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Zehn Fragen zum Festliegen

Rolle nach rechts, Rolle nach links – und dann ist es passiert: Das Pferd liegt fest. Von alleine kann es nicht wieder aufstehen. Unser Experte Dr. Norbert Schulze Thier erklärt im Interview, was nun zu tun ist.

Nicht nur in der Box besteht die Gefahr des Festliegens. Auch in Sand- und Lehmkuhlen können sich Pferde festlegen.

Was versteht man unter Festliegen?

Wenn das Pferd nicht alleine wieder aufstehen kann, beschreibt man diesen Zustand als Festliegen. Das kann durch Wälzen passieren, wenn die Pferde sich in einer Position festrollen. Oder es geschieht aufgrund einer Erkrankung, wie beispielsweise Verletzungen der Gliedmaßen oder der Wirbelsäule, sowie Stoffwechselerkrankungen, insbesondere der Muskulatur. Darunter fallen der Kreuzverschlag (Übersäuerung der Muskulatur) und die atypische Myopathie durch eine Bergahornvergiftung. Bei einigen Rassen wie dem Quarter Horse, Paint Horse und Appaloosa tritt manchmal eine dominant vererbte Natrium-Kalium-Stoffwechselstörung der Muskulatur auf. Bei Pferden mit dieser Krankheit kann es im akuten Stadium zum Festliegen kommen. Auch Infektionen, zum Beispiel Herpesvirus-Infektionen und Kreislaufstörungen, die unter anderem durch extreme Wetterlagen hervorgerufen werden, sind Risikofaktoren. Das Alter, Arthrose und die Neigung zu Koliken, erhöhen ebenso die Gefahr. Festliegen kann einerseits durch die entsprechende Grunderkrankung, andererseits auch durch die Folgeschäden lebensbedrohlich werden.

Ist es auch möglich, dass es draußen passiert?

Grundsätzlich ja. Das mechanische Festliegen, also das Festliegen durch örtliche Gegebenheiten, kann in Sand- und Lehmkuhlen geschehen. Aber auch Erkrankungen können draußen zum Festliegen führen. Junge Pferde, insbesondere Hengste, können sich beim Kämpfen oder Spielen auf der Weide Frakturen oder Wirbelsäulenverletzungen zuziehen.

Welche Pferde sind besonders gefährdet?

Sich festzulegen, kann jedem Pferd passieren. Ältere Pferde mit Arthrose und solche, die zu Koliken neigen, werden sich tendenziell öfter in diese Situation bringen. Hufrehepatienten im Endstadium liegen ebenfalls häufiger fest. Hengste sind auch eher gefährdet, weil sie mehr kämpfen. Wenn sie zu mehreren in der Weide laufen, geht es ja etwas robuster zu.

Kann das Wetter dazu führen, dass sich Pferde festlegen?

Extreme Hitze kann bei kreislaufgeschädigten Patienten zum Festliegen führen. Die optimale Versorgung mit Futter, Wasser, Vitaminen, Elektrolyten und Salz ist dann ganz wichtig, aber auch die Möglichkeit, Schatten zu finden. So verhindert man, dass es zum Festliegen durch Mängel kommt. Eine vorübergehende Behandlung mit entzündungshemmenden Schmerzmitteln verringert bei Pferden mit Arthrosen die Entzündung und reduziert somit die Schmerzen, die das Pferd am Aufstehen hindern. Nach Regenschauern lieben es einige Pferde, sich im Sand oder Lehm zu wälzen. An tiefen Kuhlen kann das zur Falle werden.

Wie kann man sein Pferd aus der Situation befreien?

