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Den falschen Knick abtrainieren

Wenn er erst einmal da ist, wird ihn das Pferd nicht so leicht wieder los. Der ‚falsche Knick‘ ist ein Indiz dafür, dass in der Ausbildung etwas schief läuft. Wir zeigen, wie der Reiter den Teufelskreis durchbricht. Mit Experten-Tipps von Klaus Balkenhol, Beatrix Schulte Wien und Kathleen Keller!

Das Genick ist nicht der höchste Punkt. Der Hals knickt im Bereich des zweiten und dritten Halswirbels ab.

Klare Ansage: „Ein falscher Knick ist nicht angeboren, sondern angeritten.“ Pferde-Osteotherapeutin Beatrix Schulte Wien akzeptiert in diesem Punkt keine Ausreden. Es gebe nur eine Möglichkeit, einen falschen Knick ohne reiterlichen Einfluss zu erreichen, dafür müsste aber schon ein recht schwerer Unfall passieren, „zum Beispiel müsste sich das Pferd nach hinten überschlagen“. Der falsche Knick ist ein eindeutiges Indiz dafür, dass der Reiter auf dem Weg der Ausbildung falsch abgebogen ist.

Ein wenig Theorie muss sein

Jeder weiß es – eigentlich: Laut Richtlinien soll das Pferd durch ein einfühlsames Wechselspiel von treibenden und verhaltenden Hilfen in die Anlehnung finden. Wenn der Hals einen gleichmäßig aufgewölbten Bogen beschreibt, das Genick den höchsten Punkt darstellt und die Stirn-Nasen-Linie an oder leicht vor der Senkrechten steht, ist die perfekte Hals-Kopf-Haltung erreicht. Das Ganze soll bei entspannter Unterhalsmuskulatur vorwiegend von der Oberhalsmuskulatur getragen werden. Der Kontakt zwischen Pferdemaul und Reiterhand soll dabei konstant, aber leicht, federnd und vertrauensvoll sein. Stemmt das Pferd den Kopf mit der unteren Halsmuskulatur anstatt den Hals mit der oberen Halsmuskulatur zu tragen, und wird der Kopf dann von der Reiterhand beigezäumt – übrigens ganz gleich ob mit viel oder wenig Krafteinsatz – knickt der Hals im vorderen Drittel ab. Ungefähr im Bereich des zweiten und dritten Halswirbels. So entsteht ein Knick im Hals, etwa zwei bis drei handbreit hinter dem Genick, der dort nicht sein soll.

Auf Dauer in dieser Haltung geritten, wird der Unterhals und auch die Muskulatur direkt hinter dem Genick immer stärker, die Oberhalsmuskulatur meist schwächer. Trägt das Pferd Kopf und Hals bei jedem Reiten über Monate in dieser Haltung, ist der falsche Knick selbst im Ruhezustand zu sehen und setzt sich an Stelle der gewünschten gebogenen Halsmuskulatur. Der falsche Knick ist also nicht die Ursache einer mangelhaften Anlehnung, sondern ihr Ergebnis. Reitmeister und Erfolgstrainer Klaus Balkenhol mahnt deswegen, dass es nicht so einfach sei, diesen in den Griff zu bekommen: „Tatsächlich ist der falsche Knick eins der schwierigsten Probleme, die es zu korrigieren gibt.“

Hengste sind die Ausnahme

Das beschriebene, perfekte Bild der Anlehnung ist das Ergebnis einer geduldigen, präzisen, konzentrierten und akribischen Gymnastizierung des Pferdes. Deshalb lassen Balkenhol und Schulte Wien auch keine Erklärungen durch Exterieurmängel gelten, wie einem zu langen Hals, einem zu leichten Genick, einem tief angesetzten Hals oder einer steilen Schulter. Sie geben aber dennoch zu, dass Pferde mit diesen Eigenschaften schwieriger in eine korrekte Anlehnung zu bringen seien und daher auch das größere Risiko für einen falschen Knick hätten. „Aber wenn man sich diese Pferde genau anguckt, ist auch hier eigentlich das wesentliche Problem, dass sie nicht über den Rücken geritten werden, und weniger, dass sie einen Exterieurmangel haben“, betont Schulte Wien.

