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So wichtig ist die Cool Down-Phase

„Trockenreiten“ hieß das Kommando früher in der Reitschule. Was manchem Reiter ein lästiges Übel ist, stärkt Gesundheit und Wohlbefinden des Pferdes. Das Cool Down nach der Arbeit ist nämlich genauso essentiell wie die Lösungsphase zu Beginn des Trainings.

Zum Cool Down kann auch ein entspannter Galopp gehören. Es muss nicht nur Schritt sein!

Ein tägliches Ritual: Vor der Lösungsphase zehn Minuten Schritt reiten, dann die Arbeitsphase einläuten und – meist mit wenigen Minuten stiefmütterlich abgespeist – am Ende des Trainings Trockenreiten. Was weitläufig dazu dient, das Pferd nur nicht schweißnass in den Stall zu bringen, ist viel wichtiger, als viele Reiter denken. Nicht umsonst wird im Humansport auf die Cool Down-Phase besonderes Augenmerk gelegt. In vielen Online-Lexika wird Cool Down, was so viel wie Abkühlen bedeutet, im Sport als Auslaufen am Ende einer Trainingseinheit beschrieben. Die Zeit, die der Körper benötigt, um den Kreislauf herunterzufahren. Übertragen auf das Pferd müsste also eigentlich das Trockenreiten der Lösungsphase gegenüberstehen und für ein ausgeglichenes Verhältnis deutlich über drei Runden Schritt am langen Zügel hinausgehen.

Das bestätigen auch die Pferdewirtschaftsmeister Ulrich Schichta und Julia Mestern. Schichta ist Leiter der Landeslehrstätte Pferdesport Weser-Ems in Vechta, Mestern betreibt im brandenburgischen Rohlsdorf einen Ausbildungsstall für Dressur- und Vielseitigkeitspferde.

„Das Cool Down ist die Entspannungsphase nach der Arbeitsphase. Das setzt aber voraus, dass das Pferd gelöst ist, und zwar auch noch nach der Arbeitsphase“, betont Schichta. Er beobachtet jedoch häufig Reiter, die innerhalb ihrer Trainingseinheit nicht ausreichend darauf achten, dass ihre Pferde auch während der Arbeitsphase losgelassen bleiben. „Dann dauert die Cool Down-Phase länger, um die Losgelassenheit wieder herzustellen.“ Sollte es zum Beispiel am Ende der Arbeitsphase zu Spannung gekommen sein, muss die lösende Arbeit noch einmal wiederholt werden. Das heißt für Schichta auch, dass sich die Arbeitsphase in diesem Fall strenggenommen verkürzt und über eine erneute Lösungsphase ins eigentliche Cool Down führt. Ein Pferd hingegen, das in der Arbeitsphase seine Losgelassenheit beibehält, entspannt sich zum Schluss schneller. „Hier kann ein kurzes Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen im Leichttraben genügen. Denn es gibt keine Spannung, die abgebaut werden muss.“

"Gut gemacht. Dankeschön", ein Lob tut immer gut, nicht nur zum Ende des Trainings.

Julia Mestern sieht im Cool Down nach einer Dressur- beziehungsweise Vielseitigkeitseinheit kleine Unterschiede. „Ein Dressurpferd wird in der Arbeitsphase in eine positive Spannung gebracht. Da ist es meiner Meinung nach notwendig, dass das Pferd anschließend noch einmal ganz zur Entspannung findet“, sagt die Profi-Reiterin. „Ich wasche es nach dem Reiten dann eher warm ab, während es nach einer Geländeeinheit sehr wichtig ist, das Pferd wieder vorsichtig herunterzukühlen. Da spritze ich relativ zügig nach dem Austraben die Beine kalt ab, bevor ich das Pferd ausgiebig Schritt führe.“

Einen großen Unterschied zwischen dem Cool Down nach einer Spring- oder Dressureinheit sieht Ulrich Schichta nicht, „aber ich beobachte schon, dass die Dressurreiter meist größeren Wert darauf legen, ihre Pferde nach der Arbeitsphase noch länger austraben zu lassen und Schritt zu reiten.“ Anders hingegen sieht er ebenfalls die Vielseitigkeitsreiter: „Die sind es von Hause aus gewohnt, das Pferd zum Beispiel nach der Geländestrecke auslaufen zu lassen. Ob im Trab oder sogar noch im ruhigen Galopp hängt ganz vom Pferd ab. Über einen längeren Zeitraum Schritt zu reiten und zu führen, gehört für sie ganz selbstverständlich dazu.“

Dieses genaue Einhalten der Cool Down-Phase macht auch aus medizinischer Sicht Sinn. Das sei in Studien bewiesen worden, erklärt Dr. Katja Shell, Internistin an der Pferdeklinik Leichlingen.

