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Europameisterschaften 2019

Blog III aus Rotterdam: Da waren’s nur noch drei und eine Lanze für den Para-Sport

Erst „fucking cool“, dann ein Lachanfall im Interview. Isabell Werth hatte gestern Abend ihren Spaß. So ein Zweikampf ist ganz nach ihrem Geschmack.

Dorothee Schneider, Isabell Werth und Cathrine Dufour (v. l.)

Rotterdam/NED - Als Isabell Werth gestern Abend das F-Wort bezogen auf die glorreiche Runde von ihr und Bella Rose benutzte und später von den „two old women“, die gewonnen haben, sprach, hatte sie die Lacher auf ihrer Seite. Ausgelassene Stimmung, Glückwunsche zum achten EM-Einzelgold von allen Seiten und eine mindestens genauso glückliche Zweitplatzierte an ihrer Seite, die zwar ankündigte, dass maybe irgendwann der Zeitpunkt komme, an dem sie die große Isabell Werth einmal schlage. Aber mit persönlicher Bestleistung und der ersten internationalen Einzelmedaille war Dorothee Schneider, die genau wie Isabell Werth in diesem Jahr ihren 50. Geburtstag feierte, absolut glücklich.

Keinen besonders guten Tag hatten Sönke Rothenberger und Cosmo, die in Aachen noch Grand Prix und Special der CDI-Tour dominierten. Der 24-jährige Vize-Europameister von 2017 musste den dritten Startplatz in der Kür Teamkollegin Jessica von Bredow-Werndl überlassen, die tolle Vierte wurde. La La Land im Oranje-Land also. „Ich liebe diese Kür einfach“, lächelte sie, noch bevor feststand, dass sie reiten darf. Vielleicht bleibt Sönke Rothenberger ja noch bis morgen, um den Teamkollegen die Daumen zu drücken.

Die wegen einer Sporenwunde am Pferd nach dem Grand Prix disqualifizierte Charlotte Dujardin tummelte sich gestern jedenfalls noch mit entspanntem Lächeln am Abreiteplatz, als ihr Trainer Carl Hester seinen Hawtins Delicato auf den Special vorbereitete. Auch Springreiter Scott Brash schaute vorbei. Die gute Unterstützung half: Hester wurde Neunter mit 77,508 Prozent und ist damit sicher für die Kür qualifiziert.

Für die Para-Reiter geht es heute in den Mannschaftswettbewerb. Gelegentlich hat man das Gefühl, dass sich mancher von ihnen dafür entschuldigt, keine Dressur der Klasse S zu reiten. Sie habe sich früher nicht vorstellen können, in Prüfungen nur noch Schritt und ein bisschen Trab zu reiten, erzählte Heidemarie Dresing, die, bevor sie an Multiple Sklerose erkrankte, bis Inter I erfolgreich war. Heute würde sie auch in Grade I reiten, in dem nur Schritt gefordert wird, wenn sie es nicht mehr anders könnte. Da stellt sich doch die Frage, welche Lektionen den Reitsport eigentlich definieren? Mit einer Lähmung, dauerhaftem Schwindel oder fehlenden Gliedmaßen ein Pferd reell vor sich zu haben, es fein in der Anlehnung zu reiten, seine Grundgangarten losgelassen und im Takt zu präsentieren und es sowohl auf gerader als auch auf gebogener Linie in sich geradezurichten und korrekt zu stellen und zu biegen, ist definitiv ein hoher Anspruch. Das kann sich jeder annähernd vorstellen, der schon gesund seine Balance im Sattel sucht. Dass ein Reiter, der nicht die letzte Kontrolle über seine Motorik hat, teils nicht so zentriert und geschmeidig auf dem Pferd sitzen kann, wie es ein gesunder tun sollte, ist verständlich. Genau deshalb muss er einen Weg finden, der seinem Pferd hilft, diese Schwächen zu kompensieren. Man kann ein Pferd im Schritt ebenso gut oder schlecht vorstellen wie in Grand Prix-Lektionen. Soviel steht fest. Und wer die Lektion „Viereck vergrößern“ im Grade II von eben denjenigen beobachtet, die sich auf dem Boden nicht ohne Hilfsmittel fortbewegen können, bekommt das beste Beispiel vorgehalten, wie wenig Schenkeleinsatz dafür eigentlich notwendig ist. Das Pferd versteht es auch so.