. In der Lungenfachklinik würden damit gute Erfolge erzielt, berichtete sie.

Durch Eigeninitiative und Tüfteleien ist so ein bunter Strauß an Kurbehandlungen entstanden. Nicht selten sind es Erfahrungen aus der Humantherapie, die herangezogen werden, wenn die medikamentöse Behandlung bei Pferden an ihre Grenzen stößt. Für Pferde bewährte Systeme, von denen man abschauen könnte, gibt es kaum. Drei Modelle stellen wir Ihnen vor, die von oder in Zusammenarbeit mit Tierärzten entwickelt wurden.

Mit Sole

Die Anlage: Das Ziel von Nikola Wagenknecht war, ein Klima wie an der See zu schaffen. Dazu hat sie in eine ganz normale Box Edelstahldüsen einsetzen lassen, aus denen der Sole-Nebel gesprüht wird. Als die Nachfrage wuchs, hat Nikola Wagenknecht ihre Führanlage überdachen lassen und eine weitere Anlage darin installiert, die 100 Liter Sole in der Stunde vernebelt. Jetzt können im sogenannten „Horse Airium“ im niedersächsischen Gilten vier Pferde gleichzeitig inhalieren, während sie sich bewegen.

Die Technik: Sole ist in Wasser gelöstes Salz. Die Sole wird als Nebel in die Luft gesprüht, die die Pferde einatmen. In der Luft der Anlage liegt der Salzgehalt dann bei etwa drei Prozent.

Die Wirkung: Durch die Inhalation der Sole soll sich der Schleim in den Atemwegen lösen und die Pferde leichter abhusten können. Bewegung soll den Effekt verstärken, weil die Pferde tiefer atmen. Sole wirkt antibakteriell, sodass Keime weniger Nährboden finden sollen.

Das Drumherum: Es wird eine Eingangs- und Ausgangsuntersuchung von einem Tierarzt der Klinik in Schwarmstedt gemacht. „Daraufhin sprechen wir mit den Besitzern die weitere Behandlung ab“, sagt Nikola Wagenknecht. Vor und nach der Anwendung müssen die Tiere bewegt werden. Ein bis zwei Mal am Tag gehen die Patienten für 45 Minuten in die Verneblung. Nach jeder Anwendung werden Augen, Nüstern und Ohren gewaschen, der Rest des Körpers wird im Winter in der Führanlage von einer Regendecke geschützt. Mit einem Pulsoximeter wird die Sauerstoffsättigung im Blut gemessen. Je höher die Sauerstoffsättigung liegt, desto besser. 
Ein Trailpaddock hält die Pferde den ganzen Tag in Bewegung. Nikola Wagenknecht arbeitet zudem mit einem Ergotherapeuten zusammen. Für Notfallpatienten hält Wagenknecht immer einen Platz frei.

Die Kosten: Wagenknecht arbeitet an einer Datenerhebung. Der Preis für kranke Pferde, die daran teilnehmen, liegt pro Tag bei 20 Euro plus Unterbringungskosten, der reguläre Preis ist höher.

Die Behandlungsdauer: Bei chronischen Patienten 
im Schnitt vier Wochen, sie kann aber sehr stark variieren.

Die Erfinderin: Nikola Wagenknecht sagt von sich: „Ich bin vorbelastet. Meine Mutter hat ein Kurheim für lungenkranke Kinder auf Norderney geleitet. Mein Lebensgefährte ist an COB gestorben und ich beschäftige mich schon gut zwanzig Jahre mit dem Thema.“ Als ihre COB-geplagte Stute den kleinen Inhalator immer wieder abschlug, hat sie nach einer anderen Lösung gesucht.

www.horseairium.com

Die überdachte Führanlage kann komplett vernebelt werden.

In der Sauna

Die Anlage: Die Pferdesauna ist mit einer Sauna für Menschen zu vergleichen. In einem mit Holz ausgekleideten Raum steht ein Saunaofen für Aufgüsse. In dem Raum befindet sich ein Stand, in dem die Pferde angebunden werden. Die Sauna steht in Gelenau im Erzgebirge.

Die Technik: Sie funktioniert wie finnische Saunen für Menschen. Bei einer sehr geringen Luftfeuchte wird es zwischen 55 und 65 Grad warm.

Die Wirkung: „Durch die Wärme werden die Gefäße in den Bronchien erweitert. Und die Substanzen, die wir als Aufguss verwenden, verflüssigen den Schleim“, erklärt Saunabesitzerin Dr. Sandy Dathe-Schulz. Bei chronischen Hustenpatienten liegen, laut der Pferde-Tierärztin, bronchiale Krämpfe vor, die die Gefäße verengen. Sie lösen den wiederholten Hustenreiz aus.Der Aufguss ist ein Geheimrezept von Dathe-Schulz. Sie verrät nur soviel: „Eukalyptus und andere Inhaltsstoffe, die man vom Menschen kennt, sind enthalten.“ Der Schleim soll so leichter abgehustet werden können. Bei den ersten Anwendungen schwitzen die Pferde sehr stark. Etwa ab der dritten Behandlung geht die Schweißmenge gegen null, ist die Erfahrung von Sandy Dathe-Schulz.

Das Drumherum: Vor dem Saunabesuch macht Dr. Dathe-Schulz eine Bronchoskopie. Die entnommene Probe wird in einem Labor auf Keime getestet. Auf das Ergebnis stimmt die Tierärztin die Therapie dann ab. Besonders bei Patienten, die mit Schimmelpilzen zu kämpfen haben, wendet sie die Saunatherapie an. „Denn die Pilze mögen es auf gar keinen Fall trocken und heiß“, gibt sie die Begründung. Nachdem die Pilze in der Sauna abgetötet wurden, kommen gegebenenfalls noch Medikamente zum Einsatz. Jeden Tag werden die Puls- und Atemwerte des Pferdes gemessen. Neben der Sauna steht jeden Tag Bewegung auf dem Plan.

