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Das richtige Trensengebiss auswählen

Wenn das Pferd nicht in eine gleichmäßige Anlehnung findet, kann es manchmal helfen, das Trensengebiss zu wechseln. Denn nicht immer ist die reiterliche Einwirkung die Ursache. Unsere Experten klären, welches Gebiss zu welchen Pferden passt.

Olivenkopf- (links) oder Wassertrense (rechts)? Die beiden Gebisse wirken unterschiedlich auf das Pferd ein.

Ohne Anlehnung geht es nicht. Das Pferd soll an das Gebiss herantreten, den Unterkiefer vorschieben, die Bauchmuskeln anspannen, den Rücken aufwölben und mit der Hinterhand unter den Schwerpunkt treten. Nur so gelingen Lektionen und nur so bleibt das Reitpferd zufrieden und gesund. Eine entscheidende Rolle spielt dabei nicht nur reiterliches Geschick, sondern auch das richtige Trensengebiss. Wann doppelt und wann einfach gebrochene Gebisse die richtige Wahl sind, welches Pferd vielleicht eine Olivenkopf-Trense braucht und wann Dreiring- oder Baucher-Gebiss sinnvoll sind, erklären unsere Experten.

Nicht immer ist eine harte Reiterhand schuld daran, dass ein Pferd nicht an das Gebiss herantreten mag, sich aus der Anlehnung heraushebt oder gegen die Hand geht. Manchmal passt dem Pferd sein Trensengebiss einfach nicht – im wahrsten Sinne des Wortes. Gebiss-Beraterin Christina Krajewski hilft Reitern dabei, das passende Gebiss für ihr Pferd zu finden und ist überzeugt: Je besser das Gebiss passt, desto angenehmer ist es für das Pferd und desto eher wird es an die Reiterhand herantreten. „Das Pferd soll das Gebiss im Maul am besten gar nicht bemerken. Es soll lediglich die Signale spüren, die der Reiter über die Zügel gibt, ohne sie als unangenehm zu empfinden“, so Krajewski.

Das einfach gebrochene Gebiss wirkt eher seitlich auf die Zungenränder. Ein doppelt gebrochenes soll sich besser anschmiegen.

Der Reiter hat die Qual der Wahl. Der Handel bietet unzählige Modelle aus verschiedensten Materialien an. Welches Gebiss ist also für welches Pferde das richtige? Dressurausbilder und Grand Prix-Reiter Sebastian Heinze schwört auf die doppelt gebrochene Wassertrense – auch als „Erstgebiss“ für Jungpferde. „Ich reite fast alle meine Pferde damit. Das doppelt gebrochene Gebiss liegt am ruhigsten im Maul, die Pferde fühlen sich wohl damit.“ Einfach gebrochene Wassertrensen schnallt Heinze nur ein, wenn ein Pferd wenig durchlässig ist. „In Kombination mit einem Hannoverschen Reithalfter kommt man kurzfristig besser mit den Paraden durch“, so der Dressurausbilder. „Sobald die Pferde durchlässiger sind, wechsle ich wieder zum doppelt gebrochenen Gebiss.“ Aus gutem Grund: „Einfach gebrochene Gebisse wirken vermehrt auf den Gaumen. Pferde, die dauerhaft mit einem einfach gebrochenen Gebiss geritten werden, können irgendwann in der Parade überreagieren oder reagieren auch gar nicht mehr, weil sie den Druck nicht so gut haben können.“ Hannes Müller, Ausbildungsleiter der Deutschen Reitschule in Warendorf, sieht das anders: „Das einfach gebrochene Gebiss ist eines der wirksamsten, bewährtesten und unkompliziertesten Mittel, auf das Pferd einzuwirken. Die Hände des Reiters bestimmen darüber, wie das Gebiss wirkt, nicht das Gebiss an sich.“

Einfach oder doppelt gebrochen?

