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Abteilungsreiten leicht gemacht

Es sieht so einfach aus, erfordert aber einiges an Können: das Reiten in einer Abteilung. Was im Training wichtig ist, wie Sie präziser reiten und welche Regeln auf dem Turnier gelten.

So soll es sein: Die vier Pferde laufen wie an einer Perlenkette aufgezogen.

Der Abstand zum Vordermann wächst und wächst. Derweil machen Sie sich Sorgen, ob der Hintermann schon den Schweif Ihres Pferdes berührt. Wer schon einmal in der Abteilung geritten ist, kennt das Problem. Das ist aber kein Grund es zu verteufeln, sondern vielmehr, sich zu überlegen, wie man das Viereck besser nutzen kann, um die Abstände zu halten. Aber was ist dafür die richtige Strategie?

Zu zweit oder mit mehr Paaren eine Dressuraufgabe reiten, was kann daran so schwer sein? Eine Menge, nämlich den richtigen Abstand zu halten, die Übergänge auf Kommando auszuführen und die Hilfen zum richtigen Zeitpunkt zu geben. „Der Lerneffekt des Abteilungsreitens besteht darin, neben der Konzentration auf das eigene Pferd auch die anderen Pferde im Auge zu haben“, sagt Dressurreiter Michael Klimke. Abteilungsreiten schult viele Fähigkeiten des Reiters, zum Beispiel die Reaktionsgeschwindigkeit für die Situationen, in denen mit vielen Pferden durcheinander geritten wird, wie auf dem Abreiteplatz.

Abteilungsreiten auf dem Turnier
In den Klassen E, A und L gibt es Dressuraufgaben, die in der Abteilung zu reiten sind. Die Prüfungen sind im Aufgabenheft der Deutschen Reiterlichen Vereinigung zu finden. Ob eine Prüfung in der Abteilung geritten wird, legen die Veranstalter eines Turnieres dadurch fest, welche Aufgabe sie ausschreiben. Die Startreihenfolge ergibt sich aus den Anfangsbuchstaben der Pferde. In der Zeiteinteilung können Reiter einsehen, mit welchen Buchstaben die Starterliste begonnen wird. Die restlichen Starter folgen in alphabetischer Reihenfolge. Fällt ein Pferd aus, rücken die folgenden Teilnehmer nach.

Wolfhard Witte vom Landgestüt Celle erklärt die Faszination am Abteilungsreiten so: „Das Miteinanderreiten macht es aus. Die Reiter nehmen aufeinander Rücksicht und der eine bügelt mal etwas für den anderen aus.“ Das Zusammenspiel der Hilfen werde in der Abteilung besonders gut trainiert. Michael Klimke hat für den Münsterländer Pferdestärken-Cup, der auf dem Turnier der Sieger in Münster ausgetragen wird, eine S-Dressur-Aufgabe als Abteilungsritt konzipiert. „Wir wollten alle gleichzeitig reiten lassen, damit es etwas mehr Können erfordert“, erläutert er die Motivation zu dieser Aufgabe.

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Der Schlüssel zum erfolgreichen Abteilungsreiten? „Durchlässigkeit! Je besser ein Pferd an den Hilfen steht, desto besser wird auch das Abteilungsreiten“, prophezeit Michael Klimke. In der Abteilung zu reiten, ist auch ein gutes Training für das Tempogefühl und das Variieren des Tempos. Übergänge sollten auf dem Trainingsplan stehen, findet auch Richterin Waltraud Böhmke. Sie verweist darauf, besonders halbe Paraden zu üben. „Annehmende und nachgebende Zügelhilfen wirken dabei zusammen und verschaffen dem Reiter Kontrolle über das Tempo.“

