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Hautverletzungen bei Pferden heilen

Die Haut ist das Schutzschild des Körpers – ein Ratsch, ein Schnitt, ein Tritt zerstört es. Kein Pferd ist vor Wunden gefeit. Wie Wunden heilen und Sie Hautverletzungen richtig versorgen – wir haben den Erste-Hilfe-Plan für Sie und Ihr Pferd!

Kleine Wunden sind im Stallalltag schnell passiert, manche kann man selbst versorgen, bei anderen muss der Tierarzt helfen.

Und wieder eine Macke – es gibt Tage, da fragt man sich, was das Pferd in seiner Freizeit eigentlich so treibt. Abschürfungen, blutige Hautrisse, hier eine Kruste, dort eine Schwellung, und womöglich noch eine Lahmheit ... Ist die eine Wunde verheilt, folgt die nächste. Wer einen solchen Bruchpiloten im Stall stehen hat, denkt nun: Kenn ich. Und verdreht entnervt die Augen. Wunde ist nicht gleich Wunde, manch eine ist schwerwiegend, viele sind Lappalien – und besonders die kleinen werden oft unterschätzt. Davon ist Dr. Colette Elmas, Tierärztin in der Pferdeklinik Burg Müggenhausen, überzeugt: „Die Pferdebesitzer sagen: ‚Ist doch nur eine kleine Wunde, ich habe ein bisschen Salbe draufgemacht, das Pferd ist nicht lahm, alles gut.’ Und zwei, drei Tage später steht das Pferd auf drei Beinen.“

Heile, heile Gänschen

Es hilft also nichts, jede Wunde verdient größte Aufmerksamkeit. Wie problematisch der Hautdefekt ist, darüber geben Größe und Tiefe Aufschluss. „Aber der wichtigste Aspekt ist die Lokalisation der Wunde“, erklärt Dr. Colette Elmas. Der Ort des Schadens ist so entscheidend, weil selbst die haferkorngroße Wunde „lebensbedrohend“ sein könnte. Das klingt dramatisch. Aber wenn tatsächlich Gelenke oder Sehnenscheiden betroffen sind, ist es das auch. Deshalb ist es der Tierärztin ein Anliegen, jede Wunde, die man entdeckt, zu untersuchen, abzutasten und unter Umständen auch den Haustierarzt zu rufen. Nämlich dann, wenn die Wunde großflächig, tief oder an einer Stelle zu finden ist, wo Knochen, Gelenke, Sehnen oder Bänder darunter liegen. Damit die Wunde von Beginn an richtig versorgt wird.

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Genau auf diesem Gebiet hat sich viel getan in der Medizin. „In der Vergangenheit wurden viele Sachen anders gemacht“, sagt Colette Elmas, „auch das hat funktioniert. Aber heute geht es schneller und langfristig billiger.“ Die Wundheilung zu beschleunigen heißt in diesem Fall, sie nicht unnötig aufzuhalten. Der Körper braucht weiterhin seine Zeit, seine Arbeitsschritte gehen nahtlos ineinander über – nur die Arbeitsbedingungen wurden optimiert. Die „feuchte Wundheilung“ beispielsweise hat in der Pferdemedizin Einzug gehalten und die traditionelle „trockene Wundheilung“ teilweise abgelöst, die Medikamente und vor allem die Wundauflagen wurden entsprechend angepasst. „Wir verstehen die Wundphasen besser und wissen, was für ein Milieu die Wunden in diesen Phasen brauchen“, sagt Dr. Elmas.

Drei-Phasen-Werkstatt

Jede Wundheilung beginnt mit der Entzündungsphase, der Körper bereitet das verletzte Gewebe auf seine Reparatur vor. Schwellungen, Rötungen und Schmerzhaftigkeit sind die typischen Entzündungssymptome. In den ersten Stunden stehen Blutgerinnung und Blutstillung im Fokus. Zum Teil entsteht Wundschorf, ein Provisorium des Körpers, um sich vor Keimen zu schützen. Der Körper sendet nun bestimmte Zellen und Enzyme, um abgestorbene Zellen und Krankheitserreger zu zerstören und zu entsorgen. Der „Aufbau Haut“ kann jetzt, nach ein bis drei Tagen, in die zweite Phase übergehen, die Granulationsphase.

