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Besser sitzen

Die Kopfhaltung beim Reiten verbessern

Die richtige Kopfhaltung ist die halbe Miete eines guten Sitzes. In der Reitstunde heißt es häufig „Kopf hoch“! Was damit gemeint ist, und wie Sie Ihre Kopfhaltung verbessern.

Die korrekte Kopfhaltung ist die Basis für einen ausbalancierten Reitersitz.

„Einfach natürlich. Ausbalanciert über dem Körper“, charakterisiert Ausbilderin Susanne von Dietze die korrekte Kopfhaltung beim Reiten. Klingt theoretisch ganz einfach. Praktisch sieht es auf den Reitplätzen häufig anders aus: Viele schauen auf das Pferd, halten ihren Kopf schief, überdrehen ihn beim Abwenden oder halten ihn starr. Alles weder schön anzusehen, noch im Sinne des Pferdes. Denn die Kopfhaltung beeinflusst sehr stark den Sitz und damit auch die Hilfengebung des Reiters. Der Oberkörper des Reiters ist nämlich mit einer Stange auf dem Pferderücken zu vergleichen. Ist das Ende dieser Stange, also der Kopf, nicht in der Balance, kann es weder die Stange noch der Pferdekörper sein.

Dressurausbilderin Corinna Lehmann gibt ein Beispiel, wie der Reiterkopf das Pferd beeinflusst: „Wer den Kopf senkt und auf das Pferd schaut, kann sein Brustbein nicht anheben, vielmehr fällt es nach hinten. Der Reiter sitzt dann mit rundem Rücken auf dem Pferd, was wiederum dazu führt, dass der Reiter mit der Mittelpositur bremsend einwirkt.“ Der Kopf ist also nur die Spitze des Eisbergs, er kann nicht separat betrachtet werden.

Andererseits dienen die Extremitäten, zu denen neben Armen und Beinen auch der Kopf gehört, häufig dazu, eine verschobene Grundposition des Reiters auszugleichen. „Sitzt der Reiter leicht nach links versetzt, versucht er durch einen nach rechts geneigten Kopf wieder in Balance zu gelangen“, erklärt Corinna Lehmann. Demnach ist die Kopfhaltung wiederum manchmal gar nicht der Casus knacksus, sondern nur die Stelle, an der das Problem sichtbar wird. „Wenn Sie einen Bleistift auf Ihrer Fingerspitze balancieren, sehen Sie eine Disbalance besonders gut an der Bleistiftspitze. So ist es mit dem Reiterkopf auch“, verbildlicht Susanne von Dietze die Zusammenhänge von Wirbelsäule und Kopf. Kurz gesagt, ist der menschliche Körper ein zusammenhängendes System, bei dem sich alle Teile gegenseitig beeinflussen. „Das System kann an verschiedenen Stellen aus der Balance geraten. Ich kann es aber auch überall beeinflussen, sodass ich durch die Korrektur der Kopfposition das Schwingen in der Mittelpositur verbessern kann“, erklärt von Dietze.Aber warum gerade am Kopf? Ganz klar, dort sitzen die Augen. „Und wo immer wir auch hinschauen, aktiviert unser Körper genau die Muskulatur, die uns dorthin bringt“, erklärt Susanne von Dietze. Bei einem einfachen Selbstversuch wird schnell deutlich, wie anstrengend es ist, in die eine Richtung den Kopf zu drehen und in die entgegengesetzte Richtung mit den Augen zu schauen. Probieren Sie es aus! „Das ist einfach widernatürlich. Bei einem Kind dreht sich anfangs der ganze Körper, wenn es die Blickrichtung wechseln will“, so die gelernte Krankengymnastin.

Blick in Bewegungsrichtung

Auf den Reitsport übertragen, bedeutet dies, dass der Reiter dahin schauen sollte, wo er hinreiten will. „Die Blickrichtung aktiviert automatisch das System für den Drehsitz“, sagt von Dietze. Und wie stark darf man den Kopf drehen? „Wer zu weit nach innen schaut, knickt in der Hüfte ein“, weiß Corinna Lehmann, und weiter: „Der beste Rat ist weiterhin, zwischen den Pferdeohren durchzuschauen. Wenn ich mit dieser Kopfhaltung den Buchstaben sehe, den ich ansteuere, weiß ich, dass mein Pferd die richtige Biegung hat.“ Eine zu starke Kopfdrehung wäre hingegen der Schulterblick beim Autofahren. Viele Reiter drehen ihren Kopf aber genau so, um beispielsweise auf der Mittellinie in den Spiegel schauen zu können – keine gute Idee, denn das Pferd merkt diese Verschiebungen des Reitergewichts im Sattel sehr deutlich. Taktfehler können die Folge sein.

