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Gute Alternative oder vermeidbares Verletzungsrisiko?

Ausgebunden laufenlassen

Keine Lust auf Longieren? Aber das Pferd soll nicht geritten werden? Einige Reiter lassen ihre Pferde dann ausgebunden laufen – auch Profis. Doch macht das Sinn oder birgt es in erster Linie Risiken? Die Meinung eines Tierarztes dazu.

Ein Pferd an der Longe zu bewegen, ist laut Dr. Matthias Baumann deutlich sinnvoller als es ausgebunden laufen zu lassen.

Münster – Ein Pferd, das sich frei in der Halle bewegt. Es galoppiert locker. Eigentlich nichts Besonderes, wäre es nicht ausgebunden. Die Ausbinder sind auf beiden Seiten gleich lang verschnallt, das Pferd ist also nicht gestellt. Vielmehr scheinen die Ausbinder den Weg in die Tiefe zu weisen. Handwechsel sind einfach möglich. Das Pferd bewegt sich ganze Bahn. Aber ist das, was auf den ersten Blick nach einer angenehmen Trainingsalternative aussieht, wirklich sinnvoll oder sogar gefährlich? Das ausgebundene Freilaufenlassen hat im Vergleich zu der Arbeit an der Longe einen Vorteil: Auf Sehnen, Bänder und Gelenke des Pferdes wirken – insofern es sich ruhig und gelassen bewegt – weniger starke Kräfte ein, da es nicht nur auf gebogenen Linien läuft. Manche Pferdebesitzer bevorzugen das freie Laufenlassen daher gegenüber dem Longieren. Diskussionswürdig ist allerdings ein entscheidender Punkt: der Ausbinder. Was bringt er beim Freilaufen am Pferd? Welche Risiken birgt er vielleicht sogar? Und wie kann man sein Pferd kontrollieren, wenn es sich erschrickt und droht, sich im Ausbinder zu verheddern? Fragen, die wir dem Tierarzt und Ausbilder Dr. Matthias Baumann gestellt haben. Der Fachtierarzt für Pferde saß lange Zeit selbst erfolgreich im Sattel. Er gewann Olympiagold 1988 und dreimal die Deutsche Meisterschaft in der Vielseitigkeit. Er mag abwechslungsreiches Training. Ein Pferd ausgebunden laufen zu lassen, ist für ihn aber keine sinnvolle Alternative zum Longieren.

Dr. Matthias Baumann, Fachtierarzt für Pferde:

„Das Pferd ausgebunden laufen zu lassen, ist für mich grob fahrlässig und vor allem sinnlos. Es ist eine Verknüpfung zweier Komponenten: Zum einen soll das Pferd freie Bewegung genießen, zum anderen will ich es in einer bestimmten Haltung arbeiten. Eine kontrollierte Bewegung ist beim Laufenlassen aber nicht möglich. Das Pferd kann bocken, sich wälzen und schon hängt es mit dem Vorderhuf im Ausbinder. Dann bekommt es Panik und ein Pferd, das Angst hat, fangen Sie nicht so schnell wieder ein. Ich würde keinen Gedanken daran verschwenden, jemals ein Pferd so bewegen zu wollen. Für mich ist es sogar aus Tierschutzsicht ein Problem. Paragraph zwei des Tierschutzgesetzes besagt, dass eine Person, die ein Tier hält, die Möglichkeit zu artgerechter Bewegung nicht so einschränken darf, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden. Verheddert ein Pferd sich beim Laufenlassen im Zügel, ist dies fraglos ein vermeidbarer Schaden.

Deutlich sinnvoller ist es, das Pferd an der Longe zu arbeiten. Wechseln Sie alle fünf Minuten die Seite. Dann ist die Belastung für den Bewegungsapparat auch nicht besonders hoch. Der Vorteil der Arbeit an der Longe ist, dass das Pferd stets kontrolliert werden kann. Bockt es los, kann der Longierzirkel schnell verkleinert werden. So ist das Verletzungsrisiko geringer. Außerdem kann das Pferd an der Longe reell gearbeitet werden. Beim Laufenlassen in der Halle sehe ich keinen gymnastizierenden Effekt. Vielmehr rate ich dazu, dem Pferd so viel freie Bewegung wie möglich zu gewähren. Das kann neben dem Auslauf auf der Weide oder dem Paddock natürlich auch freie Bewegung vor oder nach dem Reiten beziehungsweise Longieren in der Reithalle sein.
Dagegen spricht gar nichts. Aber bitte ohne Ausbinder. Das gilt es ganz scharf zu trennen."

Der Artikel ist erstmals in der April-Ausgabe 2020 erschienen.

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