Einzige Ausnahme sehen sowohl Klaus Balkenhol als auch Beatrix Schulte Wien bei Hengsten mit stark ausgeprägter Halsung. Durch ihre häufig extreme Bemuskelung in der Halsoberlinie kommt es vor, dass zwar die Kopf-Hals-Haltung grundsätzlich gut ist und dennoch das Genick nicht als höchster Punkt erscheint. Dieses Beispiel macht deutlich, dass in Sachen Anlehnung eben nicht nur der Blick auf Maul, Genick, Ganasche und Hals genügt, sondern immer das Pferde im Gesamtbild betrachtet werden muss. Und natürlich entwickelt nicht jeder Hengsthals einen falschen Knick.

Ist der falsche Knick erst einmal da, beginnt die Ursachenforschung. „Die erste Maßnahme ist es, sicherzustellen, dass das Pferd keine Probleme mit dem Maul, den Zähnen, im Hals oder Rücken hat“, sagt Klaus Balkenhol. „Dann sollte man auf jeden Fall auch das Gebiss und die Verschnallung des Reithalfters überprüfen.“ Und man solle kritisch hinterfragen, ob in der Ausbildung vielleicht etwas zu schnell vorangegangen sei, mahnt der Ausbilder: „Wenn Pferde zum Beispiel zu früh auf Kandare geritten werden, verlieren sie das Vertrauen in die Anlehnung, was letztlich ebenfalls zum falschen Knick führen kann.“ Beatrix Schulze Wien sieht einen wichtigen Faktor im gut passenden Sattel, der auch den Reiter in eine korrekte Position bringen muss.

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Ist einer dieser Aspekte problematisch, hat dies zur Folge, dass der Bewegungsbogen des Pferdes unterbrochen wird, der von der Hinterhand über Hüfte und Becken, den Rücken, den Hals und das Genick bis ins Maul federn soll. Ist dieser Bogen an einer Stelle blockiert, wirkt sich dies auf die Anlehnung aus. „Das Pferd weicht aus, weil es entweder Schmerzen hat oder die Gelenke sich schlicht nicht mehr frei bewegen können“, so Schulte Wien.

Eng ist einfacher

Bei dem einen Pferd wirkt sich dieses Ausweichen durch gesteigerten Druck im Maul aus. Es geht gegen die Hand oder legt sich auf den Zügel. Bei dem anderen zeigt sich das Ausweichen, indem das Pferd nicht an die Hand herantritt, sondern sich davor regelrecht versteckt und so auf die Dauer den falschen Knick entwickelt. „Es ist natürlich einfacher, ein Pferd eng zu reiten“, aber es sei eben schlecht für die Pferdegesundheit, mahnt Klaus Balkenhol.

„Ein Pferd in die korrekte Anlehnung zu reiten, erfordert nun mal viel Arbeit, Geduld und Gefühl.“ Klaus Balkenhol

Mit einem Patentrezept und einer Handvoll Übungen sei es da nicht getan: „Wenn der Reiter es selbst nicht schafft, das Pferd in eine Dehnungshaltung zu reiten, würde ich empfehlen, einen erfahrenen Ausbilder zu Rate zu ziehen. Der falsche Knick zeigt ja nun einmal deutlich, dass es ein längerfristiges Problem gibt“, gibt Balkenhol zu bedenken. Beatrix Schulte Wien beginnt die Arbeit mit Korrekturpferden, die einen falschen Knick haben, grundsätzlich im Longierzirkel – und zwar ohne Reiter, ohne Sattel, ohne Ausbinder. „Es ist wichtig zu beobachten, ob das Pferd sich über den Rücken gehend frei bewegen kann.“ Dann empfiehlt sie, zunächst lang ausgebunden zu longieren. Für die Kopf-Hals-Haltung gilt sowohl beim Longieren, als auch später beim Reiten, dass das Pferd den Hals fallen lässt und das Pferdemaul etwa auf Bughöhe getragen wird. Die Nasen-Stirnlinie soll dabei an beziehungsweise vor der Senkrechten sein. „Dann ist das Ziel, dass eben nicht die Reiterhand die Verbindung erzwingt, sondern das Pferdemaul die Verbingung aufnimmt und leichten Zug auf die Reiterhand ausübt.“

