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Was bringen Vorderzeug, Schweifriemen und Vorgurt?

Damit nichts rutscht, hat bei Spring- und Vielseitigkeitsreitern das Vorderzeug seinen festen Platz am Sattel. Doch wann brauchen Sie das Zubehör wirklich? Und warum sind Schweifriemen und Vorgurt so gut wie aus der Sattelkammer verschwunden?

Das Vorderzeug wird am Sattel befestigt, um ihn in Position zu halten.

Jagdreiter galoppieren selten ohne und Vielseitigkeitsreiter schnallen es so gut wie immer an den Sattel. Warum? Das Vorderzeug sichert die Sattelposition beim Reiten im hohen Tempo oder über hügeliges Gelände. Sattler und Ausbilder Desmond O’Brien aus Borgholzhausen erklärt, dass man die Verwendung von Vorderzeug und anderen Hilfsgurten dennoch hinterfragen sollte. „Früher waren Pferde nicht so duchgezüchtet wie jetzt. Die Sattelpassformen, die es heute gibt, gab es nicht. Man musste nehmen, was da war.“

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Heute haben die Pferde oft eine gute Sattellage, viele Sättel werden maßangepasst. Daraus schlussfolgert der Experte, dass das Vorderzeug nur dann zum Einsatz kommen solle, wenn der korrekt angepasste Sattel wirklich nach hinten zu rutschen drohe. „Wenn man in einer Vielseitigkeitsprüfung unterwegs ist, verliert das Pferd an Volumen“, erläutert O‘Brien den Sinn. „Das Pferd atmet heftig und schwitzt. Ein Nachgurten im Galopp ist unmöglich, also wird ein Vorderzeug an den Sattel geschnallt.“

Doch die Sattelposition kann sich neben dem Geländereiten ebenso beim Springreiten verändern, wenn beispielsweise hohe Hindernisse überwunden werden. Springreiterin Janne Friederike Meyer-Zimmermann hatte bei ihrem ehemaligen Top-Pferd Lambrasco genau dieses Problem: „Lambrasco hatte wenig Widerrist, eine verhältnismäßig kräftige Schulter und einen kleinen Kugelbauch, sodass der Sattel, trotz Maßanfertigung, in der Bewegung immer etwas nach hinten gerutscht ist. Das Vorderzeug mit der breiten Auflagefläche hat den Sattel optimal in Position gehalten, ohne die Bewegungsfreiheit einzuschränken oder den Brustbereich einzuschnüren“, erklärt Meyer-Zimmermann.

Bei ihrem ehemaligen Top-Pferd Lambrasco konnte Springreiterin Janne-Friederike Meyer-Zimmermann nicht aufs Vorderzeug verzichten.

Schickes Zubehör

Ihre Springreiter-Kollegin und mehrfache Bundeschampionatsteilnehmerin Eva Deimel hält das Verwenden des Vorderzeuges in den unteren Klassen jedoch eindeutig für eine Modeerscheinung. „Gerade die Jugendlichen möchten richtig ausgerüstet sein und finden das Vorderzeug einfach schick. Bei einem gut liegenden Sattel ist es aber in der Regel nicht nötig“, sagt Deimel, die selbst in schweren Springprüfungen eher zum klassischen Martingal greift. „Nur wenn der Sattel aufgrund der schlechten Sattellage oder des schwachen Widerrists rutscht, würde ich ein Vorderzeug verwenden. Dabei bevorzuge ich eindeutig die Modelle, die im oberen Bereich des Sattels befestigt werden.“ Sattler Desmond O’Brien, der lange Jahre als Sattlermeister an der Spanischen Hofreitschule tätig war, vertritt sogar die Ansicht, dass das Vorderzeug in einer A- oder L-Prüfung schlichtweg „nicht notwendig“ ist.

