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Der richtige Knieschluss

Vermutlich hat jeder Reitschüler schon mehr als ein Mal die Anweisung „Knie zu“ gehört. Aber wie so oft in der Reiterei ist weniger mehr, wie uns unsere ExpertenHans Melzer, Johann Riegler, Tjark Nagel und Susanne Lebek erklären.

Knie zu? Oder doch lieber locker anliegend, unsere Experten geben Tipps für den perfekten Knieschluss.

Eines vorweg: Der Begriff Knieschluss ist missverständlich, vielleicht sogar veraltet. Dennoch hören ihn Reitschüler fast täglich in ihren Unterrichtsstunden. Gemeint ist damit eher ein Kontakt, der weit davon entfernt ist, etwas zu verschließen.

Klemmt das Knie, klemmt die Hüfte

Das Kniegelenk ist eines der größten und kräftigsten Gelenke des menschlichen Körpers. Drei Knochen sind beteiligt: Oberschenkelknochen, Schienbein und Kniescheibe. Beim Reiten fühlen wir bei korrektem Knieschluss die Innenseite des unteren Endes des Oberschenkelknochens im Sattel. Das Knie selbst ist vor allem auf einer Achse beweglich, kurz: vor und zurück. Im Gegensatz dazu ist das Hüftgelenk zum Beispiel ein Kugelgelenk, das fast unendlich viele Bewegungsachsen verfolgen kann, also grundsätzlich enorm beweglich ist. Das ist für einen Reiter eine wichtige Information, denn diese beiden Gelenke sind im Bewegungsablauf auf dem Pferd eng miteinander gekoppelt: Ein Knieschluss – also die Bewegung des Knies nach rechts und links – ist nämlich aus dem Knie selbst gar nicht möglich. Es ist eine Bewegung, die aus der Hüfte entsteht, und so geht einem zu festen Knieschluss eine fest nach innen schließende Hüfte voraus. Wer also mit zu viel Druck das Knie in den Sattel presst, verhindert geschmeidiges Mitgehen der Hüfte in der Bewegung. Ein klemmendes Knie hat zudem zur Folge, dass der Unterschenkel vom Pferd absteht und auch der Oberschenkel verkrampft. Es entsteht so das „auf dem Oberschenkel sitzen“.

Das ist auch die Erfahrung, die Dressurreiterin Susanne Lebek gemacht hat: „Es ist natürlich immer die Frage, was man unter Knieschluss versteht. Die Knie sollen locker am Sattel anliegen, aber genau da liegt bei vielen Reitern das Problem. Sie klammern sich mit den Knien und Oberschenkeln am Sattel fest. Die Ursache liegt darin, dass sie nicht in Balance sitzen. Ein Teufelskreis, denn nur wenn der Reiter sein Gleichgewicht im Sattel findet, kann er die Bewegung des Hinterbeines des Pferdes über den Rücken nach vorne durchlassen. Verkrampft sich der Reiter im Sattel, verhindert er den losgelassenen Bewegungsablauf des Pferdes. Das Pferd hält sich im Rücken fest und lässt den Reiter noch schlechter sitzen.“

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Auf die Fußspitze achten!

Ganz ähnlich sieht es Dressurkollege Johann Riegler. Der ehemalige Oberbereiter in Wien empfiehlt beim Knieschluss weniger darauf zu achten, das Knie anzupressen, sondern: „Wenn der Reiter die Fußspitze zum Pferd hindreht, schließen sich automatisch auch die Schenkel und die Knie. Wenn ich unbewusst mit dem Knie klemme, hemme ich damit den gesamten Bewegungsablauf – zunächst den eigenen und damit einhergehend natürlich auch den des Pferdes.“ Klemmen also das Knie und der Schenkel, wird dies auch bald das Pferd tun. Dabei sieht Riegler aber nicht nur ein Problem im hochgezogenen, angedrückten Knie. Für ihn ist der größere Fehler das zu stark gestreckte Bein: „Ich verwende nie das Wort ‚strecken’ bei Sitzkorrekturen. Das hat meist zur Folge, dass der Reiter ebenfalls verkrampft. Das Knie sollte in jedem Fall noch Beugung haben.“

Susanne Lebek mahnt ihre Schüler regelmäßig, genau das Gegenteil von Knieschluss zu üben. Für sie ist es enorm wichtig, „dass der Reiter immer mal wieder seine Beine komplett vom Pferd löst. Im Schritt und Galopp ist dies deutlich leichter als im Trab. Aber er sollte es wirklich in allen Gangarten ausprobieren, um ein Gefühl dafür zu bekommen, im Sattel seinen Schwerpunkt zu finden.“ Allein durch das gezielte An- und Entspannen der Rücken- und Gesäßmuskeln lasse sich ein Pferd schon reiten. Die meisten Reiter trauten sich Lebeks Meinung nach nur nicht, dies auszuprobieren. „Wer dafür aber ein Gefühl entwickelt, wird seine Schenkelhilfen, die ja ausschließlich den Unterschenkel betreffen, anschließend viel feiner einsetzen können. Wenn der Reiter richtig sitzt und Kreuz und Schenkel korrekt einsetzt, bleiben Oberschenkel und Knie automatisch locker“, ist sich Lebek sicher.