Wichtiger Lactat-Abbau

Aber warum wirkt sich das Cool Down deutlich spürbar auf das Pferd aus? „Was im Körper eines Pferdes in dieser Phase abläuft, der Metabolismus, hängt sehr vom Trainingszustand des Pferdes ab“, sagt Shell. Der Stoffwechsel im Körper entwickelt sich bei zunehmender Belastung vom aeroben, also Sauerstoff verbrauchenden, in den anaeroben Bereich, also die Energieumwandlung ohne Sauerstoff. Ob ein Stoffwechsel im aeroben oder anaeroben Bereich stattfindet, hängt von der Belastung ab. Die Grenze steigt mit der Qualität des Trainingszustandes. Um die Bedeutung des Cool Downs für einen Körper einschätzen zu können, reicht es zu wissen, dass in beiden Phasen Abfallprodukte entstehen: Im aeroben Bereich ist das CO2, also Kohlenstoffdioxid. Im anaeroben Bereich, bei höherer Belastung, ist das Lactat. Beide Abfallproduke führen bei intensivem Training zu einer Übersäuerung, also der Senkung des pH-Wertes. „Während die Übersäuerung durch CO2 relativ schnell über die Atmung gelöst werden kann – meist in wenigen Minuten nach der Belastung – kann die Übersäuerung durch Lactat erst circa 30 bis 60 Minuten nach der Arbeit beseitigt werden“, sagt Katja Shell. „Die Übersäuerung der Muskulatur kann zur Schädigung der Muskelzellen führen.“

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Es sei bewiesen, dass Lactat deutlich besser in leichter Bewegung abgebaut werde, betont die Tierärztin. Das lasse sich sogar in Zahlen darstellen. Eine Studie hat ergeben, dass bei Pferden, die nach einer hohen Belastung auf einem Laufband in leichter Bewegung gehalten wurden, eine zu 50 Prozent geringere Halbwertzeit des Lactats nachgewiesen wurde, als bei Pferden, die nach der Arbeit gar nicht bewegt wurden.

Die Pferde verstoffwechselten das Abfallprodukt deutlich schneller. „Der Muskel kann Lactat wieder als Energiequelle nutzen“, macht Shell deutlich. „Bleibt das Pferd in Bewegung, verbraucht es sozusagen das Abfallprodukt.“ Das Ergebnis ist eine deutlich schnellere Erholung. Außerdem steige der Lactatwert im Körper mit der Herzfrequenz an. Ein gut trainiertes Pferd komme somit später in den anaeroben Bereich, erklärt die Expertin. „Der Stoffwechsel produziert deutlich später Lactat und muss auch meist weniger davon abbauen.“

Wie beim Menschen gibt es auch beim Pferd unterschiedliche Typen: Die einen Schwitzen mehr, ihre Atmung beruhigt sich aber schneller. Die anderen schwitzen wenig, pumpen aber länger durch. Wichtig sei es, bei Pferden, die viel und lange schwitzen, dafür zu sorgen, dass sie über die Fütterung ihren Elektrolytausgleich bekämen und – aber das ist für jedes Pferd ein Muss – ausreichend Wasser bekommen.

Starkes Schwitzen alarmierend

Beruhigen sich Puls und Atmung nicht allerspätestens nach maximal 30 Minuten wieder, ist das alarmierend. „Das kann natürlich an einem sehr schlechten Fitnesszustand des Pferdes liegen, aber hier können auch gesundheitliche Probleme vorliegen“, sagt Shell. Dazu zählen zum Beispiel Blutarmut, Dehydrierung, wenn das Pferd zu wenig getrunken hat, aber auch Atemwegserkrankung oder ein Herz-Kreislaufproblem. „Häufig ist es auch so, dass Pferde mit erhöhtem Puls und Atmung auf Schmerzen reagieren, auch wenn sie vielleicht noch nicht lahm sind. Das ist nicht zu unterschätzen“, mahnt die Tierärztin.

Eine Erfahrung, die auch Ulrich Schichta gemacht hat: „Wenn Pferde stark schwitzen, ist das meist eher innerer Aufregung zuzuordnen. Diese Pferde sind oft psychisch und physisch überfordert.“ Auch zu viel Körpermasse erschwert es dem Pferd, nach getaner Arbeit wieder zügig bei Puls und Atmung in den Normbereich zu kommen. „Das hören Pferdehalter natürlich nicht so gerne“, gibt Shell zu. „Aber zu dicke Pferde haben es damit schwerer.“ Eher selten seien hingegen physiologische Gründe, , wie ein zu kleines Herz, der Grund für die verlangsamte Regeneration.

Ziel eines Cool Downs ist es aber auch, dass Pferd und Reiter wieder geistig zur Ruhe kommen. Laut Definition sollte diese Phase ganzheitliche Bewegung sein, viel Dehnung beinhalten, jedoch möglichst wenig schwunghafte Bewegung erfordern. Außerdem endet sie nicht automatisch mit dem Absitzen. „Dazu gehören durchaus auch noch Massagen oder das Abwaschen und Trockenreiben – beides hat ebenfalls einen guten Einfluss“, sagt Shell. Wichtig sei, dass das Pferd wieder in die Entspannung finde. So losgelassen, wie am Anfang jeden Reitens.

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