Zum Inhalt springen

Drücken Sie Öffnen / Eingabe / Enter / Return um die Suche zu starten

Serie: Das Pferd von innen

Die Leber: Die Lebenskünstlerin

Ohne sie läuft nichts: Die Leber des Pferdes ist ein Tausendsassa, ein echtes Unikat und ein fast unermüdliches Stehauf-Männchen. Spannende Fakten rund um die Leber lesen Sie in Teil 3 der Serie "Das Pferd von innen" präsentiert von EQUIVA.

Die Leber ist sehr gut durchblutet, daher auch die lebertypische dunkelrote bis braune Farbe.

Maß genommen

Tierärztin Dr. Katja Roscher von der Uni Gießen schätzt die Leber auf 40 bis 50 Zentimeter Länge, 20 bis 25 Zentimeter Breite und zehn bis 15 Zentimeter Dicke bei einem erwachsenen Warmblüter.

Gelbsucht

Man spricht vom Ikterus, auf deutsch Gelbsucht, wenn sich die Schleimhäute leuchtend gelb färben – ein klarer Hinweis auf eine Leberfunktionsstörung, den man am besten am Auge erkennt: „Dahinter steckt ein Stoff namens Bilirubin, der stammt aus dem Abbau von Hämoglobin, dem Farbstoff für die roten Blutkörperchen. Die Leber verstoffwechselt das Bilirubin und scheidet es aus. Wenn die Leber nun nicht mehr richtig funktioniert, kann sie dieses Abfallprodukt nur noch begrenzt aufnehmen und verarbeiten. Der Stoff reichert sich im Gesamtorganismus an“, erklärt Dr. Roscher. Übrigens: Blutuntersuchungen geben nur begrenzt Aufschluss über einen Leberschaden. „Weil die Leber unglaubliche Kompensationsmechanismen hat, sind diese Werte erst abnorm, wenn die Schädigungen relativ weit fortgeschritten sind“, sagt die Tierärztin.

Mächtige Nachbarn

Die Leber liegt dem Zwerchfell an, weitere Nachbarn sind Magen und Teile des Dickdarms.

Sie wollen mehr Tipps von hochkompetenten Fachleuten? In zwölf Heften pro Jahr dreht sich bei uns alles um gutes Reiten und gesunde Pferde. Das sind Ihre Themen? Hier können Sie Ihr Jahresabo bestellen und sich eine tolle Prämie aussuchen!

Ein Tausendsassa

Die Leber ist die größte Drüse des Körpers. Sie stellt beispielsweise Blutgerinnungsfaktoren her. Würden diese nicht mehr gebildet, käme es zu erheblichen Blutungsstörungen. „Die Leber ist ein Energiekraftwerk: Sie produziert Fette und Eiweiße, ist damit verantwortlich für den Zucker- und Energiehaushalt“, beschreibt Dr. Roscher und fügt hinzu: „Sie ist außerdem Entgiftungsorgan für körpereigene Gifte, zum Beispiel Ammoniak, einem Endprodukt des Proteinstoffwechsels. Ammoniak wird von der Leber in Harnstoff umgebaut, der über die Niere ausgeschieden wird.“ Kurzum: Ohne die Leber läuft’s nicht.

Gift für die Leber

Obwohl die Leber sich sehr gut regenerieren kann, „unzerstörbar“ ist sie nicht. Große Mengen Medikamente, Kreuzkräuter, Schimmelpilzgifte, Herbizide, Pestizide oder auch Mineralien, die im Übermaß toxisch wirken können, beeinträchtigen die Leberfunktion. Genauso bösartige Tumoren, die das Lebergewebe beschädigen. „Dann gibt es noch die Idiopathische Hepatitis, eine Leberentzündung, die spontan in Schüben auftreten kann und deren Ursache unbekannt ist. Diese Erkrankung geht in der Regel mit einer erhöhten Bildung von Bindegewebe im Lebergewebe einher und das führt letzten Endes zu einer erheblichen Funktionseinschränkung“, erklärt Dr. Roscher. Der schlimmste und tödliche Fall ist das Leberversagen, dann arbeitet das Organ gar nicht mehr.