Verbreitet herrscht die Meinung, das einfach gebrochene Gebiss sei aus dem Grund angenehmer für das Pferd, weil sich bei Zügelzug das Gelenk in der Mitte aufstelle und der Zunge mehr Freiraum gebe. Damit einher geht der Begriff „Nussknacker-Effekt“, bei dem sich das aufgestellte Gelenk verdrehen und die Zunge quetschen oder in den Gaumen drücken soll. Deike Bräutigam vom Produktentwickler HS Sprenger klärt auf: „Nur, wenn das Gebiss deutlich zu groß oder zu dick für das jeweilige Pferd ist, kann es passieren, dass das Gelenk in den Gaumen drückt.“ Gebiss-Beraterin Christina Krajewski spricht sich für doppelt gebrochene Gebisse aus und begründet ihre Meinung anatomisch: „In der Mitte der Zunge haben Pferde ein gutes Tastgefühl, empfinden Druck in der Regel aber nicht als unangenehm. Zu den Rändern hin und an der Spitze ist die Zunge deutlich empfindlicher. Ein einfach gebrochenes Gebiss mit geraden Flügeln wirkt bei Zügelzug nur auf die Zungenränder, vielen Pferden ist das unangenehm. Doppelt gebrochene Gebisse hingegen sind flexibler und schmiegen sich besser an. Der Druck verteilt sich besser.“

Das Gebiss aber generell zur Ursache für Anlehnungsprobleme zu machen, ist falsch, wie Sebastian Heinze deutlich sagt: „Man muss immer sein eigenes Reiten reflektieren.“ Doch auch er weiß um die Wirkung unterschiedlicher Gebisse. „Tritt das Pferd nicht an den Zügel heran, kann das daran liegen, dass das Gebiss zu leicht ist. Die meisten Pferde fühlen sich nicht wohl damit und nehmen es nicht gerne an“, schildert der Dressurausbilder seine Erfahrung. Hier könne schon ein etwas schwereres, aber nicht dickeres Gebiss Abhilfe schaffen.

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Gleitende oder feste Ringe?

Bei jungen Pferden, die noch nicht ausbalanciert sind, greift Heinze gerne zum doppelt gebrochenen Olivenkopfgebiss mit fixierten Ringen. „So kann der Reiter dem Pferd etwas mehr Halt und Stabilität mit der Hand geben und es besser führen.“ Deike Bräutigam erklärt den Unterschied: „Bewegliche Ringe können eine etwas unruhige Reiterhand abfedern. Außerdem kann das Pferd das Gebiss durch Anspannen der Zunge etwas anheben und dadurch zu starkem Druck durch Zügelanzug kurzfristig ausweichen. Gerade für das Anreiten von jungen Pferden oder für Reitanfänger sind Gebisse mit durchlaufenden Ringen empfehlenswert“, so Bräutigam. Hannes Müller hält dagegen: „Kein Gebiss kann eine unruhige Reiterhand ausgleichen.“ Gebisse mit fixierten Trensenringen wirken direkter und liegen ruhiger im Maul. Deike Bräutigam sagt: „Durch die weichen Übergänge zu den Seitenteilen sind diese Gebisse maulwinkelschonend. Außerdem besteht durch die Auflagefläche der Seitenteile eine zusätzliche seitliche Anlehnung, die zum Beispiel das Reiten von Wendungen erleichtert.“ Sie fügt hinzu: „Diese Gebisse eignen sich besonders für Pferde, die dazu neigen, in Wendungen oder beim Anreiten von Hindernissen über die Schulter auszubrechen.“

Gebisse mit gleitenden Ringen sollen eine etwas unruhige Reiterhand ein wenig ausgleichen können.