Auch Springreiter dürfen nicht klammern

Während den meisten das Lösen der Knie vom Sattel in der Dressurarbeit noch leicht fallen könnte, sieht es beim Springen und im Gelände anders auch. Doch auch hier sorgt ein fest angedrücktes Knie nicht dafür, dass der Reiter sicherer auf dem Pferd sitzt – eher das Gegenheil ist der Fall. Balance heißt nämlich das Zauberwort in Sachen Sattelfestigkeit – darin sind sich Vielseitigkeitstrainer Hans Melzer und Springprofi Tjark Nagel einig!

Gerade beim Springen und im Gelände ist es dem Bundestrainer der Vielseitigkeitsreiter Hans Melzer enorm wichtig, dass der Reiter nach Gleichgewicht strebt und sich nicht festklammert: „Klar reiten wir im Parcours und im Gelände mit Knieschluss, aber noch viel wichtiger ist ein fester Bügeltritt, also ein guter Halt der Füße in den Bügeln und dass der Reiter sich sozusagen über den Bügeln ausbalanciert.“ Da helfe auch die Vorstellung, die Füße in der senkrechten Achse noch vor den Knien zu positionieren. Zu viel Knieschluss sei selbst im leichten Sitz und über den Hindernissen – egal ob im Parcours oder im Gelände – kontraproduktiv, erklärt Melzer: „Ist das Knie zu fest angedrückt oder aber auch die Pausche im Sattel zu stark ausgeprägt, fliegt der Unterschenkel nach hinten und der Oberkörper somit automatisch zu sehr nach vorne – sowieso im leichten Sitz und noch extremer über dem Hindernis.“

Das sei nicht nur stilistisch unschön, sondern mache es dem Pferd auch schwer. Der Reiter komme so nämlich permanent vor die Bewegung des Pferdes und verschiebe den Schwerpunkt insgesamt vermehrt auf die Vorderhand. „Bei einem Anfänger kann ich sicher noch damit leben, wenn er sich mit vermehrtem Knieschluss etwas hilft, aber ein Fortgeschrittener muss da schon lockerer werden, sonst ist ja auch keine vernünftige Hilfengebung möglich. Wie will man denn den Schenkel verwahrend anlegen, wenn das Knie quetscht? Das geht gar nicht.“

Melzer empfiehlt, mit wechselnden Bügellängen zu reiten, sich die Bügel ein paar Löcher kürzer zu schnallen als gewohnt, Tempounterschiede zu reiten und dabei darauf zu achten, dass das Knie immer wieder loslasse.

Die Formel für den guten Sitz

„Das Entscheidende ist ein gutes Gleichgewichtsgefühl“, bekräftigt Springprofi Tjark Nagel. „Sicher im Sattel zu sitzen hat absolut nichts mit Druck zu tun.“ Eben auch nichts mit Druck vom Knie in den Sattel. Nagel plädiert für das Reiten ohne Bügel: „So schult man das Gefühl für Balance, das kann jeder ruhig jeden Tag mal ein bisschen üben.“ Früher sei es üblich gewesen, mal ohne Bügel oder gar ohne Sattel zu springen. „Das muss man natürlich abwägen, dazu braucht man ein erfahrenes und braves Pferd, aber so spielerisch und unverkrampft am Gleichgewicht zu arbeiten ist immer gut“, bekräftigt Nagel.

Um auch über dem Sprung nicht zu sehr mit dem Knie zu klemmen, empfiehlt der einstige Nationenpreisreiter kleine Reihen mit niedrigen Kreuzen oder Cavaletti, ruhig vier bis fünf hintereinander, die es dem Reiter ermöglichen, bewusst den Oberschenkel zu entspannen und ohne zu festen Knieschluss auch über dem Sprung zum Gleichgewicht zu finden.

Der Artikel ist erstmals in der März-Ausgabe 2015 der Reiter Revue erschienen. Sie wollen immer sofort die besten Tipps lesen? Hier geht es zu unserer aktuellen Mai-Ausgabe.