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Fragen aus dem Reiterleben

Sind mutige Reiter wirklich 
die besseren Reiter?

Diese Frage stellte sich Sarah Schnieder, Redaktionsleiterin der Reiter Revue. Sie sieht die mutigen Reiter nicht unbedingt im Vorteil. Denn Mut ist nicht gleich Souveränität. Und das ist 
es, was Pferden 
Sicherheit gibt.

Geländehindernis? Kein Problem! Mutige Reiter scheint nichts aus der Fassung zu bringen. Aber sind sie deshalb die besseren Reiter?

Sind Sie Mister Mut im Sattel oder eher der Angsthase? Vorsicht. Die Antwort könnte bei Ihren Stallkameraden schnell ein klares Schubladen-Denken einleiten. Denn unausgesprochen gilt landauf, landab die Formel: Mutiger Reiter = guter Reiter, ängstlicher Reiter = schlechter Reiter. Also, überlegen Sie sich genau, was Sie sagen.

Angst entspringt aus dem Überlebenssinn des Menschen. Denn dort, wo Angst entsteht, gibt es eine Gefahr. Wie auch immer diese aussehen mag. Betrachten wir unser Pferd einmal neutral und schalten für einen Moment die positiven Emotionen ab, springt uns durchaus ins Auge, wo diese Gefahr lauert: 600 Kilogramm pure Energie, die getrieben von einem intensiven Fluchtinstinkt von jetzt auf gleich in Panik verfällt und sich und anderen Lebewesen damit durchaus Schaden zufügen kann. Außerdem, so hat vor einigen Jahren der amerikanische Wissenschaftler Christopher K. Hsee erklärt, sei es beim Menschen angeboren, sich vor Tieren, anderen Menschen und Objekten in Acht zu nehmen, die ihm näher kommen.

Die Rubrik "Fragen aus dem Reiterleben" beschäftigt sich mit Themen, die uns Reiter bewegen. Manche Fragen stellen wir uns bewusst, andere durchkreuzen hin und wieder unsere Gedanken, bleiben aber schlicht unbeantwortet. Ab sofort sprechen wir sie in jedem Heft der Reiter Revue an. Diesen Text finden Sie in der Mai-Ausgabe, die Sie hier versandkostenfrei bestellen können.

Wer ehrlich zu sich selbst ist, nimmt diese Gefahr durchaus wahr, obwohl er gerne mit Pferden zusammen ist und mit Freude reitet. Das kann auch der erfahrenste Profi nicht leugnen. Das wird er auch nicht. Denn das Bewusstsein um diese Gefahr bringt ihn dazu, Situationen schon früh einzuschätzen und im besten Fall zu deeskalieren. Solange er Herr der Lage ist, ist Angst überflüssig. Und damit schließt sich der Kreis.

Nun gibt es aber auch diejenigen unter den Reitern, die grundsätzlich weder das buckelnde Pferd noch das hohe Hindernis fürchten, unabhängig von ihrer Erfahrung und dem Einschätzungsvermögen der Situation. Sie reiten auf fremden Pferden ohne Zaudern ins Gelände, sind immer die ersten, die in den Sattel eines jungen Pferdes steigen und vergessen auch gerne den Reithelm im Sattelschrank. Dies gilt selbstverständlich nicht für alle, aber jeder kennt diese Spezies, die von vielen als wahre Reiter gefeiert werden, weil sie sich scheinbar vor nichts fürchten. Ob sie dies sind, hängt allerdings von einem ganz anderen Faktor ab: Nämlich, ob sie in der jeweiligen Situation tatsächlich das Beste für das Pferd wollen und geben können. Und gar nicht so selten ist der augenscheinliche Mut nur ein Mantel eigentlicher Unsicherheit, die mit übertriebener Einwirkung kompensiert wird. Stark, denken viele. Einfach, weil das rigorose Durchgreifen dies suggeriert, während ein Reiter, der aufgrund seiner Angst im Sattel erstarrt, jedem damit deutlich zeigt, dass er die Kontrolle verloren hat. Weder das eine noch das andere ist gut für das Pferd.

Gutes Reiten ist letztendlich tatsächlich eine Frage von Mut. Ein mutiger Reiter ist allerdings vielmehr der, der seine eigenen Fähigkeiten richtig einschätzt, der sich traut, seine Schwächen zuzugeben und der Wege findet, seine Unsicherheit in Sicherheit zu verwandeln.

Ich bin übrigens definitiv ein ängstlicher Reiter, der auf jedem fremden Pferd anfangs nur halbherzige Hilfen gibt. Solange, bis ich dem Tier und mir selbst vertraue. Die ersten Runden sind deshalb für Außenstehende meistens wenig überzeugend. Na und? Ich hab' Zeit – und die Pferde auch.