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Wie sinnvoll sind Nierendecken für Pferde?

Reiter lieben den Zwiebel-Look. Im Winter packen sie sich so warm ein, wie möglich. Ein Trend, den auch die Pferde mitmachen müssen. Kaum sinken die Temperaturen, werden sie beim Reiten mit kuscheligen Nierendecken ausgestattet. Muss so viel Rückendeckung wirklich sein?

Macht eine Nierendecke bei kalten Temperaturen Sinn?

Wird es im Sattel anstrengend, zieht der Reiter seine Jacke aus. Sein Pferd läuft hingegen oftmals weiter Runde um Runde, Lektion für Lektion mit einer Nierendecke auf dem Rücken. Vermenschlichen Reiter ihre Pferde zu sehr? Wir haben Experten gefragt. Kurz gesagt: Ein nicht geschorenes Pferd einzudecken, ist übertrieben. „Ich glaube, das Ganze wird etwas überschätzt“, sagt auch FEI-Tierarzt und Vielseitigkeitsreiter Dr. Matthias Baumann. Vor allem, wenn man bedenkt, dass bei einem Pferd erst ab minus 15 Grad Celsius die natürliche Thermoregulation einsetzt. Bei allem darüber fühlen sie sich wohl und können ihre Körpertemperatur problemlos halten. Die einzige Ausnahme: geschorene Pferde. Ihnen fehlt schlicht das Fell zur Thermoregulation.

Nierendecken machen bei geschorenen Pferden Sinn

Warum ausgerechnet die Kruppe dann von einer Decke warmgehalten werden muss, erklärt Dr. Baumann: „Die Rückenmuskulatur ist eine der wichtigsten Muskelpartien beim Pferd. Der lange und auch die kleineren Rückenmuskeln sind sehr empfindlich.“ Wird es dort zu kalt, kühlt die Muskulatur aus und schmerzhafte Verspannungen sind vorprogrammiert.

Was passiert, wenn man ein nicht geschorenes Pferd trotzdem warm eingepackt arbeitet, kann sich jeder vor-stellen: Das Pferd beginnt zu schwitzen. Es passiert das Gleiche, als würde der Reiter vergessen, zum Training die dicke Winterjacke auszuziehen. Solange sich das Pferd bewegt, ist der Schweiß kein Problem. Problematisch wird es erst, wenn das Pferd nach dem Training verschwitzt ist und mit nassem Fell in den Stall gestellt wird. Dr. Baumann rät zu einigen Minuten unter dem Solarium. Gerade auf der Kruppe schwitzen Pferde sonst eher wenig bis gar nicht. Denn genau in diesem Bereich kühlen sie am schnellsten aus. Und auch der Reiter, der in seiner Winterjacke Sport macht und schwitzt, friert danach deutlich schneller als der, der im Pullover reitet und weniger schwitzt. Genau so hat es auch das Pferd am liebsten. Beim Warm- und Trockenreiten im Schritt leisten Nierendecken gute Dienste. Sobald es an die lösende Arbeit geht, sollte die Decke über der Bande hängen.

Außer beim Ausritt. Dort hat sich die Nierendecke bewährt. Eben weil sie dank ihrem besonderen Schnitt das Pferd in seiner Bewegung nicht einschränkt und auch nicht herunterrutschen kann. Solche Ausreitdecken laufen häufig unter dem Sattelblatt entlang und lassen sich vor dem Widerrist verschließen. Manche Modelle haben auch Schlaufen, mit denen sie sich an den Gurtstrippen des Sattels befestigen lassen. Gerade auf ausgedehnten Ausflügen in die Natur sind lange Schrittphasen die Regel. Um die Rückenmuskulatur dabei warmzuhalten, ist eine Nierendecke für geschorene Pferde ein idealer Begleiter. Oder ein wasserdichtes Modell für alle „Draußen-Reiter“, die sich bei Regen und Wind nicht in eine geschützte Reithalle zurückziehen können – bei Regen bleibt die Decke auch während des Trainings auf dem Pferd.