In den folgenden Tagen und teilweise Wochen entsteht ein Kollagen-Gerüst, das Granulationsgewebe, auch „wildes Fleisch“ genannt. Gut ausgebildet ist es das Fundament für eine schnelle Wiederherstellung der Haut. „Wir nennen es wildes Fleisch, weil es sehr aggressiv und manchmal über die Wunde hinaus wächst. Wenn das passiert, müssen wir Granulationsgewebe wieder wegnehmen. Aber am Anfang brauchen wir es“, sagt Dr. Colette Elmas.

Ist das „Bett“ gemacht, können in der abschließenden Reparaturphase neue Hautzellen vom Wundrand aus über das Granulationsgewebe wachsen. Die Wunde schließt sich. Am Körper bewältigen die Hautzellen 1,4 Millimeter pro Woche, am Bein schaffen sie lediglich 0,6 Millimeter.

Eine Woche kann diese Phase dauern – bis hin zu einem Jahr! „Ist die Wunde sehr groß, können die Ränder nach innen wachsen und in der Mitte kommt es zu keiner normalen Haut mehr, weil der Weg für die Hautzellen zu weit wird, um zu migrieren“, sagt Dr. Elmas. Narbengewebe, schwarz, dünn und wenig strapazierfähig, ist die Folge. Nicht der Idealfall, weshalb es teilweise mithilfe einer Hauttransplantation ersetzt wird.

Das gehört in den Verbandskasten ...

  • sterile Wundauflagen/Mullkompressen
  • Verbandswatte selbsthaftende, elastische
  • Verbände Gewebeklebeband
  • Hydrogel für Wunden Wundspüllösung
  • Wund- und Heilsalbe Cold Pack

Der Erste-Hilfe-Plan

Um die Heilung der Haut zu unterstützen, braucht der Pferdebesitzer einen Plan. Der fällt je nach Defekt unterschiedlich aus. „Bei einer akuten Wunde schmiert man am besten ein Wundgel, auch Hydrogel genannt, darauf und macht einen Verband. Bei einer Blutung muss man sofort einen Verband anlegen“, erklärt Dr. Elmas und fügt hinzu: „Bitte keine Blau-, Alu- oder Jodsprays auf offene Wunden sprühen! Sie irritieren die Heilung, sind zu aggressiv, trocknen aus. Besser sind Wundspüllösungen, die weniger stark konzentriert sind.“

Oft entdeckt man die Wunden erst am nächsten Tag – Mist, Sand und Dreck inklusive. „Ich habe kein Problem damit, auf solche Verletzungen den Wasserschlauch zu halten“, sagt Colette Elmas. Ist der Dreck weg, tupft man die Wunde trocken und greift zum Wundgel. Ist der Tierarzt gefragt, wird er die verletzte Haut behandeln, unter Umständen nähen, dem Pferd Entzündungshemmer geben, ihm einen Verband anlegen und es im schweren Fall in die Tierklinik überweisen.

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Harmlose Schürfwunden sind dagegen genügsam, Luft und Zeit sind oft ausreichend. Auch wenn Dr. Colette Elmas nicht der größte Fan von Desinfektionssprays ist, „aber bei einer kleinen Schürfwunde sind sie eine gute Möglichkeit, damit nicht noch mehr Dreck in die Wunde gelangt – danach sollte man sie mit einer Wundsalbe feucht halten, sobald sie verschlossen ist“.

Honig wirkt antibakteriell und hat wie Ringelblumen-oder Rescue-Salben bei Schürfwunden ebenfalls einen verdienten Platz, weil sie alle die Wundheilung unterstützen. Auf offenen Wunden haben sie jedoch nichts zu suchen. Genauso wenig Zinksalben. „Sie kann man verwenden, wenn die Haut geschlossen und rosa ist oder auf Wundrändern, um diese geschmeidig zu halten“, sagt Dr. Colette Elmas.

Eine gesunde, straffe, elastische Haut heißt das erklärte Ziel der Wundheilung. Nur dann bleibt sie das beste Schutzschild des Körpers.

Der Artikel ist erstmals in der März-Ausgabe 2016 erschienen.