Die Kosten: Die Therapie kostet 45 Euro pro Tag, inklusive Boxenmiete, aber exklusive Medikamente.

Die Behandlungsdauer: Saunagang ist jeden Tag, zunächst für eine Viertelstunde, ab dem zweiten oder dritten Tag eine halbe Stunde. Über welchen Zeitraum die Behandlung stattfindet, hängt von der Schwere der Erkrankung und der Veränderung der Werte ab. Zwischen einer und sechs Wochen spielt es sich meistens ab. Im Anschluss an die Behandlung sollte unbedingt eine Überprüfung der Haltungsbedingungen stattfinden. „Nur, wenn die Pferde zu Hause auch in eine staubreduzierte Umgebung kommen, bringt die Therapie langfristig etwas“, mahnt Dathe-Schulz. Wenig Staub, viel frische Luft und hochwertiges Futter sind für die Tierärztin die Stichworte.

Für wen nicht: Pferde mit Herzproblemen und fiebrige Patienten. Das Fieber sollte erst abklingen.

Die Erfinderin: Dr. Sandy Dathe-Schulz ist Tierärztin und hat ihre Praxis für Kleintiere und Pferde um die Sauna ergänzt.

tierarztpraxis-dathe.de

Auf bis zu 65 Grad wird die Pferdesauna aufgeheizt.

Mit Salz

Die Anlage: Die Salzkammer ist ein umgebauter Kühltransporter. Sie kann luftdicht abgeriegelt werden. Von innen sieht sie aus wie ein geräumiger Pferdetransporter, in dem zwei Pferde Platz haben. Über eine kleine Stufe steigen die Pferde ein. Sowohl vorne als auch hinten kann Michaela Baetge ihre Kammer öffnen. Für scheue Pferde öffnet sie zunächst beide Seiten und gewöhnt die Tiere langsam an die Situation. Die Kammer steht in Ottmarsbocholt in Nordrhein-Westfalen.

Die Technik: Außerhalb der Kammer wird extrem fein granuliertes Salz statisch aufgeladen und durch eine Öffnung in die Kammer geleitet. „Mit bloßem Augen kann man die wabernden Kleinstpartikel gar nicht erkennen“, berichtet Michaela Baetge. Weil das Salz statisch aufgeladen ist, verteilt es sich gleich-mäßig in der Kammer. Die Konzentration überprüft Baetge mit einem Messgerät, das im Kopfbereich der Pferde angebracht ist. Außerdem gibt es eine Frischluftzufuhr am anderen Ende der Kammer. „Aus der Humanmedizin weiß man, dass die Patienten ohne die zusätzliche Frischluft Kopfschmerzen bekommen“, erklärt sie den Grund. Überdruck in der Kammer sorgt dafür, dass die Luft ständig ausgetauscht wird. Umgebungsluft wird mit ionisiertem Sauerstoff versetzt und in die Kammer geleitet.

Die Wirkung: „Trockenes Salz bindet den Schleim und die Flüssigkeit in den Atemwegen. Dadurch wird der Schleim verflüssigt“, erklärt Baetge.

Das Drumherum: Eine zuvor durch einen Tierarzt durchgeführte Diagnostik mit Bronchoskopie und Blutgaswerten weiß die Salzkammerbesitzerin zu schätzen. Anhand der Werte kann sie die Salzkammergänge auf das Pferd abstimmen. Die Voruntersuchungen sind aber kein Muss. Bevor die Pferde in die Kammer gehen, werden sie im Schritt geführt, um ihre Atemwege zu weiten. Nach 45 Minuten Aufenthalt in der Kammer steht leichte Arbeit auf dem Programm, also Longieren oder Reiten, insofern ihr Gesundheitszustand das erlaubt. „Nur so kann der gelöste Schleim auch abfließen“, erläutert sie. Baetge hat Gastboxen, Weiden, Paddocks, und Reitmöglichkeit im Angebot. Sie arbeitet mit der Tierklinik Telgte zusammen.

Die Kosten: Eine Behandlung kostet 30 Euro plus Mehrwertsteuer. Je nach Einstreuart kommen zehn bis zwölf Euro Boxenmiete dazu.

Die Behandlungsdauer: „Das hängt von der Diagnose des Pferdes ab. Aber für einen durchschnittlichen COBler setze ich etwa 14 Tage mit täglicher Anwendung an“, sagt Baetge.

Für wen nicht: Für fiebrige Patienten ist die Salzkammer nicht geeignet. Baetge rät, das Fieber erst abklingen zu lassen, bevor das Pferd in die Kammer geht.

Die Erfinderin: Michaela Baetge ist gelernte OP-Schwester für Menschen. In Zusammenarbeit mit einer Lungenfachärztin hat sie Erkenntnisse aus der Humanmedizin auf Pferde angewandt. „Die Technik ist die gleiche, die auch in Lungenkliniken für Menschen zum Einsatz kommt,“ berichtet Baetge. 
„Nur die Werte über die richtige Salzmenge haben mir natürlich bei den Pferden nicht weitergeholfen. Da musste ich mich vorsichtig herantasten. Aber 
nun habe ich es raus“, sagt die Betreiberin der
 Salzkammer.

www.willbefine.de

An der Kopfseite der Salzkammer finden auch die Pferdebesitzer Platz, falls sie während der Anwendung bei ihren Pferden bleiben wollen.