Für jedes Problem gibt es das passende Gebiss, sogar Zungenfehler sollen damit sich mit dem richtigen Gebiss korrigieren lassen. „Ich empfehle bei Pferden mit kräftigen Zungen, die diese herausstrecken, doppelt gebrochene Gebisse mit Zungenfreiheit. Sie haben eine gleichmäßige Auflagefläche, die meisten Pferde finden sie angenehm“, sagt Gebiss-Beraterin Christina Krajewski. Kandidaten, die am liebsten jeglichen Kontakt mit dem Gebiss vermeiden und sich hinter dem Zügel verkriechen, hätten laut Krajewski häufig eine empfindliche, dünne Zunge. „Da empfehle ich ein Gebiss, das die mittlere Zungenpartie stärker anspricht und die Zungenränder entlastet. Es sollte in jedem Fall ein doppelt gebrochenes sein.“ Bei Pferden, die stark gegen die Hand gehen oder sich herausheben, könne der Reiter auch zu sogenannten Hebelgebissen, wie der Dreiring-Trense oder dem Baucher-Gebiss greifen. „Es ist ja nicht so, dass man das Pferd damit über pure Kraft im Maul kontrolliert“, erklärt Krajewski. „Vielmehr wirken Hebelgebisse gleichzeitig auf mehrere Signalpunkte am Pferdekopf. Bei Zügelzug kommt ein Signal auf der Zunge an, ein weiteres am Genick und wer zusätzlich noch einen Kinnriemen verwendet, spricht auch noch die Kinngrube des Pferdes an. Je mehr Signale das Pferd bekommt, desto besser kann es sie verstehen“, erklärt die Gebiss-Beraterin. Und weiter: „Es ist besser, dem Pferd die richtige Anlehnung so zu erklären, positive Rückmeldung zu bekommen und später wieder auf ein doppelt gebrochenes Gebiss zu wechseln, als dauerhaft ohne Anlehnung zu reiten oder dem Pferd sogar im Maul herumzuziehen.“ Dadurch würde es letztendlich falsche Muskulatur entwickeln und im Extremfall gesundheitliche Schäden davontragen.

Mehr Signalpunkte nutzen

Deike Bräutigam gibt einen Tipp, wie der Reiter die unterschiedlichen Punkte am Pferdekopf gezielt ansprechen kann: „Durch Verwendung eines zweiten Zügelpaares kann der Druck auf Genick, Zunge und Unterkiefer nach Bedarf variiert werden. Voraussetzung hierfür ist natürlich eine geübte und gefühlvolle Reiterhand.“ Sie gibt allerdings auch zu bedenken: „Das Pferd ist im Bereich des Nackenbandes sehr empfindlich. Unter dem Nackenband liegen Schleimbeutel, die sich bei übermäßigem Druck entzünden können. Über das Genick sollte also nur dosiert eingewirkt werden. Außerdem reagiert das Pferd darauf mit Herabsenken des Kopfes. Beim Anreiten von Sprüngen sollte es jedoch in der Lage sein, den Kopf so anzuheben, damit es den Sprung taxieren und sich ausbalancieren kann.“ Hannes Müller weist darauf hin, dass Hebelgebisse nur in Hände erfahrener Reiter gehören. Der Druck muss fein dosiert werden, findet er. Sowieso soll der Griff zum Hebelgebiss nur in Abstimmung mit dem Trainer erfolgen. Und es muss geklärt sein, dass keine gesundheitlichen Probleme für die mangelnde Anlehnung verantwortlich sind.

Ebenfalls zu den Hebelgebissen zählt die Aufziehtrense, die zunächst harmlos aussieht. Bei ihr werden die Zügel mit einem rundgenähten Leder durch kleine Ösen der Gebissringe gezogen und am Backenstück der Trense befestigt. Hannes Müller warnt: „Diese Gebisse sind bei stärkerem Zügelzug sehr schmerzhaft für das Pferd und bedeuten eine Zwangsmaßnahme.“Ganz wichtig ist bei allen Gebissen, dass sie anatomisch zum Pferd passen. Ausschlaggebend dafür sind Maulbreite, Zungendicke, Kieferform und -größe sowie Gaumenwölbung. Wie es um ein Pferd diesbezüglich bestellt ist, kann am besten der Pferdezahnarzt sagen. „Er hat durch seine Berufserfahrung die nötigen Vergleichswerte“, sagt Christina Krajewski. „Mit diesem Wissen kann der Reiter zusammen mit einem Gebiss-Berater das passende Gebiss für sein Pferd finden.“ Ihrer Meinung nach sollte Gebiss-Beratung genauso selbstverständlich werden, wie die Beratung beim Sattelkauf durch den Sattler. Mittlerweile bieten viele Hersteller individuelle Gebissberatungen an. Und im Endeffekt hilft auch bei Gebissen nur eines: ausprobieren!