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Eine Kolumne über die geringe Themenvielfalt in Pferdefilmen

Ein wildes Pferd, ein Retter und ganz wenig Ausrüstung

Aktuell läuft "Reiterhof Wildenstein" in der ARD. Etwas Neues? Naja. Ein Hof vor dem Abgrund und ein hochbegabtes, völlig missverstandenes Pferd, das der gewaltbereite Hofherr nicht zähmen kann - das hat man doch irgendwo schon mal gehört.

Symbolbild

Glaubt die nichtreitende Gesellschaft eigentlich, dass auf jedem ländlichen Reitturnier Champagner in rauen Mengen getrunken wird? Die Antwort ist simpel wie eindeutig: Ja, sie glaubt es. Und das aus gutem Grund. Denn nichts anderes wird ihr in Fernsehfilmen und -serien vermittelt. Definitiv seit ich dem Reitsport verbunden bin – und das sind immerhin schon fast 30 Jahre. Noch bevor das Pferd vom Anhänger stolpert, wird dem schmucken Nobelreiter, der gerne im rot leuchtenden Turnierjackett aus dem Auto steigt, das Glas gereicht. Anschließend geht es dann in den schwierigen Parcours des internationalen Großen Preises, der selten anspruchsvoller als E-Höhe ist, oder man erarbeitet sich seine Olympiakaderzugehörigkeit gar bei einer Fuchsjagd!

Eine schöne Scheinwelt, in der meistens ein junger, wilder Hengst die tragende Rolle spielt, der sich ungern reiten lässt. In dem aber so viel Potenzial schlummert, dass die Hauptdarsteller schier verzweifeln in Anbetracht dessen unbezwingbarer Widerspenstigkeit. Zum Glück kommt meistens durch dumme Zufälle jemand vorbei, der zwar von Pferden keine Ahnung hat, dafür aber das Herz des Hengstes im Sturm erobert.

Als Reiter darf man sich durchaus die Frage stellen, ob es nicht langsam mal an der Zeit wäre, eine neue Geschichte zu erfinden. Aber nein. Was bei „Fury“ oder „Blitz, der schwarze Hengst“ vor Jahrzehnten funktionierte – wo übrigens zur Abwechslung mal kein Champagner getrunken wurde –, ist in Ostwind nur neu aufgelegt. Man muss sich also nicht wundern, dass in den Reitställen gerne berichtet wird, das eigene Pferd sei schwierig und lasse sich nur vom Besitzer reiten. Eine Geschichte, die Nicht-Reiter definitiv fasziniert.

Allerdings holt die Realität jeden Reiter irgendwann ein. Dann nämlich, wenn das eigene Pferd dem Stallbetreiber ein viel fröhlicheres Wiehern schenkt als einem selbst, wenn dieser mit dem Futterwagen um die Ecke rollt. So redselig, wie im Fernsehen getan wird, sind Pferde höchst selten. Und noch seltener geht das Wiehern mit Steigen unter dem Sattel einher. Ein wahrer Mythos, der auch vor Rosamunde Pilcher niemals Halt macht. Ein Wiehern, ein Steigen und meistens folgt darauf der schwere Unfall.

Dabei müsste er, realistisch betrachtet, eigentlich schon zu Beginn jeder Pferdeserie passieren. Nämlich bereits in der allseits beliebten Szene, wenn der hektische Reiter mit Vollspeed über den Schotter vom Hof galoppiert. Die Eisen sprühen auf dem Asphalt Funken, das Pferd muss in Anbetracht des Gelenkverschleißes an den Pferdebeinen einmal kräftig die Zähne zusammenbeißen und das nächste Auto, das dem Reiter auf der Straße entgegenkommt, zieht eben eine kleine Kurve durch den Straßengraben. Aber abgesehen davon ist das doch Idylle pur.

Mittlerweile verzichten die Serien-Reiter übrigens dabei immer öfter auf Sattel und Trense – manche auch auf den Reithelm, so wie im aktuellen ARD-Mehrteiler "Reiterhof Wildenstein", in dem Hauptperson Rike zwar immerhin Pferdeerfahrung vorweisen kann, aber die Probleme des teuren Dressurpferdes ganz schnell und einfach durch den Tausch der Kandare gegen ein Knotenhalfter löst. Damit startet sie dann sogar im Grand Prix, nachdem ihr die Deutsche Reiterliche Vereinigung nicht nur die Starterlaubnis erteilt hat, sondern anscheinend auch eine Sondergenehmigung für besondere Ausrüstung. Denn mit Trense ist dank dieser Filmproduktionen wohl keine Pferdeliebe mehr zu vereinbaren.

Ausrüstung scheint in der harmonischen Pferdefilmwelt generell zum Synonym für Zwang zu werden. Und böse sind die, die sie benutzen. Auch wenn dies zur Sicherheit von Pferd und Reiter beiträgt. Aber das ist wohl zu viel Realität fürs TV. Dass Jessica von Bredow-Werndl und Dalera BB als Double in den Turnierszenen im Rahmen der Pferd International in München fungieren, stimmt jeden, der weiß, wie harmonisches Reiten wirklich funktioniert, zum Glück milde. Dass Dalera dabei eine Kandare trägt, ist dann eben doch kein Problem.

Morgen kommt übrigens der zweite Teil. Wenn Sie noch unschlüssig sind, ob Sie einschalten sollten, fragen Sie doch mal Ihr Pferd. Vielleicht nickt es ja.