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Die Entwicklungsphasen des Pferdes

Werd' du erst mal erwachsen

Nicht verzweifeln. Manche Tiefs beim Reiten sind normal. Denn auch Pferde kommen in die Pubertät, probieren aus und sind gelegentlich mit sich und der Welt überfordert. Ein Blick auf die Entwicklungsphasen zeigt, wann der Reiter was zu erwarten hat.

Gut trainiert und voll im Einsatz: Wie das Pferd trainiert werden kann, hängt vom Alter ab.

0 bis 3 Jahre: Im Kindergarten ...

... sollten sich die Menschen noch gar nicht allzu sehr einmischen. „Fohlen brauchen zwar eine Grunderziehung, aber den Großteil davon übernimmt die Herde“, sagt Susanne Miesner. Sie macht damit zwei Dinge deutlich. Erstens: Ein Fohlen gehört in eine Herde und sollte mit Gleichaltrigen spielen und Kräfte messen können. „So lernt es von den Herdenmitgliedern und allen voran von der Mutter ein entsprechendes Sozialverhalten und lässt sich später besser mit fremden Pferden sozialisieren“, erklärt die Pferdewirtschaftsmeisterin aus Warendorf. Auch als Jährling oder Zweijähriger bleibt das Tier im Herdenverband. In den ersten Lebensjahren ist für ein Pferd lediglich wichtig, zu lernen, sich streicheln, halftern und führen zu lassen und die Hufe zu geben. „Bodenarbeit oder dergleichen ist in diesem Alter noch unnötig“, sagt Miesner klar. Junge Pferde wollen sich austoben und miteinander toben. Da stört der Mensch eher und fordert negative Verhaltensmuster manchmal sogar heraus, wenn die aufmüpfigen Jungtiere ihn als Spielkameraden sehen.

3 bis 7 Jahre: Von der Grundschule ins Teenageralter ...

... sind es wahrlich aufregende Jahre. Denn in dieser Zeit wird das Jungpferd zum Reitpferd geformt. Eine lange Phase, in der manch ein Reiter immer mal wieder verzweifelt. Dann, wenn er sich beispielsweise ein vierjähriges, als brav angepriesenes Pferd kauft und nach einiger Zeit feststellt, dass es doch den Schalk im Nacken hat. In gewisser Weise normal. Pferde in dieser Altersspanne verlangen vom Reiter vor allem eines: Konsequenz, gepaart mit Geduld. „Wann man mit einem Pferd mit dem Anreiten beginnt, hängt ganz individuell von seiner Entwicklung ab“, macht Miesner deutlich. Dabei spielt vordergründig der Körperbau eine Rolle, denn in der Anfangszeit, also mit drei bis vier Jahren, stehen Pferde generell noch stark im Wachstum. „Viele gewöhnt man dreijährig an Ausrüstung sowie Reiter und schickt sie dann noch einmal zurück ins Herdenleben auf der Weide“, berichtet Miesner aus Erfahrung. Der Hintergrund: Ihre Körper sind noch so unausgereift, dass sie noch nicht in der Lage sind, sich unter dem Reiter auszubalancieren. Davon, Pferde generell erst später anzureiten, rät Miesner allerdings aus gutem Grund ab: „Je älter sie werden, desto kräftiger und auch dominanter werden sie. Wenn sie die Grundlage schon früh spielerisch gelernt haben, fällt es ihnen später deutlich leichter.“ Mit etwa fünf bis sieben Jahren steckt das Pferd mitten in der Pubertät. Es testet seine Grenzen, allerdings im Rahmen seines ganz natürlichen Instinktverhaltens. „Der Reiter darf das Pferd auf keinen Fall vermenschlichen. Man kann mit einem Pferd nicht diskutieren. Es ist ein Herdentier und fühlt sich dann wohl, wenn es klare Grenzen gesetzt bekommt. Häufig verhätscheln die Reiter ihre Pferde und geben ihnen zu wenig Stabilität. Das beginnt schon mit dem Scharren beim Putzen. Das muss klar und deutlich, aber gleichzeitig auch ruhig unterbunden werden“, mahnt Miesner. Gleiches gelte für das Reiten. Bleibt der Reiter im Sattel zu passiv, übernimmt das Pferd die Führung. Und daraus resultieren gerade bei jungen Pferden häufig rasante Durchstart-Eskapaden, sobald ein Vogel aufflattert, die mit etwas Voraussicht und frühzeitiger Einwirkung hätten verhindert werden können. „Man fühlt sich auch als Mensch wohler, wenn man gewisse Grenzen kennt“, sagt die Expertin. „Es ist die große Aufgabe eines Reiters, zu erfühlen, wie viel Grenze das Pferd braucht. Da gibt es kein Patentrezept.“Nichtsdestotrotz kommt es in den Jahren, in denen das Pferd noch wenig Erfahrung unter dem Reiter hat, schneller zu Missverständnissen. „Wichtig ist, sich immer darüber im Klaren zu sein, dass das junge Pferd nicht alles sofort versteht und man auch mal Umwege gehen muss, um dem Pferd zu helfen“, erklärt Miesner. Dazu gehört, sich bewusst zu machen, wozu das Pferd körperlich überhaupt schon in der Lage ist. Dennoch rät sie, die Anforderung ruhig so zu steigern, wie es für das Pferd lösbar erscheint. „Es darf nicht verkrampfen, aber viele Pferde sind sehr lernwillig und auch unterfordert, wenn man nichts Neues ausprobiert. Man muss nur aufpassen, dass man das Pferd nicht verunsichert.“Im Alter zwischen drei und fünf Jahren verlieren die Pferde ihre Milchzähne. „Das sollte man ebenso immer wieder kontrollieren, wie die passende Ausrüstung, denn auch muskulär verändern sich die Pferde in dieser Zeit sehr stark“, beschreibt Miesner. Körperlich voll entwickelt sind sie tatsächlich erst mit sechs bis sieben Jahren.

