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Interview zum West-Nil-Virus

"Eine Ausbreitung ist festzustellen"

Im August 2018 wurde zum ersten Mal das West-Nil-Virus bei einem Pferd in Deutschland nachgewiesen. Mittlerweile haben sich die Fallzahlen vervielfacht. Aktuell meldet der Nachrichtensender ntv Infektionen bei Menschen. Ist das Virus auf dem Vormasch? Tierärztin Dr. Corinna Arnold klärt auf.

Das West-Nil-Virus kommt aus Afrika und wird von blutsaugenden Mücken übertragen.

Leipzig – In Berlin und Sachsen haben sich Menschen mit dem West-Nil-Virus angesteckt haben. Außerdem gibt es Verdachtsfälle. So meldet es der Nachrichtensender ntv auf seiner Webseite. Das Friedrich-Loeffler-Institut meldet aktuell auf seiner Webseite, dass auch in diesem Jahr – wie in den Vorjahren – Fälle im Osten der Republik bekannt wurden. "Seit Anfang Juli bestätigte das Nationale Referenzlabor für West-Nil-Virus-Infektionen die Erkrankung bei 32 Zoo- und Wildvögeln sowie sieben Pferden. Ein Pferd starb bisher an den Folgen der Infektion", heißt es. Das Friedrich-Loeffler-Institut rechnet in den kommenden Wochen mit weiteren Erkrankungen bei Vögeln und Pferden. Pferdebesitzer sollten sich an die Empfehlungen der Ständigen Impfkomission halten. Das Friedrich-Loeffler-Institut bestätigt zudem sieben Infektionen beim Menschen und beruft sich dabei auf das Epidemiologische Bulletin des Robert Koch-Instituts vom 10. September.

Tierärztin Dr. Corinna Arnold von der Klink für Pferde der Veterinärmedizinischen Fakultät in Leipzig warnt vor Panikmache. Dennoch sollten Pferdebesitzer die Verbreitung des Virus ernstnehmen. Im Interview erklärt sie, wie Pferdebesitzer sich und ihre Tiere schützen können. (Das Interview ist zum ersten Mal erschienen in der November-Ausgabe 2019.)

Ist das Virus auf dem Vormarsch?

Es ist auf jeden Fall ein Anstieg zu vermelden. Wir hatten im vergangenen Jahr (2018, Anm. d. Red.) deutschlandweit zwei Fälle von Pferden, die sich mit dem West-Nil-Virus infiziert hatten. In diesem Jahr (2019, Anm. d. Red.) sind es bislang 15. Man geht davon aus, dass das Virus es geschafft hat, in den Mücken zu überwintern. Letztes Jahr (2018, Anm. d. Red.) waren die Fälle noch regional begrenzt. In diesem Jahr (2019, Anm. d. Red.) ist schon eine Ausbreitung festzustellen. Die ständige Impfkommission schließt nicht aus, dass es sich flächendeckend in ganz Deutschland ausbreiten wird. Wie schnell das geht, ist schlecht abzusehen. Ob es schon nächstes Jahr soweit ist oder ob es noch ein paar Jahre dauert und es sich langsam Stück für Stück ausbreitet, kann man nicht sagen.

Sollte nun jeder Pferdebesitzer sein Pferd vorsorglich impfen?

Wir empfehlen eine Impfung in den aktuell betroffenen Gebieten, also in Sachsen, Sachsen-Anhalt, im südlichen Brandenburg und in Thüringen, auf jeden Fall. Jedoch empfehlen wir, die Impfung nicht jetzt, sondern erst im Frühjahr durchzuführen, sodass die Grundimmunisierung des Pferdes Ende Mai abgeschlossen ist. Dann sind die Pferde in der Haupt-Mückensaison im Spätsommer am besten geschützt. Die Impfung muss jährlich wiederholt werden, weil die Titer (die Zahl der Antikörper im Blut des Pferdes; Anm. d. Red.) steigen und wieder abfallen. Wird ein Pferd im Herbst geimpft, hat es im nächsten Jahr in der größten Gefahrenzeit den niedrigsten Schutz. Und wenn im Winter der erste Frost kommt, werden auch die Mücken ein stückweit sterben, was die Problematik abschwächt.

Wie ernst ist das West-Nil-Fieber?

Es ist eine schwere Erkrankung für die Pferde, die es klinisch betrifft. Ein Großteil der infizierten Pferde zeigt keine klinischen Symptome. Doch der kleine Prozentsatz derer, die klinisch befallen sind, können sehr schwer erkranken, häufig auch neurologisch, also das Nervensystem betreffend. 20 bis 30 Prozent dieser Fälle enden tödlich.

Ist das Virus heilbar?

Es gibt keine Möglichkeit die Ursache der Erkrankung, also die Virusinfektion, zu behandeln. Das muss das Pferd selbst schaffen. Alle Behandlungsmaßnahmen sind unterstützend. Hat ein Pferd das Virus erfolgreich bekämpft, sind noch lange Zeit Antikörper im Blut nachweisbar, aber das Virus selbst wird eliminiert.

Was kann man tun, um einer Infektion vorzubeugen?

In erster Linie ist Mückenprophylaxe ganz wichtig. Die Ausbreitung kann man damit zwar nicht verhindern, wohl aber eine Infektion des Pferdes und natürlich auch die eigene. Es empfiehlt sich ein Mückenspray in der Mückensaison von Juli bis September. Manche Empfehlungen lauten, die Pferde in den Haupt-Mückenzeiten des Tages aufzustallen. Die Machbarkeit ist natürlich von der Haltungsform abhängig. Ansonsten sollte man Mückenbrutgebiete eliminieren, also Wasserlachen trockenlegen oder Bottiche mit altem Wasser beseitigen. So kann man der Mückenverbreitung zumindest entgegenwirken.

West-Nil-Virus: die Fakten
➤ Das Virus stammt aus Afrika und wird von blutsaugenden Mücken übertragen, im natürlichen Wirtskreislauf zwischen Vögeln und Stechmücken. Menschen und Pferde sind Fehlwirte. Sie können zwar erkranken, das Virus aber nicht weitergeben.
➤ Das Virus ist anzeigepflichtig. Wer eine Erkrankung bei seinem Pferd vermutet, muss das sofort dem Amtstierarzt melden.
➤ Bislang beschränkt sich die Verbreitung in Deutschland auf Gebiete im Osten der Republik. Bekannte Fälle gab es laut Friedrich-Loeffler-Institut hauptsächlich in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin.
➤ Es gibt drei Impfstoffe für Pferde gegen das West-Nil-Virus. Für den Menschen gibt es keinen Impfstoff.
➤ Symptome, die bei Pferden auf eine Infektion hindeuten, sind: Wesensänderungen, Stolpern, Lähmungen, Muskelzittern, Schwäche, Festliegen. Beim Menschen verlaufen 80 Prozent der Infektionen symptomlos. Treten Symptome auf, sind diese mit einem grippalen Infekt vergleichbar. In schweren Fällen kann es zur Hirnhaut- oder Gehirnentzündung kommen.
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