Uta Gräf benutzt Nierendecken nach Bedarf

Grand Prix-Reiterin Uta Gräf ist eine solche „Draußen-Reiterin“. Sie hat auf ihrem Hof in Kirchheimbolanden nur eine kleine Reithalle, in die sie zur Not ausweichen kann. Viel lieber reitet sie auf ihrem Allwetterplatz. Deshalb schert sie ihre Pferde am liebsten gar nicht. Doch wenn sie im Winter mit ihren Top-Pferden die großen Turniere besucht, sind die Hallen dort beheizt. „Dann muss ich die Pferde natürlich scheren“, sagt sie. „Und dann bekom-men sie zu Hause beim Schrittreiten auch eine Nierendecke auf. Beim Training nehme ich sie dann ab. Nur wenn es eiskalt ist, behalte ich sie während der gesamten Zeit auf dem Pferd.“ Wer nun denkt, eine Profireiterin hat sicherlich eine riesige Auswahl unterschiedlicher Decken in der Sattelkammer, der irrt. Zumindest bei Uta Gräf: „Ich habe eine. Die ist aus Fleece und passt meinen Pferden perfekt. Sie läuft unter dem Sattelblatt entlang und ich brauche nicht einmal einen Schweifriemen.“ Wichtig ist ihr bei einer Nierendecke neben der Passform nur eines: „Dass sie am Bauch nicht so lang ist und dadurch komplett unter dem Sattelblatt verschwindet. Nur so behalte ich den direkten Kontakt mit dem Schenkel zum Pferd.“

Die Nierendecke hält die empfindliche Rückenpartie des Pferdes schön warm.

Perfekt eingedeckt

Nierendecken gibt es in allen möglichen Farben, Materialien und Schnitten. Im Prinzip genügt eine Decke aus Fleece. Modelle mit Reflektor-Streifen machen den Träger auch im Dunkeln sichtbar. Um für die neue Nierendecke die richtige Größe zu finden, empfiehlt Tanja Dietz vom Reitsportgeschäft Kaufmann in Weil am Rhein die Orientierung an einer Abschwitzdecke, die dem Pferd passt. „Für die Nierendecke nimmt man einfach die gleiche Länge“, sagt sie. Unterschiede bei den Sattelausschnitten gibt es in der Regel nicht. Nur für einen Westernsattel, der viel größer ist als ein englischer, sollte man eine speziell dafür geschnittene Decke kaufen. Bei Allwetterdecken geben die Einheiten Denier und Wassersäule Aufschluss darüber, wie reißfest und wie wasser-dicht das Material ist. „Reißfestigkeit ist aber bei einer Ausreitdecke nicht so wichtig“, lenkt Tanja Dietz ein. Und obwohl eine Decke sehr wasserdicht sein kann, ist sie gleichzeitig immer noch atmungsaktiv. „Das sind moderne Materialien, in etwa wie bei einer Funktionsjacke“, erklärt die Fachverkäuferin.

Nierendecken für Frostbeulen

Und gerade weil es sich um Spezial-Material handelt, empfiehlt Tanja Dietz für wasserdichte Decken ein dafür geeignetes Waschmittel und rät, die Decke nach dem Waschen zu imprägnieren, um sie weiter wasserdicht zu halten. „Für alle anderen Decken kann man Feinwaschmittel verwenden. Es sollte nicht zu stark parfümiert sein, weil die Decke ja direkt auf dem Pferd liegt.“ Und natürlich lohnt sich der Blick auf die Waschanleitung des eingenähten Etiketts. Und noch etwas hat die Nierendecke einer Abschwitzdecke voraus, wie Tanja Dietz weiß: „Eine Decke, die vorne geschlossen ist, scheuert in Bewegung an der Brust des Pferdes.“

Fürs Schrittreiten bei frostigen Temperaturen hat sie einen Tipp für den Reiter: „Man muss die Decke nicht zwingend unter dem Sattelblatt entlanglaufen lassen, sondern kann sie über die eigenen Beine legen und verschließt sie vor dem Bauch. So bleiben die Beine schön warm.“

Der Artikel ist in der Januarausgabe 2017 der Reiter Revue International erschienen.