Wie der gesenkte Kopf den Reiter beeinflusst, wurde schon erklärt, aber auch auf das Pferd hat er Auswirkungen: „Das ständige Runterschauen bewirkt, dass das Pferd nur auf dem Meter geritten wird, auf dem es sich gerade befindet. Die zurückzulegende Strecke gerät völlig in den Hintergrund, sodass dem Pferd der Vorwärtsdrang abhanden kommt und der Reiter sich mehr und mehr auf das mechanische Treiben konzentriert. Hinzu kommt, dass die Körperentwicklung des Reiters in die völlig falsche Richtung geht: Während seine Rückenmuskeln ständig gedehnt werden, verkürzt sich die Brustmuskulatur, und der Brustkorb fällt zusammen. Über einen langen Zeitraum wird sogar das Atmen schwerer“, sagt Lehmann. Verhindern können Sie solche Vekürzungen ganz einfach, indem Sie den Kopf aufrecht halten. „Um ein Gefühl dafür zu entwickeln, was es eigentlich heißt, den Kopf aufrecht zu halten, ist die Vorstellung hilfreich, dass der Nacken des Reiters an den Hemdkragen gehört. So hält der Reiter den Kopf nämlich wirklich über dem Körper“, lautet Corinna Lehmanns Ratschlag.

Wer allerdings versucht seinen Kopf krampfhaft in der richtigen Position zu halten, macht genauso viel falsch: „Meist geht eine starre Kopfhaltung auch mit einer starren Schulterpartie einher. Damit fallen Aufrichten und Aussitzen gleichermaßen schwer“, fährt die Expertin fort. Verkrampft die obere Rückenpartie, herrscht nämlich auch im unteren Rücken Spannung. Corinna Lehmann geht noch weiter: „Eine schwingende Schulterpartie ist meines Erachtens dafür verantwortlich, dass der Reiter zugleich im und um das Pferd sitzen kann. Damit meine ich, dass er auch die Rechts-Links-Bewegungen des Pferderückens aufnehmen kann und locker mitschwingt.“

Wer ständig auf eine Seite schaut, sitzt schief. „Positiv wirkt sich in der Regel aus, wenn man den Reiter bewusst auf die andere Seite schauen lässt“, rät Lehmann. Damit wird nämlich folgender Dominoeffekt in Gang gesetzt: Der Reiter sitzt mittiger, das Pferd läuft geradeaus, der Reiter spürt diese Veränderung und kann das neue Sitzgefühl verinnerlichen, sodass sein Körpergefühl geschult wird. Streckt der Reiter seinen Kopf zu sehr vor, ist es für ihn wesentlich schwieriger eine positive Grundspannung aufzubauen. Er tendiert in dem Fall ebenfalls zum Rundrücken, wodurch die Bauchmuskulatur kaum unter der gewünschten Grundspannung steht. „Durch das aufrechte Sitzen hat der Reiter diese hingegen. Hebt er dann nur leicht das Kinn, führt dies bereits zu einer erhöhten Kreuzspannung und damit zu einer setzenden Wirkung für das Pferd", verdeutlicht Lehmann, welchen Unterschied der Kopf macht.

Drei Übungen für eine bessere Kopfhaltung:

Die Zahlen von 1 bis 10

Mit dieser Übung aktivieren Sie die gesamte Halswirbelsäule, beugen Verspannungen vor und lockern die Nackenmuskulatur! Sie können die Übung sowohl auf dem Pferd als auch im Alltag machen. Setzen Sie sich gerade hin und schauen Sie geradeaus. Beginnen Sie nun die Zahlen von 1 bis 10 mit der Nasenspitze in die Luft zu malen. „Wichtig ist, dass Sie die Zahlen langsam und groß in die Luft schreiben“, mahnt Corinna Lehmann. Fortgeschrittene Reiter können die Übung auch beim Aussitzen ausprobieren. „Manche finden dadurch zum Takt des Pferdes und können gleich viel besser einsitzen“, sagt Lehmann.

Die Hände zum Himmel

Um leichte Verspannungen zu lösen, kann das bewusste Atmen sehr hilfreich sein. Legen Sie eine Hand auf Ihr Brustbein und atmen Sie dreimal tief ein und aus, während die andere Hand beim Einatmen in einem großen seitlichen Halbkreis nach oben geht und beim Ausatmen wieder neben den Körper geführt wird. Das Ziel sollte dabei sein, immer höher zu kommen und sich immer weiter aufzurichten. Die Beweglichkeit des Brustraumes wird so erhöht. Verkürzungen der Brustmuskulatur wird vorgebeugt. Die Übung sollte in Ruhe mindestens einmal pro Seite durchgeführt werden.

Richtungswechsel

Susanne von Dietzes Lieblingsübung: Traben Sie auf dem zweiten Hufschlag leicht und schauen Sie bei jedem Hinsetzen in eine andere Richtung, also Links-Mitte-Rechts-Mitte-Links und so weiter. „Das ist eine sehr gute Wahrnehmungsschulung, die zugleich die Nackenmuskulatur lockert“, so die Ausbilderin. Im Nacken sitzt der Übergang der sehr beweglichen Halswirbelsäule zur weniger beweglichen Brustwirbelsäule. Dadurch kommt es häufig zu Spannungen. Um den Nacken frei zu bekommen, rät sie dazu, für wenige Minuten im Takt des Leichttrabens bewusst immer abwechselnd hoch und runter zu schauen.