Die Frage des Tempos

Wolfhard Witte startet ein Dreivierteljahr, bevor ein Pferd einen Auftritt in einer Abteilung hat, mit dem Training. „Es gibt nichts Schlimmeres, als auftretende Probleme in Hektik lösen zu müssen.“ Begonnen wird das Training mit sehr großen Abständen, diese werden dann immer weiter verkleinert. „Man sollte im Vorfeld auch mal zu zweit nebeneinander traben, so lernen die Pferde es kennen, dass sie andere Pferde um sich haben“, rät Witte. Auch das Tempo kann am Anfang ruhiger gewählt werden. Wenn alles sicher klappt, steigert Witte das Tempo und es wird etwas mehr auf Risiko geritten. Bevor eine Aufgabe vor Publikum oder Richtern gezeigt wird, empfiehlt er, sie zu Fuß abzugehen. „Man muss wissen, wo man lang muss. In der Abteilung ist es zu spät, sich das zu überlegen“, erklärt er.

Reitlehrerin Elke Stegemann rät ihren Schülern: „Reitet die Aufgabe wie zu Hause! Da arbeitet ihr auch aktiv an Stellung, Biegung und Tempo.“ Beim Abteilungsreiten muss der Reiter darauf achten, was seine Mitstreiter machen, denn der richtige Abstand ist entscheidend. Der perfekte Abstand beträgt ein bis zwei Pferdelängen. Vom Pferd aus können sich Reiter an der Faustregel orientieren, dass beim Blick durch die Ohren des eigenen Pferdes die Fesseln des Vorderpferdes zu sehen sein müssen.

Das schwierigste am Abteilungsreiten ist, glechmäßige Abstände einzuhalten.

„Wenn eine Abteilung mit vier Pferden an der langen Seite ist, müssen alle an die lange Seite passen“, erklärt Richterin Waltraud Böhmke. Wolfhard Witte verdeutlicht, wie der Abstand konstant bleibt: „Der erste Reiter gibt das Tempo vor, das er die gesamte Aufgabe hindurch hält und die anderen müssen sich danach richten.“ Beim sogenannten Tetenreiter liegt die Verantwortung für das Tempo der ganzen Abteilung. „Er muss sich eigentlich in jeder Ecke umgucken. Wenn die hinter ihm nicht mitkommen, muss er behutsam das Grundtempo reduzieren.“

Das Platzproblem

Falls der Abstand doch einmal zu groß wird, kann in den Ecken etwas abgerundet oder der Zirkel ein wenig kleiner geritten werden. „Natürlich muss ich mein Pferd dann auch zu etwas mehr Fleiß motivieren. Das Tempo darf ein wenig erhöht werden, wenn ich aufholen will“, fügt Elke Stegemann hinzu. Wer Probleme hat, den Mindestabstand einzuhalten, „sollte noch tiefer in die Ecken reiten“, meint Dressurreiter Michael Klimke. „Die Ecken sollte man auch im Training richtig ausreiten“, rät Stegemann. „Jeden einzelnen Tag. Dann klappt das auch in Stresssituationen wie auf dem Turnier.“ Und auf den gebogenen Linien sei es möglich, Platz zu schaffen. Etwas größere Zirkel anzulegen und die Schlangenlinien etwas weiter auszureiten, empfiehlt Klimke. „Aber alles nur etwas“, schiebt er gleich hinterher. Das betont auch Richterin Waltraud Böhmke: „Wenn ein Reiter den Abstand durch solche Maßnahmen ausgleicht, sollte er das gleichmäßig tun, also beispielsweise beim Mittelzirkel beide offenen Zirkelseiten etwas größer reiten.“

Und sie gibt zu bedenken, welchen Eindruck es macht, abzukürzen oder zu vergrößern: „Zu viel zeugt davon, dass der Reiter sein Pferd nicht präzise an den Hilfen hat und das gibt in der Prüfung Abzug.“ Die kniffligste Lektion in der Abteilung ist in Wittes Augen Kurzkehrt. Dabei auf einer Höhe zu bleiben, sei die Schwierigkeit. Und das klappt so: „Jeder muss zum anderen gucken. Nicht das Pferd angucken, sondern den Kopf zu den anderen drehen. Was unter dem Sattel passiert, spürt man.“

