Reiterverein Bissingen
Die Camper
Die sechs Shetland-Ponys des Reitervereins Bissingen verdrehen jedem sofort den Kopf – nicht nur kleinen Pferdenarren. Heute sind Heartbreaker, Ritter Rost, Sam, Destroyer, Onkel Hans und Bolle die Stars des Zeltlagers. Das stellt der Verein zwei Mal in den Sommerferien für seine Kinder und Jugendlichen auf die Beine.
Seit 28 Jahren ist das alljährliche Zeltlager eine feste Institution des Reitvereins im rheinland-pfälzischen Braubach. Ebenso wie Ingrid Kröck. Von Anfang an ist sie mit dabei und nun bereits zum 55. Mal die gute Seele des Camps. Sie organisiert das Frühstück für die Kinder, bastelt mit ihnen Bilderrahmen aus alten Hufeisen, bemalt T-Shirts und hat immer ein offenes Ohr. Ans Aufhören denkt die 68-Jährige noch lange nicht. „Man ist nach einer Woche Zeltlager ein bisschen geschafft. Aber dann erhole ich mich kurz und dann kommt auch schon das 56. Zeltlager“, sagt sie lachend.
Von Sonntag bis Freitag campen 30 Kinder im Alter von sieben bis 13 Jahren auf der „heiligen Wiese“ des Reitvereins, die zwischen den Stallungen und dem großen Reitplatz liegt. Auf dieser Wiese feierte das Ehepaar Lebek, dem die Anlange gehört, schon seine Diamantene Hochzeit. Nun reihen sich hier viele bunte, große und kleine Zelte aneinander. In den Ästen eines Kirschbaums hängen pinke Lampions. Weiße Gartenmöbel unter einem Pavillon erinnern an Ferien auf dem Campingplatz.
24 Jahre war Ingrid Kröck Jugendwartin des Vereins. Mittlerweile hat sie den Stab an die jüngere Generation weitergegeben. Und zwar an vier pferdeverrückte Mädels, die sich im Reitverein kennenlernten und heute gemeinsam durch Dick und Dünn gehen: Celine Frank, Leonie Wagner, Xenia Honin und Lara Breitenbach. Zusammengefunden haben sie über die Teilnahme am PM-Schulpferdecup. Heute besetzt jede ein offizielles Amt im Verein. Dass sie ihre Freizeit mit den Kindern im Zeltlager ihres Reitvereins verbringen, ist für sie Ehrensache: „Die Freude in den Kinderaugen zu sehen, ist das allemal wert“, findet die 16-jährige Celine Frank, Pressewartin im Jugend-Team. Die ebenfalls 16-jährige Leonie Wagner gibt einen Einblick in den Camp-Alltag: „Wir haben immer ein Auge darauf, dass die Kinder pünktlich zu ihren Reitstunden kommen, helfen ihnen beim Putzen, Satteln und Auftrensen der Pferde und bereiten ein Nachmittags- und Abendprogramm vor.“
Ein bisschen Abenteuer
Doch ein Zeltlager wäre kein Zeltlager ohne ein bisschen Abenteuer. Die vier Mädels erinnern sich an ein Unwetter, bei dem nachts das gesamte Camp im Reiterstübchen über der Reithalle evakuiert werden musste. „Wir mussten dann noch einmal zurück in die Zelte der Kinder und die Kuscheltiere retten“, schildert Leonie lachend nur eine der vielen Zeltlager-Anekdoten, die den Reitverein und seine Mitglieder noch enger zusammenschweißt.
Nun machen sich die vier Mädels auf den Weg zu einer der großen Weiden der Reitanlage. Ein schmaler, von Weidezäunen gerahmter Sandweg führt sie zur Weide, auf der die Shetland-Ponys des Vereins ihr süßes Leben genießen. Von hier aus eröffnet sich ein grandioser Ausblick ins Tal. Doch für die sechs Ponys heißt es nun „antreten“. Denn der nächste Zeltlager-Programmpunkt lautet: Shetty-Pflege.
Als Jährlinge hat Dressurreiterin Susanne Lebek einen Teil der Ponys in Holland vor dem Schlachter gerettet. Im Reitverein Bissingen wuchsen sie heran und die Jugendlichen haben sie zu echten Verlassponys gemacht. Zwei weitere Shettys kamen von der Polizeireiterstaffel in den Reitverein: Bolle, dessen Name auf Deutsch „Brötchen“ bedeutet, und „Feuerwehrmann Sam“, dessen Markenzeichen ein rotes Halfter und ein roter Strick sind.
Schon mit drei Jahren können Kinder in Bissingen mit den Shettys erste Erfahrungen im Umgang mit Pferden und auf dem Pferderücken sammeln.Auf dem Hof angekommen, binden die vier Mädels die Shettys an den Putzplätzen an. An jedem Putzplatz hängt ein Jutebeutel mit einem gemalten Portrait eines jeden Shettys. Denn jedes hat sein eigenes Putzzeug. Behutsam und mit leuchtenden Augen widmen sich die Kinder dem Pflegeprogramm der Ponys. Einige scheinen dabei in ihre eigene Welt abzudriften. In diesen Momenten geht Isabelle Diesler das Herz auf. Die Geschäftsführerin des Reitervereins Bissingen hat durch ihre Tochter in den Verein gefunden, selbst reiten gelernt, den Trainerschein gemacht und kümmert sich nun um die reiterliche Ausbildung des Vereins-Nachwuchses. Das Pferdevirus machte auch nicht vor ihrem Mann Markus Diesler Halt.
Die 300 geknackt
Der entschied sich 2014, bei der Jubiläumsfeier des Vereins, an der Herrenreitstunde teilzunehmen. „Alle 14 Tage treffen sich ein paar Männer zum Reiten und gemütlichen Beisammensein“, erklärt Markus Diesler den Hintergrund. Doch daraus wurde mehr. Kurze Zeit später kaufte er sich ein eigenes Pferd. Heute ist er Vorsitzender des Vereins. „In diesem Jahr haben wir die 300-Mitglieder-Marke geknackt“, freut er sich. „Besonders im Kinder- und Jugendbereich haben wir in den vergangenen zwei Jahren starken Zuwachs bekommen.“ Im Reiterverein Bissingen können nicht nur junge Pferdefreunde das kleine und große Einmaleins im Sattel lernen. Auch für seine Erwachsenen hat der Verein ein Angebot. Neben der Herrenreitstunde gibt es spezielle Kurse und Reitstunden für Anfänger und Wiedereinsteiger. „Dieses Angebot nehmen viele Mütter an, die früher selbst einmal geritten sind und wieder anfangen wollen“, schildert Sabine Kraußer, die seit sieben Jahren als Ausbilderin im Reitverein arbeitet.
Im Camp herrscht derweil reges Treiben. Taschen werden gepackt, Schlafsäcke zusammengerollt, zischend sinken Luftmatratzen in sich zusammen. Das erste Zeltlager dieser Ferien neigt sich dem Ende zu. Doch traurig ist hier niemand. Schon in wenigen Wochen werden auf der „heiligen Wiese“ erneut die Zelte aufgeschlagen. Natürlich wieder mit dabei: Ingrid Kröck und die Shetty-Gang. Und unter den kleinen Campern sicherlich auch der ein oder andere Wiederholungstäter.
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