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7 bis 10 Jahre: „Erwachsen ...

... ist das Pferd, wenn es den Reiter wirklich tragen kann und die Hilfen annimmt“, beschreibt Susanne Miesner. Bis es so durchlässig ist, dass der Reiter sprichwörtlich nur denken muss und das Pferd reagiert, vergehen aber einige Jahre. Zwar sind viele Pferde bereits im Alter von sechs Jahren in Prüfungen der Klasse M unterwegs, aber ihre Entwicklung ist damit längst nicht abgeschlossen. „Die alten Meister haben die Pferde erst neun- und zehnjährig wirklich in den Sport gebracht“, erzählt Miesner. Auch die heutigen talentiertesten Nachwuchspferde sind frühestens siebenjährig auf S-Niveau zu sehen. Um dorthin zu kommen, gilt zwar immer langsam mit den jungen Pferden zu machen, aber gleichzeitig kontinuierlich. „Ich halte es für wichtig, dass man ein Pferd über mehrere Wochen konsequent arbeitet“, beschreibt Miesner ihr Trainingskonzept. „Man sollte ganz klar an einer Aufgabe dranbleiben und dann aktive Erholungsphasen einbauen, in denen das Pferd über ein bis zwei Wochen nur locker geritten wird.“ Das gilt auch schon in früheren Entwicklungsphasen.

ab 10 Jahre: Gereifte Persönlichkeiten ...

... brauchen Zeit, um sich zu entwickeln. Ist das Pferd seit sechs bis sieben Jahren in der Grundausbildung, ist es unter dem Sattel in der Regel gefestigt. Und: Nicht nur der Körperbau, sondern auch der Gesichtsausdruck des Pferdes hat sich im Laufe der Jahre verändert. Es wirkt insgesamt abgeklärter. „Wer sein Pferd auf seinem Ausbildungsweg begleitet hat, wird nun feststellen, dass er seine Persönlichkeit besser einschätzen kann“, gibt Susanne Miesner zu bedenken. Auch wenn in diesem Alter noch mal ein Bocksprung passiert, ist er für die meisten Reiter besser einschätzbar. In der Regel ist auch das Training mittlerweile in seinen Grundlagen stabil. Trotzdem kann es auch bei älteren Pferden immer mal zu Leistungstiefs kommen. „Wenn man gesundheitliche Probleme ausschließen kann, hilft es immer, zur Basis zurückzukehren, also die Ausbildungsskala systematisch zu erarbeiten“, rät die Pferdewirtschaftsmeisterin. „Auch durch gymnastizierendes Longieren, bei dem das Pferd seinen Rücken reell aufdehnt, lassen sich manche Verspannungen lösen, die ein Weiterkommen blockieren.“ Der Rücken des Pferdes sei der Dreh- und Angelpunkt der gesamten Reiterei. Er muss gut trainiert sein – egal in welchem Alter.