Der Weg zur Seite
Schritt für Schritt in die perfekte Traversale - mit Video
Einer Strandkrabbe fällt es tatsächlich leichter, seitwärts zu laufen als geradeaus. Das können Pferde definitiv nicht von sich behaupten. Schon die ersten Seitwärtsschritte im Schenkelweichen sind eine Herausforderung für Koordination und Körperbeherrschung. Deutlich schwieriger wird es aber, wenn Stellung und Biegung in Bewegungsrichtung hinzukommen. Dabei sind es gerade die ausdrucksstarken Traversalen, die Dressurfans Gänsehaut bereiten. Dann, wenn das Pferd frei aus der Schulter zur Seite tritt, die Beine weit kreuzen und es schwungvoll und nahezu mühelos die Diagonale erobert.
„Das setzt Multitasking bei Pferd und Reiter voraus“, sagt Grand Prix-Reiterin Judy Reynolds. Der Reiter muss darauf achten, dass er seinen inneren Gesäßknochen etwas mehr belastet, der innere Schenkel am Gurt für die Längsbiegung des Pferdes sorgt und der äußere Schenkel die Vorwärts-Seitwärts-Bewegung erhält. „Gleichzeitig gibt die innere Hand die Stellung vor und weist leicht seitwärts, die äußere Hand begrenzt die Stellung wiederum, damit die Schulter des Pferdes nicht ausweicht“, erklärt die Irin. Nur so kann der Reiter das Pferd darin unterstützen, sich ausbalanciert und geradegerichtet seitwärts zu bewegen. Ganz schön kompliziert! Kein Wunder, dass die ersten Traversalen auf Turnieren erst ab der Zwei-Sterne-L-Dressur gefordert sind. Doch wie fängt man an?
Judy Reynolds zeigt auf Gut Hohenkamp in Dorsten mit der Vize-Weltmeisterin der jungen Dressurpferde von 2014, Samoura M, wie sich Pferd und Reiter gezielt auf diese Herausforderung vorbereiten.
Übung 1: Stabilisierendes Schenkelweichen
So geht‘s: Schenkelweichen zählt zwar nicht zu den Seitengängen, ist aber eine erste Übung, um Pferd und Reiter an die Seitwärtsbewegung heranzuführen. Das Pferd ist dabei leicht gestellt und nicht gebogen. Die Vorhand ist der Hinterhand immer leicht voraus, um die Vorwärtsbewegung zu erhalten. „Ich lege es im Schritt und Trab gerne entlang der Diagonalen an“, erzählt Judy Reynolds. Anfangs startet man allerdings an der langen Seite mit dem Blick Richtung Bande, um dem Pferd eine Begrenzung zu geben.
Effekt: Das Pferd lernt nicht nur, die seitwärtstreibenden Hilfen anzunehmen, es wird auch dazu aufgefordert, sich mehr zu schließen und mit der Hinterhand unter den Schwerpunkt zu treten.
Tipp: Anfangs genügen nur einige Schritte im Schenkelweichen. Die Lektion ist kräftezehrend, vor allem, wenn das Pferd des Öfteren noch die Balance verliert.
Übung 2: Stellendes Schulterherein
So geht‘s: Stellung und Biegung in der Seitwärtsbewegung werden erstmals im Schultervor oder Schulterherein gefordert. „Beim Schultervor stelle ich das Pferd leicht im Genick nach innen und führe die Vorhand gering nach innen, so dass das innere Hinterbein etwas mehr Last aufnehmen muss“, erklärt Reynolds. Im Schulterherein wird die Längsbiegung des Pferdes verstärkt, indem die Vorhand deutlicher in die Bahn geführt wird. Das Pferd bewegt sich auf drei Hufschlägen. Das äußere Vorderbein und das innere Hinterbein treten auf einer Linie. Es kreuzen nur die Vorderbeine.
Effekt: Diese Übung fördert die Versammlung. Das innere Hinterbein wird aktiviert. Außerdem verbessert der Reiter damit die Geraderichtung.
Tipp: Der Reiter sollte daran denken, dass die äußere Schulter in die Bahn geführt wird. Der äußere Zügel ist der führende, der innere bleibt in der Stellung flexibel.