Ein echtes Unikat

Im Gegensatz zum Menschen und anderen Säugetieren hat das Pferd keine Gallenblase! Diese dient als Speicher der Verdauungssäfte, der sogenannten Galle. Warum das Pferd zwar Gallengänge, aber keine Gallenblase hat, kann nur gemutmaßt werden. Dr. Roscher über mögliche Gründe: „Das hat sicherlich damit zu tun, dass ein Pferd im Gegensatz zum Fleischfresser mehr oder weniger kontinuierlich Futter aufnimmt. Somit läuft auch die Gallenflüssigkeit kontinuierlich ab, sie muss nicht gespeichert werden. Der andere Aspekt: Die Galle beim Fleischfresser ist wichtig für die Verdauungsenzyme, die vor allem Eiweiße verarbeiten. Da sich das Pferd hauptsächlich von Raufaser ernährt, also von langkettigen, relativ schlecht verdaulichen Kohlenhydraten, braucht es nicht so viel von diesen Fett- und Proteinverdauungsenzymen.“

Die Gewichts-Frage

Circa fünf Kilogramm Gewicht bringt die Leber eines 550 bis 600 Kilogramm schweren Warmblutpferdes auf die Waage. „Das Problem ist bei diesen Angaben aus Anatomiebüchern immer, dass die Tiere für diese Messungen komplett ausgeblutet sind und dann die Organe gemessen werden. Es ist also durchaus vorstellbar, dass die Leber im lebenden Organismus schwerer ist“, erklärt die Fachtierärztin für Pferde.

Pralles Paket

Wie ein Gelpad fühlt sich die Leber des Pferdes an: prall, elastisch, glatt. Die Leber ist sehr gut durchblutet, daher auch die lebertypische dunkelrote bis braune Farbe. „Im Grunde sieht sie aus wie die Schweine- oder Rinderleber, die man aus der Kühltheke kennt“, sagt Dr. Roscher.

Ein Stehauf-Männchen

Die Leber ist ein Überlebenskünstler! Ihre Kapazitäten, Defizite auszugleichen sind enorm – zumindest weiß man das von der Menschenleber und vermutet diese Fähigkeit auch bei Tieren, wie dem Pferd. „Sie können als Mensch 50 Prozent Ihrer Leber spenden, die andere Hälfte wächst nach“, weiß Dr. Katja Roscher. Diese Eigenschaft macht die Leber einzigartig. Die Leber erholt sich schnell und gut, massive Lebererkrankungen sind eine Rarität. In der Uniklinik in Gießen gibt es maximal ein Pferd in zwei Jahren mit starken Leberfunktionsstörungen. Erst wenn die Leber so weit geschädigt ist, dass dreiviertel ihrer Funktionsfähigkeit zerstört ist, ist das Pferd in Gefahr – in Lebensgefahr!

Artischocken und Co.

Was tut der Leber gut? Die Frage ist schnell beantwortet, findet Dr. Katja Roscher: „Gute Qualität beim Futter, keine unerwünschten Pflanzen, kein Schimmel im Futter.“ Aber wie beim Menschen ist auch beim Pferd die Futterindustrie ideenreich. Es gibt Produkte mit Artischocke oder mit Mariendisteln, sie sollen einen positiven Effekt auf die Leberfunktion haben. Wissenschaftlich erwiesen ist das nicht. „Ich habe vor Jahrzehnten auf einem Kongress schon mal ein Zusatzfuttermittel zur Stärkung der Gallenblasentätigkeit gesehen“, schmunzelt Dr. Roscher. „Ich glaube, das gibt’s heutzutage nicht mehr.“