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Leitlinien in der Diskussion

Die Leitlinien zum Tierschutz im Pferdesport vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft werden überarbeitet. Noch sind sich FN und BMEL nicht in allen Punkten einig. Beim Zeitpunkt des Anreitens junger Pferde im Alter von 30 Monaten hingegen schon.

Die neuen Leitlinien setzen den Ausbildungsbeginn eines jungen Pferdes von drei Jahren auf 30 Monate herab.

Hamburg – Bei der Jahrestagung der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) in Hamburg hatte FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach über den aktuellen Status Quo berichtet. Seit zwei Jahren arbeitet das BMEL bereits an der Neuauflage der Leitlinien zum Tierschutz im Pferdesport. Nicht nur die FN hat dafür im Vorfeld Vorschläge gemacht. Auch Vertreter des Direktoriums für Vollblutzucht und Rennen und des Hauptverbands für Traberzucht, der Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland, der Tierärztlichen Vereinigung Tierschutz, des Deutschen Tierschutzbundes und Vertreter der Tierschutzbeauftragten der Länder waren zuvor zu einem gemeinsamen Treffen nach Bonn gekommen.

In vielen Punkten sei man sich einig gewesen, in einigen musste die FN Kompromisse eingehen, sagt Soenke Lauterbach. Insbesondere im Punkt „Ausbildungsbeginn junger Pferde“ seien „drei Dinge aufgeführt, die fernab jeder guten und sachgerechten Praxis sind und denen wir so nicht zustimmen können“, macht Lauterbach die Haltung der FN klar. Mit dem Mindestalter eines jungen Pferdes bei Ausbildungsbeginn, was Reiten und regelmäßiges Longieren beinhaltet, von 30 Monaten kann die FN „sehr gut leben“. Vorher lag das Mindestalter bei drei Jahren. Da galt aber noch der 1. Januar als Stichtag der Altersberechnung eines Pferdes. Weil die meisten Pferde jedoch im April oder Mai geboren werden, seien sie auch vorher meist nicht viel älter gewesen, lautet die Erklärung der FN. Nun gilt nämlich das echte Geburtsdatum des Pferdes als Stichtag. Das Alter sei weniger entscheidend, vielmehr komme es auf die entsprechend gewählte Belastung an, findet die FN. Grundsätzlich müsse hier ein Kompromiss mit den Rennsport-Verbänden eingegangen werden, für die der neue Zeitpunkt spät gewählt ist.

Nicht einverstanden ist die FN damit, dass die neuen Leitlinien es nur in Ausnahmefällen erlauben, junge Pferde zu Beginn der Ausbildung in Einzelboxen unterzubringen. Gruppenhaltung soll hier Standard werden. Lauterbach: „Das geht so natürlich nicht. Es steht nicht nur in Widerspruch zu unserer vernünftigen Praxis, sondern auch zu den geltenden Leitlinien Pferdehaltung desselben Ministeriums.“ Außerdem soll ein junges Pferd bei Beginn der Ausbildung nur noch zusammen mit einem vertrauten Artgenossen den Stall wechseln dürfen. „Fernab jeder Praxis", meint Soenke Lauterbach dazu. "Obwohl es vielleicht dem einen oder anderen Händler gefallen würde, künftig immer Pferde im Doppelpack zu veräußern."

Und auch der Forderung der Leitlinien, dass ein Pferd vor seinem ersten Einsatz auf einer Veranstaltung mindestens sechs Monate ausgebildet werden soll, kann die FN nicht zustimmen. „Ja, es gibt Pferde, bei denen das so ist. Oder die noch länger brauchen. Andere Pferden lernen schneller. Daher macht eine Vorgabe von Monaten an dieser Stelle überhaupt keinen Sinn“, kommentiert Soenke Lauterbach.

„Wir haben dem BMEL sehr deutlich gemacht, dass wir mit dem Inhalt dieses Kapitels nicht einverstanden sind und diesem auch nicht zustimmen werden. Gemeinsam mit dem Direktorium für Vollblutzucht und -rennen haben wir um einen Termin mit der Landwirtschaftsministerin gebeten, um unseren Standpunkt deutlich machen“, schildert er das weitere Vorgehen. -fn-press/kia-

UPDATE: In einer Pressemitteilung hat die FN ihre Position zum Mindestalter junger Pferde bei Ausbildungsbeginn nochmals verdeutlicht. „Meine Aussage im Interview verstehen einige Leute offensichtlich als Aufruf, jetzt grundsätzlich alle Pferde im Alter von 30 Monaten anzureiten. Das stimmt so nicht“, wird Lauterbach in der Pressemitteilung zitiert. Ihre Position zu dem Thema stellt die FN direkt im Anschluss nochmals dar. Sie lautet wie folgt:

Es gibt keinen festen Zeitpunkt, zu dem mit der Ausbildung eines Reitpferdes begonnen werden muss. Das ist eine höchst individuelle, allein vom Pferd abhängige Entscheidung, die immer zugunsten des Pferdes ausfallen sollte. Um Orientierung bieten zu können, definiert das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in den Leitlinien einen Zeitpunkt, zu dem frühestens mit der Ausbildung „zum vorgesehenen Nutzungszweck“ begonnen werden darf. Diese Grenze wurde vom BMEL letztlich bei 30 Monaten gezogen. Wir können mit der Vorgabe leben, da sie mit unseren Ausbildungsgrundsätzen nicht kollidiert.

Unsere Richtlinien für Reiten und Fahren Band I geben an, dass Pferde in der Regel mit drei Jahren angeritten werden. Die FN-Broschüre „Anreiten und Ausbilden von jungen Pferden“ ergänzt dazu: „Ob dies einige Monate früher oder später geschieht, ist individuell von der Entwicklung des Pferdes abhängig. Wichtiger noch als das Alter ist das richtige und schonende Anreiten.“ Darüber hinaus weisen wissenschaftliche Studien darauf hin, dass ein früher, aber langsamer und schonender Aufbau zur langfristigen Gesunderhaltung der Pferde beiträgt.

Meinungsäußerungen, nach denen es pauschal besser ist, möglichst spät mit der Ausbildung zu beginnen, stimmen wir dagegen nicht zu. Dabei stützen wir uns auch auf eine Metaanalyse von Prof. Dr. Uta König von Borstel, Professorin für Tierhaltung und Haltungsbiologie der Universität Gießen, die die vorhandenen wissenschaftlichen Studien zum Thema ausgewertet hat. Auch sie kommt zu dem Ergebnis, dass „ein früher Ausbildungsbeginn in altersgerechter Intensität und Frequenz von Vorteil ist, wenn die Rahmenbedingungen stimmen wie zum Beispiel, dass ausreichend zusätzliche, freie Bewegung gewährt wird“.