Wer dennoch ein Vorderzeug verwendet, sollte unbedingt auf die korrekte Verschnallung achten. Denn liegt es zu locker, hat es überhaupt keine Wirkung, und der Sattel rutscht samt Vorderzeug zurück. Zu eng sollte es auch nicht liegen, sonst wird der Brustkorb bei der Atmung gehindert. „Wenn man unter das Vorderzeug am Brustbein greift, dann sollte noch eine Handbreit, also vier aufgestellte Finger, Platz sein“, rät Desmond O’Brien. „Die Gabel des Vorderzeugs liegt eigentlich auf dem Schulterblatt auf. Wenn es dort zu eng verschnallt ist, kann das Pferd sich nicht richtig bewegen.“

"Gerade Jugendliche finden das Vorderzeug einfach schick. Bei einem gut liegenden Sattel ist es aber in der Regel nicht nötig." Eva Deimel

Werde das Zubehörteil mit einer Martingalgabel verwendet, könne es jedoch durchaus einen Vorteil gegenüber dem klassischen Martingal bieten, meint Pferdewirtschaftsmeister Dirk Meier, ehemals Leiter der Landesreitschule in Hoya. „Die Vorderzeuge mit Martingalfunktion werden sehr gerne von Springreitern genutzt, weil bei ihnen im Gegensatz zum Martingal nicht so schnell etwas verrutschen kann. Die Riemen liegen eng am Pferd. So kann es sich bei hohem Tempo nicht so leicht in die Verschnallung greifen“, erklärt der Experte.

So verschnallen Sie das Vorderzeug richtig:
1. Das Vorderzeug je nach Modell erst mit seinen Karabinern oder Lederschnallen am Vorderzwiesel oder an den Gurtstrupfen des Sattels befestigen.
2. Im Anschluss den Sattelgurt durch die Schlaufe des Vorderzeugs führen.
3. Manche Vorderzeug-Modelle besitzen auch einen Karabinerhaken mit dem das Vorderzeug an einem Metallring des Sattelgurts eingehakt wird. Aber auch „Leder-Adapter“ mit Verschluss und Schlaufe gibt es.
4. Nach dem Trensen die Zügel von unten nach oben durch die Martingalringe führen. Wichtig: die sogenannten Martingalschieber möglichst weit Richtung Trensengebiss schieben! So können die Martingalringe gefahrlos über die Zügel gleiten.
5. Die Martingalgabel sollte so lang verschnallen, dass die gedachte Linie Ellbogen-Handrücken-Zügel eine Gerade bildet. Die Martingalringe sollten dabei die Kehle des Pferdes im Stand berühren können.

Selbst wenn der Reiter das Vorderzeug mit Martingal verwendet, sollte er auch die Wirkung des Martingals hinterfragen. Es zählt zu den Hilfszügeln, die das Pferd daran hindern sollen sich aus der Anlehnung herauszuheben. „Es ist ein bisschen wie mit der Unterlegtrense und der Kandare“, vergleicht O’Brien. „Beide Gebisse muss man unabhängig voneinander verwenden.“ Übertragen auf das Vorderzeug bedeutet es, dass ein Zubehör, das nicht unbedingt benötigt wird, mit einem Hilfszügel kombiniert wird. Hilfreich: Bei neuen Modellen lässt sich die Martingalgabel abnehmen.

Schnallen-Kontrolle

Der Markt bietet zudem unterschiedliche Verschnallungsarten für den Sattel. Das Vorderzeug kann mit Karabinerverschlüssen oder Lederriemen an den kleinen Metallringen, die für den Anfassriemen vorgesehen sind, am Sattel sowie am Sattelgurt befestigt werden. Pferdewirtschaftsmeister Dirk Meier bevorzugt vor allem Modelle ohne oder mit wenigen Metall-Schließen. „Wenn die Karabiner zu leicht, oder aus einem schwachen Material sind, kann sich im Einzelfall die Verschnallung lösen. Deshalb sollten die Beschläge regelmäßig kontrolliert werden.“ Gefährlich wird es, wenn sich im Parcours ungewollt das Vorderzeug löst.

Generell muss die Wahl der Verschnallung auch auf den Gurt abgestimmt werden. Wenn der Gurt schmal und gerade ist, sollte eine Lederschlaufe verwendet werden. Wenn ein geschweifter Gurt oder einer mit Stollenschutz verwendet wird, sollte das Vorderzeug mit einem Hakenverschluss am Ring des Sattelgurts verschnallt werden.

Die Martingalgabel ist an vielen Vorderzeugen befestigt. Es handelt sich dabei um einen Hilfszügel, den man nur verwenden sollte, wenn man ihn braucht.

