Leseprobe: Zu viel des Guten
Problem: überkonzentriert reiten
Diesmal wollte man seine Sache im Sattel besonders gut machen – die Prüfung seines Lebens reiten, die Stilnote im Parcours auf ein neues Level heben – und plötzlich weiß man nicht einmal mehr, welche Lektion als nächstes gefordert ist oder wo es zum nächsten Hindernis geht. Der klassische Blackout. Das Gehirn quittiert seinen Dienst, weil es überfordert ist. Mit zu vielen Dingen, auf die der Reiter sich gleichzeitig konzentrieren möchte. Gründe für Überkonzentration gibt es viele – aber es gibt auch mindestens so viele Auswege.
In solchen Momenten rät sie ihren Schülern, „in den Kopf hineinzuparieren“. Was ein bisschen kryptisch klingt, erklärt sie folgendermaßen: „Dabei versucht man über das Eindrehen der Faust, über den Zügel, über das Gebiss und das Maul ins Gehirn des Pferdes hineinzukommen und eine Verbindung aufzubauen. Sodass man sich in dem Moment nur darauf konzentriert, mit dem Pferd eine Einheit zu sein.“ Damit ist keine alleinige Handeinwirkung gemeint. Die Verbindung zum Pferdemaul bleibt natürlich immer flexibel. Vielmehr soll der Reiter sich voll und ganz auf seine Parade und die Wirkung seiner Hilfen auf das Pferd konzentrieren.
Eine äußerst hilfreiche Methode, um auch vermeintliche Störfaktoren außerhalb des Vierecks oder der Bahn auszublenden – beispielsweise Zuschauer an der Bande, versichert Abbelen.Das Phänomen der Überkonzentration bemerkt auch Dressurreiterin Anna-Christina Abbelen häufig bei ihren Reitschülern. „Das passiert oft bei Reitern, die unfassbar perfektionistisch sind. Entweder, weil sie zu viel Respekt vor ihrem Trainer haben oder weil sie zu hohe Erwartungen an sich selbst haben“, sagt sie. Nicht immer muss es zum Blackout kommen. „Meist reiten die Schüler dann nur noch mechanisch, aber ohne Gefühl“, schildert sie ihre Beobachtungen und fügt hinzu: „Klar braucht es eine Technik fürs Reiten, aber ohne Gefühl geht’s nicht.“
Niemand ist perfekt
Für die 24-jährige Dressurreiterin liegt der Ursprung der Überkonzentration jedoch nicht nur im Perfektionismus, sondern resultiert häufig auch aus einer Unsicherheit des Reiters. „Wir konzentrieren uns ja nur dann besonders stark, wenn uns etwas schwerfällt“, schildert sie. Fürs Turnier gilt daher: eine gute Vorbereitung ist die halbe Miete. „Wenn der Reiter weiß, dass er etwas kann, wird er gelassener.“ Kommt irgendwann Routine hinzu, wird die Sicherheit noch größer. Außerdem rät sie jedem, sich der eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu sein. „Man darf seine Schwächen nicht negativ sehen“, findet sie. „Man muss nur auf der anderen Seite auch schauen, was man gut kann und wie man an seinen Schwächen arbeiten kann. So bringt man sich wieder in Balance.“
Mentalcoach Angelika Wirzberger arbeitet mit vielen Reitern zusammen und schildert ihre Erfahrung: „Oft haben die Reiter ein Problem damit, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Sie wollen zu viel gleichzeitig machen. Den meisten ist aber nicht bewusst, dass wir uns maximal auf zwei bis drei Punkte gleichzeitig konzentrieren können.“ Dass ein Reiter dennoch mehrere Dinge parallel ausführen kann, liegt einzig und allein daran, dass beispielsweise die halbe Parade oder der gerade Sitz im Unterbewusstsein automatisiert sind, sodass er nicht mehr großartig darüber nachdenken muss. „Viele Reiter vertrauen sich aber selbst nicht und auch nicht ihren Fähigkeiten. Besonders im Wettkampf meinen sie, an alles denken zu müssen“, formuliert Wirzberger.
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Kreative Parcours-Gymnastik
Springgymnastik ist ein wertvoller Bestandteil des Trainings – auch für Dressur- und Freizeitpferde. Wie Sie diese Gymnastik aber noch wertvoller gestalten können, nämlich durch einen logischen Aufbau und raffinierte Linienführung, verrät Trainer und Buchautor Michael Fischer in unserer September-Ausgabe.
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