Dazu sollte man genau schauen, ob das Pferd wegen einer Erkrankung festliegt, oder weil es sich ungünstig gewälzt hat. Nur, wenn man ganz sicher ist, dass kein Knochenbruch oder eine andere Erkrankung der Grund für das Festliegen ist, sollte man selbst versuchen, zu helfen. Sonst kann es passieren, dass man Brüche oder ähnliches verschlimmert. Um das zu unterscheiden, sollte man schauen, ob das Pferd insgesamt einen gesunden Eindruck macht und ob seine Liegeposition verrät, wie es sich dorthin gebracht hat. Will man selbst helfen, braucht man unbedingt einen Helfer. Das Pferd wird panisch reagieren. Es besteht also ein hohes Verletzungsrisiko. Im Fall der Fälle muss jemand Hilfe rufen können. Am besten sucht man sich jemanden, der Erfahrung mit festliegenden Pferden hat, beispielsweise der Stallbesitzer. Sollte das Pferd mit den Hufen zur Wand liegen, können an den untenliegenden Fesseln Stricke befestigt werden um das Pferd vorsichtig über den Rücken zurückzurollen. Wenn es dann noch ruhig bleibt, bringt man das Pferd in Brustlage und zieht die Vorderbeine und Hufe nach vorne. Oftmals rudert das Pferd aber schon, sobald es auf die richtige Seite gedreht wurde und versucht, aufzustehen. Je jünger und unerfahrener ein Pferd ist, desto panischer wird es auf das Festliegen reagieren. Umso wichtiger ist es, dass man ruhig bleibt und Vorsicht walten lässt. Wenn man meint, es könnte einen anderen Grund haben, dass ein Pferd festliegt, sollte man den Tierarzt unbedingt anrufen. Der kann sicher sagen, ob eine Erkrankung zum Festliegen geführt hat. Er kann panische Pferde sedieren, sodass sie die Helfer nicht verletzen.

Was passiert im Körper beim Festliegen?

Die Mangeldurchblutung kann zu Druckstellen führen. Wie menschliche Dauerliegepatienten können auch Pferde sich wundliegen. Nur, dass die Unterlage der Pferde nicht keimfrei ist und sich die Wunden infizieren können. Außerdem kommt es zu Kreislaufstörungen und unter Umständen zu ungünstigen Druckverhältnissen im Bauchraum. Was genau im Pferdekörper passiert, hängt davon ab, wie das Pferd liegt. Beispielsweise kann der Darminhalt auf andere Organe drücken. Wenn Druck auf die Nerven an den Gliedmaßen ausgeübt wird, kann es zu Lähmungen kommen.

Was ist das Gefährliche an der Situation?

Die Lähmungen sind eine große Gefahr. Wird beispielsweise der Radialisnerv, der über dem Oberarm verläuft, gequetscht, kann eine Lähmung auftreten, die Kusshandstellung genannt wird. Dabei hängt das Endgelenk des Vorderbeins nach vorne, wenn das Pferd den Vorderhuf der betroffenen Seite hebt. Wie eine Kusshand hängt die Fußspitze herab und das Pferd stolpert über den eigenen Huf, weil es die Hufspitze nicht nach vorne strecken kann. Schlimmstenfalls ist die Lähmung dauerhaft.

Wie lange darf die Situation des Festliegens maximal andauern, bevor das Pferd Schäden davonträgt?

Das hängt von der Lage ab. Beim Festliegen in der Box auf Stroh sind zwei bis sechs Stunden der Richtwert, ab dem es bleibende Schäden geben kann. Liegt das Pferd auf dem Rücken, ist es stärker gefährdet als ein Pferd, das auf dem Bauch liegt. Die möglichen Folgeschäden sind Nervenlähmungen, Drucknekrosen, also absterbendes Gewebe und Entzündungen.

Kann man baulich schon vorbeugen?

Ja, indem man geräumige Boxen baut. Das verringert das Risiko des Festliegens schon sehr. Darauf zu achten, dass die Einstreu recht gerade ist, senkt die Gefahr weiter. Risikopatienten können mit Kameras mit Ton überwacht werden. Wenn man diesen leise laufen lässt, hört man das Bollern der Hufe an der Boxenwand beim Versuch, aufzustehen. Wer das Geräusch einmal gehört hat, erkennt es immer wieder.

Können Osteopathie oder Akupunktur im Nachgang sinnvoll sein?

Ja, allerdings muss dafür die Grunderkrankung geklärt, also Rückenmarksverletzungen, Brüche und ähnliches ausgeschlossen sein. Osteopathen können meiner Erfahrung nach gut Blockaden lösen oder das Pferd wieder einrenken. Akupunktur kann beispielsweise bei Nervenlähmungen eingesetzt werden.