Übung 3: Taktisches Travers
So geht‘s: Im Travers geht es zum ersten Mal um die Seitwärtsbewegung in Stellung und Biegung in Bewegungsrichtung. Die Hinterhand wird dabei leicht ins Bahninnere geführt. Eine große Herausforderung für Pferd und Reiter. „Das Pferd muss sich geschmeidig biegen lassen und den seitwärtstreibenden Schenkel gut annehmen“, gibt Judy Reynolds zu bedenken. Am besten legt man es an der langen Seite an. Der Reiter belastet den inneren Gesäßknochen vermehrt und dreht seinen Oberkörper in die Bewegungsrichtung. Das Pferd biegt sich um seinen inneren Schenkel, der äußere schiebt es in die Vorwärts-Seitwärts-Bewegung. Die Hinterbeine kreuzen ebenso wie die Vorderbeine.
Effekt: Diese Übung fordert die Hankenbeugung des inneren Hinterbeins und ist ein weiterer Schritt in der Versammlung.
Tipp: Travers lässt sich gut aus einer Volte einleiten.
Übung 4: Richtungsweisendes Renvers
So geht‘s: Renvers ist im Prinzip nichts anderes als die Konterlektion zu Travers. Die Hilfengebung ist identisch. In diesem Fall bewegt sich das Pferd nur mit der Hinterhand auf den äußeren und mit der Vorhand auf den inneren Hufschlägen. „Der Reiter sollte immer genau darauf achten, dass er das Pferd nicht zu stark abstellt, sondern die Vorwärtsbewegung erhält“, betont Judy Reynolds. Das Pferd bewegt sich auf vier Hufschlägen.
Effekt: Diese Lektion zielt ebenso auf die Geschmeidigkeit in der Längsbiegung ab und verbessert die Lastaufnahme der Hinterhand.
Tipp: „Man kann das Renvers gut wie eine einfache Schlangenlinie einleiten“, rät die Grand Prix-Reiterin. Aus der Ecke kommend wende man in den Bogen ab und schiebt das Pferd in der korrekten Stellung in die Vorwärts-Seitwärts-Bewegung. Schwieriger ist es, aus einer Kurzkehrt-Wendung heraus anzutraben und ins Renvers zu gehen.
Das Ergebnis: Die typgerechte Traversale
So geht‘s: „In den ersten Traversalen ist es für Pferd und Reiter ungewohnt, sich auf der Diagonalen zu bewegen“, macht Reynolds deutlich. Schnell verliert das Pferd den Schwung oder die Seitwärtsbewegung gerät ins Stocken. „Deshalb sollten die ersten Traversalen von der Mittellinie aus in Richtung Hufschlag geritten und flach angelegt werden“, so die Ausbilderin. Traversalen werden auf dem Turnier im versammelten Trab oder Galopp geritten. Die Hilfengebung ist identisch zum Travers.
Mit der achtjährigen Samoura beginnt Judy Reynolds nach dem Abwenden auf die Mittellinie im Schulterherein. Daraus schiebt sie das Pferd in die Traversale. „Nach einigen Tritten reite ich wieder Geradeaus oder Schulterherein und dann erneut einige Tritte in die Traversale“, beschreibt die Berufsreiterin. „Oft werden die Pferde anfangs zu stark gestellt und können sich dadurch nicht ausbalancieren.“ Der Wechsel zwischen Traversale und Geradeaus korrigiert die Stellung immer wieder.
Effekt: Das Pferd wird nicht nur in der Längsbiegung geschmeidiger, auch seine Tritte werden immer kadenzierter, weil sich die Lastaufnahme und die Tragkraft verbessert. „Nach einiger Zeit kann man die Traversale über die ganze Diagonale etwas steiler anlegen. Dann greift die Vorhand freier aus der Schulter und die Bewegung wird ausdrucksstärker“, betont Judy Reynolds.
Tipp: Eine Mischung aus all diesen Lektionen bringt Abwechslung ins Training. Beispielsweise lässt sich eine Traversale aus der Ecke bis zur Viertellinie anlegen, daraus eine Pferdelänge geradeaus und dann im Schenkelweichen zurück zum Hufschlag reiten. Das macht das Pferd aufmerksam und der Reiter lernt, seine Gewichts- und Schenkelhilfen exakt zu dosieren.
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