2021 hat die Promotion von Dr. Martin Swoboda für Aufsehen gesorgt. Er hat sich intensiv mit dem „Einfluss sportlicher Nutzung auf die Kopf- und Maulgesundheit bei gesunden Pferden" beschäftigt. Wir haben mit dem Fachtierarzt für Pferde von der Pferdeklinik Nindorf darüber gesprochen, wann sich eine Pferdezunge beim Reiten bläulich verfärben kann und was das für das Pferd bedeutet.

Blicken wir einmal ins Pferdemaul. Wie liegt das Gebiss auf der Zunge, Herr Swoboda?

Am hingegebenen Zügel liegt das Gebiss bzw. liegen die Gebisse der Zunge auf. Wird das Pferd nun „durch´s Genick gestellt“ wird durch den Zügelzug des Reiters und das Herantreten des Pferdes an das Gebiss Druck auf die darunterliegenden Strukturen (Zunge, Laden, Maulwinkel) ausgeübt. Die Zunge wirkt dabei wie ein Polster, das die Laden des Pferdes gegenüber der Gebisseinwirkung schützt. Wie sich der Druck zwischen den oben genannten Strukturen verteilt, hängt vom verwendeten Gebisstyp ab.

Wie wirken unterschiedliche Gebisse auf die Zunge?

Ein gebrochenes Gebiss winkelt sich beim Zügelzug und das Gelenk bzw. die Gelenke richten sich in Richtung des Gaumens auf. Dadurch wird die Zunge entlastet und der Druck wirkt vermehrt auf die Laden und die Maulwinkel. Beim Stangengebiss, zum Beispiel bei einer Kandare, wirkt der Druck insbesondere auf die Zunge. Wie sich der Druck verteilt, wird bis zu einem gewissen Maß durch die Beschaffenheit der Zungenfreiheit beeinflusst. Grundsätzlich kommt es hier aber im Vergleich zu einem gebrochenen Gebiss zu einer deutlich flächigeren Kompression der Zunge.

Was bedeutet das konkret?

Während die Zunge im Rachenbereich durch das Zungenbein unterstützt wird, ist sie im Bereich der Gebisslage ein rein muskuläres, sehr gut durchblutetes Organ. Bei jedem Einwirken mit dem Gebiss kommt es zu einer Druckausübung auf die Zunge und damit auch in einem gewissen Maße zu einer Einflussnahme auf die Durchblutung der Zunge.

Wann wird die Durchblutung tatsächlich beeinträchtigt?

Im Idealfall folgt auf das Annehmen des Zügels innerhalb kurzer Zeit das Nachgeben des Zügels und es kommt zu keiner nennenswerten Beeinflussung der Durchblutung. Bei einem länger andauernden Anstehen des Zügels kann es vor allem bei der Nutzung eines Stangengebisses wie der Kandare zu einer Einflussnahme auf die Durchblutung der Zunge kommen.

Und wann wird eine Zunge blau?

Der arterielle Blutdruck ist stärker als der venöse. Kommt es nun zu einem gewissen Ausmaß der Zungenkompression, fließt zwar weiter arterielles Blut in die Zunge, der Abfluss des dunkleren, venösen Blutes ist jedoch behindert. Dadurch kommt es in diesem Fall unter Umständen – je nach Ausmaß und Dauer der Kompression – zu einer vermehrten Blaufärbung der Zunge. Lässt die Kompression nach, kommt es zum Abfluss des gestauten venösen Blutes und die Blaufärbung sollte in der Regel innerhalb kurzer Zeit verschwinden. Übersteigt der Gefäßinnendruck, bedingt durch den gestörten Blutabfluss, den Gegendruck des Gewebes, kann es zum Austritt von Flüssigkeit aus dem Gefäßsystem in das umliegende Gewebe, in diesem Fall die Zunge, kommen, wodurch es zur Ausbildung eines Ödems kommt und die Zunge anschwillt.

Hat ein Pferd in diesem Fall Schmerzen?

Inwieweit das Pferd dabei Schmerz empfindet ist schwer zu beurteilen und hängt sicher vom Einzelfall bzw. von der Dauer und der Intensität der Kompression ab. Bekanntermaßen ist die Schmerzäußerung von Pferden komplex in der Beurteilbarkeit. Zudem sind die Grenzen zwischen einem „Als-Unangenehm-Empfinden“ und einem schmerzhaften Zustand als fließend anzusehen und es ist schwer zu differenzieren, inwieweit eine möglicherweise entsprechende Mimik etc. durch die Einwirkung auf die Zunge und nicht durch andere Aspekte der Einwirkung oder andere Faktoren hervorgerufen wird.

Wie lange dauert es bis eine Pferdezunge blau anläuft?

Wie lange die Kompression der Zunge stattfinden muss, damit es zur Blaufärbung kommt, ist nur zu mutmaßen. Dies hängt auch hier von der Veranlagung des einzelnen Pferdes und von der Intensität der Kompression ab. Meiner persönlichen Einschätzung nach sind hierfür aber sicherlich mehrere Minuten der weitestgehend kontinuierlichen Kompression erforderlich.

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