Ein zusätzlicher Riemen über dem Widerrist soll den Druck bei Tief- und Aufsprüngen verringern. Doch auch hier ist Fachwissen gefragt. „Riemen dürfen nicht auf den Widerrist drücken. Denn hier liegt das empfindliche Nackenband, auf das keinen Druck ausgeübt werden sollte“, so der Rat von Desmond O’Brien. Deshalb sollte ein Sattler oder Ausbilder an diesen empfindlichen Schmerzpunkten unbedingt kontrollieren. Zusätzliche Lammfellunterlagen an der Schulter vergrößern die Auflagefläche des Vorderzeugs, was in der Vielseitigkeit durchaus sinnvoll ist. Wenn das Pferd darunter schwitzt, muss auch dieses Unterlegmaterial immer kontrolliert und regelmäßig gesäubert werden. Die Salzkristalle, die sich im Schweiß bilden und ins Lammfell ziehen, können schnell wie Sand auf dem Fell scheuern.

Sattler und Reiter sind sich einig, eher Vorderzeug-Modelle ohne Elastikeinsatz zu wählen. Denn alles was sich dehnt, kann auch nach einer Weile ausleihern. Das wiederum bringt den Sattel wieder ins Rutschen. Besser sind Modelle, die mit einer größeren Auflagefläche ausgestattet sind und an ein Brustblatt-Geschirr erinnern.

Manche Gurte haben einen Metallring, in den das Vorderzeug eingehakt werden kann.

Und wenn der Sattel statt nach hinten nach vorne zu rutschen droht? Von Schweifriemen hält Sattler Desmond O’Brien überhaupt nichts davon, weil der Schweifriemen unter der Schwanzwirbelsäule verläuft, die empfindliches Rückenmark enthält. „Es kann zu Irritationen, Schmerz und Blockaden kommen. Pferde können sogar taktunrein gehen“, zählt O’Brien die Gefahren dieser Zubehör-Variante auf. „Früher sollten Pferde edel aussehen wie der Araber. Und der Araber trägt seinen Schweif hoch. Damit die Warmblutpferde edler erscheinen, verpasste man ihnen einen Schweifriemen.“ Heute noch wird an der Spanischen Hofreitschule in Wien der Schweifriemen verwendet – allerdings nur zur reinen Dekoration. Eine aufgestellte Hand sollte zwischen Kruppe und Riemen Platz finden.

Stephanie Schulze-Rieping, die in Ahlen einen Schulbetrieb führt, findet den Schweifriemen jedoch bei kleinen Ponys mit schwieriger Sattellage praktisch. „Gerade im Schulpferdebereich muss man oft auf ältere Sättel zurückgreifen. Und bevor die Kinder auf der Schulter der Ponys sitzen, garantiert ein Schweifriemen eine gute Lage des Sattels.“ Wichtig ist, dass der Schweifriemen in dem Teil, der unter der Schweifrübe verläuft, der sogenannten Metze, gut gepolstert ist.

Zeit des Vorgurt vorbei

Wie der Schweifriemen ist auch der Vorgurt fast vom Markt verschwunden, stellt Ausbilder Dirk Meier fest. „Vermutlich liegt auch das daran, dass die Sättel immer besser passen und die Zucht sich verändert hat.“ Der Vorgurt soll ein Vorrutschen des Sattels verhindern. Damit er seine Funktion erfüllt, muss er ganz fest verschnallt werden. Dabei kann er auf die Knorpelkappe des Schulterblattes drücken und beeinträchtigt außerdem die Atmung. „Beim Atmen bewegt sich der Brustkorb. Wenn der durch den Vorgurt gehemmt wird, bekommt das Pferd zu wenig Sauerstoff“, erläutert O’Brien die Gefahren.

Die beste Pflege
Das Leder-Vorderzeug sollte regelmäßig mit Wasser und Sattelseife gereinigt werden. Und der Elastikteil? „Ich habe auch schon mal ein Vorderzeug in die Waschmaschine gesteckt“, sagt Ausbilder Dirk Meier. „Den Waschgang hat es mühelos überstanden, aber für das Leder ist so etwas nicht so gut.“ Also doch besser mit Wasser und Seife!

Generell ist das Gurten mit dem Anlegen eines Gürtels zu vergleichen. Der Gürtel muss nur so fest verschnallt werden, dass die Hose nicht rutscht. Solange der Sattel nicht rutscht und fachmännisch angepasst ist, ist kein spezielles Zubehör nötig. Oder wie Springreiterin Eva Deimel sagt: „Je weniger Leder ich am Pferd habe, desto angenehmer ist es für das Tier.“

Dieser Artikel ist erstmals erschienen in Reiter Revue 3/2015.