Sie sagen, ein unpassender Sattel ist bei einem Jungpferd vergleichbar mit zu kleinen Schuhen für Kinder. Erleben Sie es in der Praxis häufig, dass für Jungpferde einfach irgendein Sattel benutzt wird?

Katrin Obst: Ich sehe es wöchentlich. Kunden sagen: „Wir nehmen noch was, das wir hier rumliegen haben. Da brauchen wir noch kein Geld investieren, das muss doch bei einem Jungpferd noch nicht so perfekt sein.“ Ein schwerwiegender Trugschluss. Bei sehr bewegungsstarken Pferden, die mit einem schlecht sitzenden Sattel geritten werden, verändert sich innerhalb von wenigen Monaten das Gangbild. Sie verlieren ihre Bewegungsfreude und ihre Bewegungsqualität in der Vorhand bei einem zu engen Sattel, da der hintere Rand des Schulterblatts beim Vorführen des Vorderbeins an das Kopfeisen stößt. Das schmerzt. Sie lernen, dass es weniger weh tut, wenn sie mit weniger Raumgriff gehen. Die Folge ist ein verspannter Rücken und eine inaktive Hinterhand.

Handelt es sich um bleibende Veränderungen?

Katrin Obst: Durch Physiotherapie und die korrekte Anpassung des Sattels ist es im optimalen Fall zu beheben. Aber geschädigtes Gewebe, wie Muskulatur, Faszien und Knochen, kann natürlich auch dauerhaft geschädigt werden. Gerade einem jungen Pferd kann man durch den falschen Sattel die Freude am Reiten nehmen. Es verbindet Reiten dann mit Schmerzen. Das will doch niemand!

Viele glauben, dass das Pferd Abwehrreaktionen zeigt, wenn der Sattel nicht passt. Falsch, oder?

Katrin Obst: Ja, die Pferde bewegen sich zunächst anders: weniger raumgreifend, steifer. Die Muskulatur verspannt sich. Abwehrreaktionen kommen erst viel später. Und noch etwas ist mir wichtig: Kein Pferd sollte Schmerzen durch den Sattel haben, dem jungen Pferd nehme ich zusätzlich die Lust an der Zusammenarbeit.

Unsere Expertin: Katrin Obst

Katrin Obst ist Physiotherapeutin für Pferde und Buchautorin. Seit mehr als 18 Jahren sorgt sie unter dem Motto „Fit mit Obst“ für gesündere Pferde. www.katrinobst.de