Auf dem Turnier bitte nicht ...
➤ ... überholen! Das ist nur erlaubt, wenn sich das Vorderpferd komplett widersetzt.
➤ ... neben das Vorderpferd reiten, weil es zu langsam ist! Besser vorher Platz schaffen, bevor beispielsweise die Tritte verlängert werden sollen.
➤ ... Volten reiten. Das ist keine Option, um Raum zu schaffen.
➤ ... mehr als zwei Pferdelängen Abstand halten. Der Abteilungscharakter muss erhalten bleiben.
Tipp: Fragen Sie Ihre Abteilungskollegen, ob sie auf dem Abreiteplatz einmal in der Reihenfolge üben wollen. Das hilft, Abstände einzuschätzen.

Auf dem Turnier ist jedem Reiter durch die Starterliste seine Position in der Abteilung zugeordnet. Wer mit seinem Platz nicht zufrieden ist, kann die anderen Teilnehmer seiner Abteilung fragen, ob sie bereit sind zu tauschen. Wenn das der Fall ist, müssen noch die Richter der Prüfung um Erlaubnis gebeten werden. Sollten die anderen Abteilungsmitglieder nicht einverstanden sein, können sie nicht zum Tausch gezwungen werden. „Dafür ist die Startfolge für denjenigen dann beim nächsten Mal vielleicht günstiger. Das ist Zufallsgerechtigkeit“, sagt Böhmke. Argumente wie „Mein Pferd ist ein Hengst, der muss vorne gehen“, empfindet sie als schwierig: „Hengste, die nicht an jeder Stelle in der Abteilung gehen können, gehören nicht auf ein Turnier.“ Auf der anderen Seite stehe die Sicherheit aller Teilnehmer immer im Vordergrund. Dann wägt sie von Fall zu Fall ab. Wenn Böhmke während der Aufgabe Probleme bemerkt, die durch ungleiche Größenverhältnisse der Pferde verursacht werden, kann es sein, dass sie mit ihren Richterkollegen beschließt, die Reiter tauschen zu lassen.

Wenn der Reiter an der Tete sich verreitet, sieht Richterin Waltraud Böhmke es am liebsten, wenn die restlichen Mitglieder der Abteilung einfach dahinter bleiben. Sonst entstehe Chaos. Wenn beispielsweise statt den vorgesehenen Schlangenlinien mit vier Bögen drei Bögen angelegt werden, ist die Situation einfacher aufzulösen, wenn die Abteilung beisammenbleibt und der zweite Reiter nicht eigenständig vier Bögen macht. Der erste darf aber von seinen Mitstreitern auf den Fehler hingewiesen werden.

In der Klemme

Vorausschauend zu reiten, ist auch schon auf dem Abreiteplatz wichtig. Wer seine Abteilungsmitglieder schon dort beobachtet, weiß, welches Tempo der Vordermann anschlägt. Dann kann der eigene Plan für die Prüfung gemacht werden. Bei triebigen Vorderpferden können die Hintermänner schon etwas Abstand schaffen, indem sie nach der Grußaufstellung einen Augenblick länger halten. Beim Anreiten nach links auszuholen, um den Abstand zu vergrößern, hält Böhmke für keine gute Idee: „Das ist ungenaues Reiten.“ Einige A- und L-Dressuren enthalten die Lektion aus dem Schritt angaloppieren. Wenn ein Pferd nicht angaloppiert, gerät der Hintermann schnell in Schwierigkeiten. Böhmke erklärt für diesen Fall: „Als Reiter sollte man wissen, wann diese Lektion dran ist und sich vorher Platz herausreiten. Einige Momente muss ich in ruhigem Tempo dahinter bleiben können.“

Erst, wenn auch nach mehreren Versuchen gar nichts mehr zu machen sei, dürfe man vorbeigaloppieren. Einer der häufigsten Fehler ist, dass die Reiter ihre Pferde einfach hinter dem Vorderpferd herlaufen lassen: „Manche vergessen, dass sie zum Reiten kommen und sich anstrengen müssen. Aber Abteilungsreiten ist anstrengend.“

Dieser Artikel ist erstmals erschienen in Reiter Revue 6/2016.