Lösen ist die Lösung

Dressurreiterin und B-Kader-Mitglied Kathleen Keller macht deutlich, dass es gerade bei diesen Pferden wichtig ist, sich die Skala der Ausbildung immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, denn dort steht vor der Anlehnung der Takt und die Losgelassenheit. „Anlehnung hat ganz viel mit dem Vertrauen des Pferdes in die Reiterhand zu tun“, erklärt Keller. „Pferde, die zu leicht im Maul und im Genick sind, sind oft sehr sensibel und trauen sich nicht richtig, den Kontakt zum Gebiss aufzunehmen.“

Lösende Arbeit, eine federnde Anlehnung und Lob steigern das Vertrauen in die Reiterhand.

Sie rät dazu, viel lösende Arbeit zu machen und diese auch immer wieder in die Arbeitsphasen einzubauen: „Dazu gehören für mich vor allem lange gebogene Linien, Übergänge und Tempounterschiede. Dabei versuche ich mir vorzustellen, dass die Zügel verstärkt sind, fast wie zwei Stöcke und ich damit die Anlehnung vorschieben kann. Ich finde, das hilft dabei, die Hände wirklich vorne zu lassen und nicht zu versuchen, den Kontakt dadurch herzustellen, dass man mit der Hand zurück wirkt.“

Außerdem sei jegliche Arbeit wichtig, die Schub- in Tragkraft umwandle. Dafür gesellen sich in ihrem Trainingsplan zu den Übergängen noch die Seitengänge: „Und dann braucht man als Reiter einfach sehr viel Gefühl, Zeit und Geduld. Wenn ich im Fitness-Studio bin und trainiere, muss ich auch klein anfangen, habe vielleicht auch mal mit Muskelkater zu kämpfen und auch für mich ist es dann wichtig, trotzdem die Motivation nicht zu verlieren“, führt sie als Vergleich an. „Nicht viel anders ist es beim Pferd: Einen falschen Knick zu korrigieren, ist aufwendiges Training. Um die Halsmuskulatur umzuformen, braucht es Zeit. Es ist für die Pferde sehr anstrengend, das darf man nicht vergessen.“

Deswegen rät Kathleen Keller Reitern von Pferden mit falschen Knick besonders darauf zu achten, in einer Trainingseinheit öfter die Zügel aus der Hand kauen zu lassen, im leichten Sitz locker vorwärts zu galoppieren und die Schrittpausen nicht zu vergessen.

Und vor allem empfiehlt sie, individuell auf das Pferd einzugehen. Sie erinnert sich an ein Pferd mit falschem Knick, das sie in Beritt bekam. Mit ihm ging es über die Dressurarbeit anfangs nicht so recht weiter. „Mit diesem Pferd bin ich wirklich wochenlang einfach ins Gelände geritten und viel frisch nach vorne galoppiert. Er hat durch das Vorwärts wieder größere Bewegungen entwickelt und auch an Kraft gewonnen“, lautet ihr Fazit. „Außerdem gibt es im Gelände immer etwas zu gucken und so hat er Stück für Stück den Hals immer länger gemacht. Nach und nach habe ich die dressurmäßige Arbeit wieder aufgenommen und versucht, dieses Gefühl der freieren Anlehnung aus dem Gelände mitzunehmen.“ Und das hat funktioniert.